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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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auf die Pflege ihrer natürlichen Reichthümer zu verwenden, die noch gar nicht
ausgebeutet werden, -- es ist bekannt, daß sich sogar nach der Colonisation ein
weites Feld öffnet -- wollen die Ungarn eine eigne Industrie haben. Sie haben
in diesem Sinne bereits die Zollverhältnisse zu verwirren und auf alle Weise,
z. B. indem sie sich die ausschließliche Benutzung inländischer Fabrikate zur Eh¬
rensache machten, eine Industrie künstlich hervorzurufen gesucht. Die magyarische
Souveränetät würde die Grenzsperre vollenden und also unsrer Industrie schon
hier eine" Ausweg abschneiden. Wir würden es sehr schmerzlich empfinden, denn
wenn auch in der Regel unser Bedarf an Nahrungsmitteln durch die einheimische
Produktion gedeckt wird, so sind wir doch schwer im Stande, die Ausfälle von
dem Normalertrag zu bestreikn. Wir müssen daher für die innere Totalität
unsrer Oekonomie den landwirtschaftlichen Faktor verstärken durch enge Verbin¬
dung mit einem Produktenreichen Lande. Wird uns die Verbindung mit dem
Südosten unmöglich gemacht, so müssen wir andere Märkte suchen, wo wir nicht
mit unsrer Arbeit kaufen können.

Ungarn aber würde der englischen Industrie tributpflichtig werden. Diese
fruchtbaren, weiten Länderstrecken sind geeignet, für die Bodeucnltur alle Kraft
der verhältnißmäßig spärlichen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen. Wird diese
Kraft dnrch eine in jenen Verhältnissen unnatürliche Pflege der Industrie getheilt
und kommt die. beständige Unsicherheit der innern Zustände daz", so kann nach
beiden Seiten hin nichts Rechtes herauskommen, weder in der Industrie noch in
der Bodeueultur. Die Folge ist die Abhängigkeit von fremder Industrie ohne
großartigen Tauschhandel mit einheimischen Produkten, und also von dieser Seite
auch die Lähmung des Aufschwungs dieser Länder überhaupt. Statt eines reich¬
lichen, beiden Theilen natürlichen Verkehrs mit ihrem unmittelbaren Nachbar
würden diese Länder dieselben Waaren, die der Nachbar producirt von dem
. nordwestlichen Ende Europas auf einem Umwege über weite Meere erhalten.

Das Unnatürliche des englischen Handelsmonopols zeigt sich noch mehr in
Bezug auf Asien. Die wüsten anarchischen Zustände daselbst begünstigen einer¬
seits das englische Monopol, andrerseits siud sie ein Hinderniß für die Konsum¬
tion, sür die Kaufkraft der Asiaten. Daher kann Asten der immensen englischen
Produktion nicht einmal genügenden Absatz gewähren .und die Schätze seiner Na-
^ tur, nicht im vollen Maße heben. Die Kanskrast der Asiaten kann nur dnrch
geordnete Zustände und eine europäische Cultur gesteigert werden, also dnrch
europäische Oberherrschaft oder Evlouisation. Welche Unnatur, wenn diese riesen¬
hafte Kulturarbeit von dem fernen Jnselvolk allein durchgeführt werden soll, und
welche Zögerung, welcher Verlust sür die Civilisation, wenn dasselbe, um die Mit-
bewerber dieser Arbeit auszuschließen, dieselbe aufschiebt, die Barbarei unterhält
lind seine europäischen Rivalen selbst auf alle Weise zu schwächen sucht.

Edle Gemüther werden durch diese Betrachtung vielleicht zu einem sentimen-


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auf die Pflege ihrer natürlichen Reichthümer zu verwenden, die noch gar nicht
ausgebeutet werden, — es ist bekannt, daß sich sogar nach der Colonisation ein
weites Feld öffnet — wollen die Ungarn eine eigne Industrie haben. Sie haben
in diesem Sinne bereits die Zollverhältnisse zu verwirren und auf alle Weise,
z. B. indem sie sich die ausschließliche Benutzung inländischer Fabrikate zur Eh¬
rensache machten, eine Industrie künstlich hervorzurufen gesucht. Die magyarische
Souveränetät würde die Grenzsperre vollenden und also unsrer Industrie schon
hier eine» Ausweg abschneiden. Wir würden es sehr schmerzlich empfinden, denn
wenn auch in der Regel unser Bedarf an Nahrungsmitteln durch die einheimische
Produktion gedeckt wird, so sind wir doch schwer im Stande, die Ausfälle von
dem Normalertrag zu bestreikn. Wir müssen daher für die innere Totalität
unsrer Oekonomie den landwirtschaftlichen Faktor verstärken durch enge Verbin¬
dung mit einem Produktenreichen Lande. Wird uns die Verbindung mit dem
Südosten unmöglich gemacht, so müssen wir andere Märkte suchen, wo wir nicht
mit unsrer Arbeit kaufen können.

