Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Hinterindien, China ". s. w. dagegen, welcher sich längs der Küste von Afrika
um das Kap der guten Hoffnung nach den indischen und chinesischen Gewässern
hinzieht, war vermöge der eben geschilderten Communicationsmittel längst engli¬
sches Monopol. Es handelt sich nun einmal darum, die beabsichtigte Straße über
die Landenge von Suez, Eisenbahn oder Kanal, welche den bisherigen Handels-
weg um zwei Dritttheile verkürzen würde, zu monopolisiren, weil dieselbe sonst
den andern Seestaaten die Möglichkeit eröffnet, den englischen Handel zu beein¬
trächtigen. Daraus erklärt sich zum Theil die englische Politik in den türkisch-
cgyptischeu Angelegenheiten. Dann mußte England das ohnmächtige Scheinleben
der Türkei stützen, die Verwirrung und Ohnmacht in Kleinasien unterhalten, um
den Verkehr der übrigen Völker mit Asien durch Syrien und über das rothe Meer
unmöglich zu machen. Denn eine kräftige asiatische Regierung wäre im Stande,
selbst England diesen Weg zu versperren, oder ihn andern Völkern ebenfalls zu
sichern. Die Folge der Anarchie Kleinasiens ist einerseits der Untergang der
Industrie und die Abhängigkeit voir englischen Fabrikate", andrerseits die Ver¬
nichtung des Zwischenhandels und damit die Befestigung theils des englischen,
theils des russischen Monopols für den asiatischen Handel.

Nach dieser Auseinandersetzung begreift sich die unermeßliche Bedeutung der
Donauländer für die europäische, vor Allem für die deutsche Zukunft. Es ist
klar, daß wenn hier eine dauerhafte Cultur und Staatsbildung entsteht, diese
durch ihre günstige Lage durchaus befähigt ist, über das schwarze Meer mit Asien
in directen Verkehr zu treten, der europäischen, resp, der deutschen Industrie,
einen bedeutenden Absatz zu verschaffen, vielleicht in Kleinasien selbst Fuß zu fassen
und den Strom von Erfrischung und Kraft, den die gewaltigen physischen Hilfs¬
quellen Asiens, einmal gehoben, über Europa auszugießen versprechen, direct
nach Deutschland zu leiten. Es ist klar, daß England, welches vermöge einer
erhabenen, aber abnormen Kraftentwickelung den europäischen Welthandel mono-
polisirt, dieser Wendung der Dinge nicht günstig sein kann. Im Interesse Eng¬
lands liegt die ewige Barbarei und politische Unfähigkeit der Donauländer. Darum
unterstützt es die ungarische Suprematie, weil es wohl weiß, daß diese die dort
bestehende Atomistik am wenigsten ausheben, sich überhaupt nie ernsthaft verwirk¬
lichen wird.

Barbaren sind leicht über ihre Interessen zu täuschen und dnrch Intriguen
in ewiger Ohnmacht zu halten, Barbaren sind träge und leicht abzuspeisen. Darauf
kennen die Engländer die Ungarn und wenn diese Barbaren eine der Zahl nach
weit überlegene Bevölkerung deSpvtisircn, welch' günstiger Spielraum der Intrigue,
ein solches Reich nie zur Entwickelung nach Außer kommen zulassen! Ein Slaven¬
reich könnte früher oder später dem russischen Einfluß sich öffnen, früher oder
später eine eigene Cultur erreichen. Eine deutsche Herrschaft mit der deutschen
Industrie und dem neuen politischen Aufschwung Deutschlands im Rücken wäre der


mit Hinterindien, China ». s. w. dagegen, welcher sich längs der Küste von Afrika
um das Kap der guten Hoffnung nach den indischen und chinesischen Gewässern
hinzieht, war vermöge der eben geschilderten Communicationsmittel längst engli¬
sches Monopol. Es handelt sich nun einmal darum, die beabsichtigte Straße über
die Landenge von Suez, Eisenbahn oder Kanal, welche den bisherigen Handels-
weg um zwei Dritttheile verkürzen würde, zu monopolisiren, weil dieselbe sonst
den andern Seestaaten die Möglichkeit eröffnet, den englischen Handel zu beein¬
trächtigen. Daraus erklärt sich zum Theil die englische Politik in den türkisch-
cgyptischeu Angelegenheiten. Dann mußte England das ohnmächtige Scheinleben
der Türkei stützen, die Verwirrung und Ohnmacht in Kleinasien unterhalten, um
den Verkehr der übrigen Völker mit Asien durch Syrien und über das rothe Meer
unmöglich zu machen. Denn eine kräftige asiatische Regierung wäre im Stande,
selbst England diesen Weg zu versperren, oder ihn andern Völkern ebenfalls zu
sichern. Die Folge der Anarchie Kleinasiens ist einerseits der Untergang der
Industrie und die Abhängigkeit voir englischen Fabrikate», andrerseits die Ver¬
nichtung des Zwischenhandels und damit die Befestigung theils des englischen,
theils des russischen Monopols für den asiatischen Handel.

