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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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tet? -.....- An dem einen runden Tische, des Hinterzimmers im "rothen Igel" saßen
die ganze Redaction deö G'radans, die Herausgeber des politischen ABC. die
Mitarbeiter der ostdeutschen Post u. s. w., hier waltete der Geist der Mäßigung,
der verständigen Ueberlegung; aber über dem zweiten Tische flatterte dräuend wie
eine gewaltige Lohe das Banner der rothen Republik'. Hier versammelten sich
die Ultraradicalen, die communistischen Anarchisten zu einem leckeren Diner, und
hier war es, wo ich zum erstenmale in Wien das mit Zuversicht ausgesprochene
Wort hörte: In vierzehn Tagen haben wir die Republik! -- Mit ironischen Ge¬
lächter klatschte dazu der gemäßigte Tisch der G'radauömänuer seinen Beifall.
Unter den letzteren hatte ich liebe Freunde; sie kamen endlich, mich in meiner
Einsamkeit zu trösten, denn sie ahnten nicht, daß ich schon liebenswerthe Bekannt--
schaften gemacht hatte. Da sie Alle ältere Bekannte der Dame zu sein schienen,
so benutzte ich eine passende Gelegenheit und frug meinen Nachbar: Wer ist diese
Frau? -- Eine Baronin X mit ihrem Sohne. -- Und? -- Sie ist die Frav,
oder vielmehr nicht Fran des et>. Becher, entgegnete achselzuckend mein Freund,
seine dviine "mio, wenn Sie wollen. -- llr. Becher? Ich habe den Namen ge¬
hört, und doch -- Er ist der Redacteur des "Radicalen", und Chorführer der
Rothen -- Aha -- Was habt Ihr Euch denn in die Ohren zu zischeln? rief der
kleine Toni. Wollt Ihr Euch verschwöre", habt Ihr schwarzgelbe Plane? Dann
-- doch da kommt Becher, mein lieber Becher! Mutter und Sohn, warfen sich
an den Hals des Eintretenden.

Nicht ohne Neugier, wie ich gern gestehe, faßte ich den Mann ins Auge,
der zwar im Ausland nicht viel, desto mehr aber in Wien und Oestreich von sich
reden gemacht hatte. Man hielt ihn für einen Fanatiker der Anarchie, für den
eingefleischtesten Republikaner, für einen Socialisten der edelsten Schule-- aber,
wenn auch Viele noch damals in seine Ehrlichkeit volles Vertrauen setzten, die
Meisten trauten ihm nicht recht, nannten ihn Egoist, Fuchs, Verräther - kurz,
ich habe niemals so viele widersprechende Urtheile über einen Menschen gehört,
wie über dienen. Becher's äußere Erscheinung machte, ohne anzuziehen oder zu
imponiren, einen gewissen Eindruck. Er war ein hoher stattlicher Mann, schein¬
bar in den Vierziger; sein Gesicht pockennarbig, rauh und unedel, erhielt durch
große, klare Augen einen einnehmenden Zug, von einer hohen, starkgcwölbten
Stirn waren lange und dünne blonde Locken so zurückgestrichen, daß das ganze
Gesicht frei davon blieb. Als er an seinen Stuhl trat, ließ er mit einer'thea¬
tralischen Geberde seinen Mantel fallen, und stand nun da in engen Rock, um-
gürtet mit einem mächtigen Nitterschwert, dessen vergoldeter, zweihändiger Kreuz¬
griff funkelte und strahlte, als komme er direct ans der Waffenschmiede. Ich
mußte lächeln, da ich diese Waffe erblickte; als Kind hatte ich mir, begeistert von
Romanlectüre, oft eine derartige gewünscht, jetzt aber konnte ich sie für nichts
mehr halten, als ein unnützes', romantisch prunkendes Schaustück. Becher zog
feierlich die Klinge aus der Scheide, legte sie, die glänzend und fleckenlos, weder
an Perce/s noch an Falstaff's Thaten mahnte, neben seinen Teller, und begann
sodann kühnlich unter ihrem Schutz sein "Kälbernes" zu verspeisen und dazu einen
"Pfiff Gulden" zu trinken. Liebende, bewundernde Blicke aber hingen an des
Helden Stirn und Mund und freuten sich seines gesegneten Appetits. Ich erbat
mir das prächtige Schwert zur Betrachtung, auf seinem Griff waren die Worte
eingrcwirt: "Zum Andenken an die Tage 'des März in Wien." Sie haben diese
Waffe wohl zum Geschenk erhalten? fragte ich. Ja, von der Abtheilung des
demokratischen Vereins, mit welcher ich damals das rothe Thurmthor stürmte,
entgegnete er möglichst wegwerfend. -- Ist Alles nit wahr! flüsterte mir Freund
sah. ins Ohr.......Und jetzt? fragte ich unbeirrt weiter, haben Sie auch heute
gefochten? M war am 6. October). Einigermaßen verlegen erwiederte er: Ja,


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tet? -.....- An dem einen runden Tische, des Hinterzimmers im „rothen Igel" saßen
die ganze Redaction deö G'radans, die Herausgeber des politischen ABC. die
Mitarbeiter der ostdeutschen Post u. s. w., hier waltete der Geist der Mäßigung,
der verständigen Ueberlegung; aber über dem zweiten Tische flatterte dräuend wie
eine gewaltige Lohe das Banner der rothen Republik'. Hier versammelten sich
die Ultraradicalen, die communistischen Anarchisten zu einem leckeren Diner, und
hier war es, wo ich zum erstenmale in Wien das mit Zuversicht ausgesprochene
Wort hörte: In vierzehn Tagen haben wir die Republik! — Mit ironischen Ge¬
lächter klatschte dazu der gemäßigte Tisch der G'radauömänuer seinen Beifall.