Ungarn aber würde der englischen Industrie tributpflichtig werden. Diese
fruchtbaren, weiten Länderstrecken sind geeignet, für die Bodeucnltur alle Kraft
der verhältnißmäßig spärlichen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen. Wird diese
Kraft dnrch eine in jenen Verhältnissen unnatürliche Pflege der Industrie getheilt
und kommt die. beständige Unsicherheit der innern Zustände daz», so kann nach
beiden Seiten hin nichts Rechtes herauskommen, weder in der Industrie noch in
der Bodeueultur. Die Folge ist die Abhängigkeit von fremder Industrie ohne
großartigen Tauschhandel mit einheimischen Produkten, und also von dieser Seite
auch die Lähmung des Aufschwungs dieser Länder überhaupt. Statt eines reich¬
lichen, beiden Theilen natürlichen Verkehrs mit ihrem unmittelbaren Nachbar
würden diese Länder dieselben Waaren, die der Nachbar producirt von dem
. nordwestlichen Ende Europas auf einem Umwege über weite Meere erhalten.

Das Unnatürliche des englischen Handelsmonopols zeigt sich noch mehr in
Bezug auf Asien. Die wüsten anarchischen Zustände daselbst begünstigen einer¬
seits das englische Monopol, andrerseits siud sie ein Hinderniß für die Konsum¬
tion, sür die Kaufkraft der Asiaten. Daher kann Asten der immensen englischen
Produktion nicht einmal genügenden Absatz gewähren .und die Schätze seiner Na-
^ tur, nicht im vollen Maße heben. Die Kanskrast der Asiaten kann nur dnrch
geordnete Zustände und eine europäische Cultur gesteigert werden, also dnrch
europäische Oberherrschaft oder Evlouisation. Welche Unnatur, wenn diese riesen¬
hafte Kulturarbeit von dem fernen Jnselvolk allein durchgeführt werden soll, und
welche Zögerung, welcher Verlust sür die Civilisation, wenn dasselbe, um die Mit-
bewerber dieser Arbeit auszuschließen, dieselbe aufschiebt, die Barbarei unterhält
lind seine europäischen Rivalen selbst auf alle Weise zu schwächen sucht.

Edle Gemüther werden durch diese Betrachtung vielleicht zu einem sentimen-


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[0357] auf die Pflege ihrer natürlichen Reichthümer zu verwenden, die noch gar nicht ausgebeutet werden, — es ist bekannt, daß sich sogar nach der Colonisation ein weites Feld öffnet — wollen die Ungarn eine eigne Industrie haben. Sie haben in diesem Sinne bereits die Zollverhältnisse zu verwirren und auf alle Weise, z. B. indem sie sich die ausschließliche Benutzung inländischer Fabrikate zur Eh¬ rensache machten, eine Industrie künstlich hervorzurufen gesucht. Die magyarische Souveränetät würde die Grenzsperre vollenden und also unsrer Industrie schon hier eine» Ausweg abschneiden. Wir würden es sehr schmerzlich empfinden, denn wenn auch in der Regel unser Bedarf an Nahrungsmitteln durch die einheimische Produktion gedeckt wird, so sind wir doch schwer im Stande, die Ausfälle von dem Normalertrag zu bestreikn. Wir müssen daher für die innere Totalität unsrer Oekonomie den landwirtschaftlichen Faktor verstärken durch enge Verbin¬ dung mit einem Produktenreichen Lande. Wird uns die Verbindung mit dem Südosten unmöglich gemacht, so müssen wir andere Märkte suchen, wo wir nicht mit unsrer Arbeit kaufen können. Ungarn aber würde der englischen Industrie tributpflichtig werden. Diese fruchtbaren, weiten Länderstrecken sind geeignet, für die Bodeucnltur alle Kraft der verhältnißmäßig spärlichen Bevölkerung in Anspruch zu nehmen. Wird diese Kraft dnrch eine in jenen Verhältnissen unnatürliche Pflege der Industrie getheilt und kommt die. beständige Unsicherheit der innern Zustände daz», so kann nach beiden Seiten hin nichts Rechtes herauskommen, weder in der Industrie noch in der Bodeueultur. Die Folge ist die Abhängigkeit von fremder Industrie ohne großartigen Tauschhandel mit einheimischen Produkten, und also von dieser Seite auch die Lähmung des Aufschwungs dieser Länder überhaupt. Statt eines reich¬ lichen, beiden Theilen natürlichen Verkehrs mit ihrem unmittelbaren Nachbar würden diese Länder dieselben Waaren, die der Nachbar producirt von dem . nordwestlichen Ende Europas auf einem Umwege über weite Meere erhalten. Das Unnatürliche des englischen Handelsmonopols zeigt sich noch mehr in Bezug auf Asien. Die wüsten anarchischen Zustände daselbst begünstigen einer¬ seits das englische Monopol, andrerseits siud sie ein Hinderniß für die Konsum¬ tion, sür die Kaufkraft der Asiaten. Daher kann Asten der immensen englischen Produktion nicht einmal genügenden Absatz gewähren .und die Schätze seiner Na- ^ tur, nicht im vollen Maße heben. Die Kanskrast der Asiaten kann nur dnrch geordnete Zustände und eine europäische Cultur gesteigert werden, also dnrch europäische Oberherrschaft oder Evlouisation. Welche Unnatur, wenn diese riesen¬ hafte Kulturarbeit von dem fernen Jnselvolk allein durchgeführt werden soll, und welche Zögerung, welcher Verlust sür die Civilisation, wenn dasselbe, um die Mit- bewerber dieser Arbeit auszuschließen, dieselbe aufschiebt, die Barbarei unterhält lind seine europäischen Rivalen selbst auf alle Weise zu schwächen sucht. Edle Gemüther werden durch diese Betrachtung vielleicht zu einem sentimen- Gr-Njboien. IV. t»4». 45

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/357>, abgerufen am 03.07.2024.