Nach dieser Auseinandersetzung begreift sich die unermeßliche Bedeutung der
Donauländer für die europäische, vor Allem für die deutsche Zukunft. Es ist
klar, daß wenn hier eine dauerhafte Cultur und Staatsbildung entsteht, diese
durch ihre günstige Lage durchaus befähigt ist, über das schwarze Meer mit Asien
in directen Verkehr zu treten, der europäischen, resp, der deutschen Industrie,
einen bedeutenden Absatz zu verschaffen, vielleicht in Kleinasien selbst Fuß zu fassen
und den Strom von Erfrischung und Kraft, den die gewaltigen physischen Hilfs¬
quellen Asiens, einmal gehoben, über Europa auszugießen versprechen, direct
nach Deutschland zu leiten. Es ist klar, daß England, welches vermöge einer
erhabenen, aber abnormen Kraftentwickelung den europäischen Welthandel mono-
polisirt, dieser Wendung der Dinge nicht günstig sein kann. Im Interesse Eng¬
lands liegt die ewige Barbarei und politische Unfähigkeit der Donauländer. Darum
unterstützt es die ungarische Suprematie, weil es wohl weiß, daß diese die dort
bestehende Atomistik am wenigsten ausheben, sich überhaupt nie ernsthaft verwirk¬
lichen wird.