Unter den letzteren hatte ich liebe Freunde; sie kamen endlich, mich in meiner
Einsamkeit zu trösten, denn sie ahnten nicht, daß ich schon liebenswerthe Bekannt--
schaften gemacht hatte. Da sie Alle ältere Bekannte der Dame zu sein schienen,
so benutzte ich eine passende Gelegenheit und frug meinen Nachbar: Wer ist diese
Frau? — Eine Baronin X mit ihrem Sohne. — Und? — Sie ist die Frav,
oder vielmehr nicht Fran des et>. Becher, entgegnete achselzuckend mein Freund,
seine dviine »mio, wenn Sie wollen. — llr. Becher? Ich habe den Namen ge¬
hört, und doch — Er ist der Redacteur des „Radicalen", und Chorführer der
Rothen — Aha — Was habt Ihr Euch denn in die Ohren zu zischeln? rief der
kleine Toni. Wollt Ihr Euch verschwöre», habt Ihr schwarzgelbe Plane? Dann
— doch da kommt Becher, mein lieber Becher! Mutter und Sohn, warfen sich
an den Hals des Eintretenden.

Nicht ohne Neugier, wie ich gern gestehe, faßte ich den Mann ins Auge,
der zwar im Ausland nicht viel, desto mehr aber in Wien und Oestreich von sich
reden gemacht hatte. Man hielt ihn für einen Fanatiker der Anarchie, für den
eingefleischtesten Republikaner, für einen Socialisten der edelsten Schule— aber,
wenn auch Viele noch damals in seine Ehrlichkeit volles Vertrauen setzten, die
Meisten trauten ihm nicht recht, nannten ihn Egoist, Fuchs, Verräther - kurz,
ich habe niemals so viele widersprechende Urtheile über einen Menschen gehört,
wie über dienen. Becher's äußere Erscheinung machte, ohne anzuziehen oder zu
imponiren, einen gewissen Eindruck. Er war ein hoher stattlicher Mann, schein¬
bar in den Vierziger; sein Gesicht pockennarbig, rauh und unedel, erhielt durch
große, klare Augen einen einnehmenden Zug, von einer hohen, starkgcwölbten
Stirn waren lange und dünne blonde Locken so zurückgestrichen, daß das ganze
Gesicht frei davon blieb. Als er an seinen Stuhl trat, ließ er mit einer'thea¬
tralischen Geberde seinen Mantel fallen, und stand nun da in engen Rock, um-
gürtet mit einem mächtigen Nitterschwert, dessen vergoldeter, zweihändiger Kreuz¬
griff funkelte und strahlte, als komme er direct ans der Waffenschmiede. Ich
mußte lächeln, da ich diese Waffe erblickte; als Kind hatte ich mir, begeistert von
Romanlectüre, oft eine derartige gewünscht, jetzt aber konnte ich sie für nichts
mehr halten, als ein unnützes', romantisch prunkendes Schaustück. Becher zog
feierlich die Klinge aus der Scheide, legte sie, die glänzend und fleckenlos, weder
an Perce/s noch an Falstaff's Thaten mahnte, neben seinen Teller, und begann
sodann kühnlich unter ihrem Schutz sein „Kälbernes" zu verspeisen und dazu einen
„Pfiff Gulden" zu trinken. Liebende, bewundernde Blicke aber hingen an des
Helden Stirn und Mund und freuten sich seines gesegneten Appetits. Ich erbat
mir das prächtige Schwert zur Betrachtung, auf seinem Griff waren die Worte
eingrcwirt: „Zum Andenken an die Tage 'des März in Wien." Sie haben diese
Waffe wohl zum Geschenk erhalten? fragte ich. Ja, von der Abtheilung des
demokratischen Vereins, mit welcher ich damals das rothe Thurmthor stürmte,
entgegnete er möglichst wegwerfend. -- Ist Alles nit wahr! flüsterte mir Freund
sah. ins Ohr.......Und jetzt? fragte ich unbeirrt weiter, haben Sie auch heute
gefochten? M war am 6. October). Einigermaßen verlegen erwiederte er: Ja,


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[0367] tet? -.....- An dem einen runden Tische, des Hinterzimmers im „rothen Igel" saßen die ganze Redaction deö G'radans, die Herausgeber des politischen ABC. die Mitarbeiter der ostdeutschen Post u. s. w., hier waltete der Geist der Mäßigung, der verständigen Ueberlegung; aber über dem zweiten Tische flatterte dräuend wie eine gewaltige Lohe das Banner der rothen Republik'. Hier versammelten sich die Ultraradicalen, die communistischen Anarchisten zu einem leckeren Diner, und hier war es, wo ich zum erstenmale in Wien das mit Zuversicht ausgesprochene Wort hörte: In vierzehn Tagen haben wir die Republik! — Mit ironischen Ge¬ lächter klatschte dazu der gemäßigte Tisch der G'radauömänuer seinen Beifall. Unter den letzteren hatte ich liebe Freunde; sie kamen endlich, mich in meiner Einsamkeit zu trösten, denn sie ahnten nicht, daß ich schon liebenswerthe Bekannt-- schaften gemacht hatte. Da sie Alle ältere Bekannte der Dame zu sein schienen, so benutzte ich eine passende Gelegenheit und frug meinen Nachbar: Wer ist diese Frau? — Eine Baronin X mit ihrem Sohne. — Und? — Sie ist die Frav, oder vielmehr nicht Fran des et>. Becher, entgegnete achselzuckend mein Freund, seine dviine »mio, wenn Sie wollen. — llr. Becher? Ich habe den Namen ge¬ hört, und doch — Er ist der Redacteur des „Radicalen", und Chorführer der Rothen — Aha — Was habt Ihr Euch denn in die Ohren zu zischeln? rief der kleine Toni. Wollt Ihr Euch verschwöre», habt Ihr schwarzgelbe Plane? Dann — doch da kommt Becher, mein lieber Becher! Mutter und Sohn, warfen sich an den Hals des Eintretenden. Nicht ohne Neugier, wie ich gern gestehe, faßte ich den Mann ins Auge, der zwar im Ausland nicht viel, desto mehr aber in Wien und Oestreich von sich reden gemacht hatte. Man hielt ihn für einen Fanatiker der Anarchie, für den eingefleischtesten Republikaner, für einen Socialisten der edelsten Schule— aber, wenn auch Viele noch damals in seine Ehrlichkeit volles Vertrauen setzten, die Meisten trauten ihm nicht recht, nannten ihn Egoist, Fuchs, Verräther - kurz, ich habe niemals so viele widersprechende Urtheile über einen Menschen gehört, wie über dienen. Becher's äußere Erscheinung machte, ohne anzuziehen oder zu imponiren, einen gewissen Eindruck. Er war ein hoher stattlicher Mann, schein¬ bar in den Vierziger; sein Gesicht pockennarbig, rauh und unedel, erhielt durch große, klare Augen einen einnehmenden Zug, von einer hohen, starkgcwölbten Stirn waren lange und dünne blonde Locken so zurückgestrichen, daß das ganze Gesicht frei davon blieb. Als er an seinen Stuhl trat, ließ er mit einer'thea¬ tralischen Geberde seinen Mantel fallen, und stand nun da in engen Rock, um- gürtet mit einem mächtigen Nitterschwert, dessen vergoldeter, zweihändiger Kreuz¬ griff funkelte und strahlte, als komme er direct ans der Waffenschmiede. Ich mußte lächeln, da ich diese Waffe erblickte; als Kind hatte ich mir, begeistert von Romanlectüre, oft eine derartige gewünscht, jetzt aber konnte ich sie für nichts mehr halten, als ein unnützes', romantisch prunkendes Schaustück. Becher zog feierlich die Klinge aus der Scheide, legte sie, die glänzend und fleckenlos, weder an Perce/s noch an Falstaff's Thaten mahnte, neben seinen Teller, und begann sodann kühnlich unter ihrem Schutz sein „Kälbernes" zu verspeisen und dazu einen „Pfiff Gulden" zu trinken. Liebende, bewundernde Blicke aber hingen an des Helden Stirn und Mund und freuten sich seines gesegneten Appetits. Ich erbat mir das prächtige Schwert zur Betrachtung, auf seinem Griff waren die Worte eingrcwirt: „Zum Andenken an die Tage 'des März in Wien." Sie haben diese Waffe wohl zum Geschenk erhalten? fragte ich. Ja, von der Abtheilung des demokratischen Vereins, mit welcher ich damals das rothe Thurmthor stürmte, entgegnete er möglichst wegwerfend. -- Ist Alles nit wahr! flüsterte mir Freund sah. ins Ohr.......Und jetzt? fragte ich unbeirrt weiter, haben Sie auch heute gefochten? M war am 6. October). Einigermaßen verlegen erwiederte er: Ja, 45*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/367>, abgerufen am 29.06.2024.