Barbaren sind leicht über ihre Interessen zu täuschen und dnrch Intriguen
in ewiger Ohnmacht zu halten, Barbaren sind träge und leicht abzuspeisen. Darauf
kennen die Engländer die Ungarn und wenn diese Barbaren eine der Zahl nach
weit überlegene Bevölkerung deSpvtisircn, welch' günstiger Spielraum der Intrigue,
ein solches Reich nie zur Entwickelung nach Außer kommen zulassen! Ein Slaven¬
reich könnte früher oder später dem russischen Einfluß sich öffnen, früher oder
später eine eigene Cultur erreichen. Eine deutsche Herrschaft mit der deutschen
Industrie und dem neuen politischen Aufschwung Deutschlands im Rücken wäre der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0354" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277110"/>
          <p xml:id="ID_1051" prev="#ID_1050"> mit Hinterindien, China ». s. w. dagegen, welcher sich längs der Küste von Afrika<lb/>
um das Kap der guten Hoffnung nach den indischen und chinesischen Gewässern<lb/>
hinzieht, war vermöge der eben geschilderten Communicationsmittel längst engli¬<lb/>
sches Monopol. Es handelt sich nun einmal darum, die beabsichtigte Straße über<lb/>
die Landenge von Suez, Eisenbahn oder Kanal, welche den bisherigen Handels-<lb/>
weg um zwei Dritttheile verkürzen würde, zu monopolisiren, weil dieselbe sonst<lb/>
den andern Seestaaten die Möglichkeit eröffnet, den englischen Handel zu beein¬<lb/>
trächtigen. Daraus erklärt sich zum Theil die englische Politik in den türkisch-<lb/>
cgyptischeu Angelegenheiten. Dann mußte England das ohnmächtige Scheinleben<lb/>
der Türkei stützen, die Verwirrung und Ohnmacht in Kleinasien unterhalten, um<lb/>
den Verkehr der übrigen Völker mit Asien durch Syrien und über das rothe Meer<lb/>
unmöglich zu machen. Denn eine kräftige asiatische Regierung wäre im Stande,<lb/>
selbst England diesen Weg zu versperren, oder ihn andern Völkern ebenfalls zu<lb/>
sichern. Die Folge der Anarchie Kleinasiens ist einerseits der Untergang der<lb/>
Industrie und die Abhängigkeit voir englischen Fabrikate», andrerseits die Ver¬<lb/>
nichtung des Zwischenhandels und damit die Befestigung theils des englischen,<lb/>
theils des russischen Monopols für den asiatischen Handel.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Nach dieser Auseinandersetzung begreift sich die unermeßliche Bedeutung der<lb/>
Donauländer für die europäische, vor Allem für die deutsche Zukunft. Es ist<lb/>
klar, daß wenn hier eine dauerhafte Cultur und Staatsbildung entsteht, diese<lb/>
durch ihre günstige Lage durchaus befähigt ist, über das schwarze Meer mit Asien<lb/>
in directen Verkehr zu treten, der europäischen, resp, der deutschen Industrie,<lb/>
einen bedeutenden Absatz zu verschaffen, vielleicht in Kleinasien selbst Fuß zu fassen<lb/>
und den Strom von Erfrischung und Kraft, den die gewaltigen physischen Hilfs¬<lb/>
quellen Asiens, einmal gehoben, über Europa auszugießen versprechen, direct<lb/>
nach Deutschland zu leiten. Es ist klar, daß England, welches vermöge einer<lb/>
erhabenen, aber abnormen Kraftentwickelung den europäischen Welthandel mono-<lb/>
polisirt, dieser Wendung der Dinge nicht günstig sein kann. Im Interesse Eng¬<lb/>
lands liegt die ewige Barbarei und politische Unfähigkeit der Donauländer. Darum<lb/>
unterstützt es die ungarische Suprematie, weil es wohl weiß, daß diese die dort<lb/>
bestehende Atomistik am wenigsten ausheben, sich überhaupt nie ernsthaft verwirk¬<lb/>
lichen wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Barbaren sind leicht über ihre Interessen zu täuschen und dnrch Intriguen<lb/>
in ewiger Ohnmacht zu halten, Barbaren sind träge und leicht abzuspeisen. Darauf<lb/>
kennen die Engländer die Ungarn und wenn diese Barbaren eine der Zahl nach<lb/>
weit überlegene Bevölkerung deSpvtisircn, welch' günstiger Spielraum der Intrigue,<lb/>
ein solches Reich nie zur Entwickelung nach Außer kommen zulassen! Ein Slaven¬<lb/>
reich könnte früher oder später dem russischen Einfluß sich öffnen, früher oder<lb/>
später eine eigene Cultur erreichen. Eine deutsche Herrschaft mit der deutschen<lb/>
Industrie und dem neuen politischen Aufschwung Deutschlands im Rücken wäre der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0354] mit Hinterindien, China ». s. w. dagegen, welcher sich längs der Küste von Afrika um das Kap der guten Hoffnung nach den indischen und chinesischen Gewässern hinzieht, war vermöge der eben geschilderten Communicationsmittel längst engli¬ sches Monopol. Es handelt sich nun einmal darum, die beabsichtigte Straße über die Landenge von Suez, Eisenbahn oder Kanal, welche den bisherigen Handels- weg um zwei Dritttheile verkürzen würde, zu monopolisiren, weil dieselbe sonst den andern Seestaaten die Möglichkeit eröffnet, den englischen Handel zu beein¬ trächtigen. Daraus erklärt sich zum Theil die englische Politik in den türkisch- cgyptischeu Angelegenheiten. Dann mußte England das ohnmächtige Scheinleben der Türkei stützen, die Verwirrung und Ohnmacht in Kleinasien unterhalten, um den Verkehr der übrigen Völker mit Asien durch Syrien und über das rothe Meer unmöglich zu machen. Denn eine kräftige asiatische Regierung wäre im Stande, selbst England diesen Weg zu versperren, oder ihn andern Völkern ebenfalls zu sichern. Die Folge der Anarchie Kleinasiens ist einerseits der Untergang der Industrie und die Abhängigkeit voir englischen Fabrikate», andrerseits die Ver¬ nichtung des Zwischenhandels und damit die Befestigung theils des englischen, theils des russischen Monopols für den asiatischen Handel. Nach dieser Auseinandersetzung begreift sich die unermeßliche Bedeutung der Donauländer für die europäische, vor Allem für die deutsche Zukunft. Es ist klar, daß wenn hier eine dauerhafte Cultur und Staatsbildung entsteht, diese durch ihre günstige Lage durchaus befähigt ist, über das schwarze Meer mit Asien in directen Verkehr zu treten, der europäischen, resp, der deutschen Industrie, einen bedeutenden Absatz zu verschaffen, vielleicht in Kleinasien selbst Fuß zu fassen und den Strom von Erfrischung und Kraft, den die gewaltigen physischen Hilfs¬ quellen Asiens, einmal gehoben, über Europa auszugießen versprechen, direct nach Deutschland zu leiten. Es ist klar, daß England, welches vermöge einer erhabenen, aber abnormen Kraftentwickelung den europäischen Welthandel mono- polisirt, dieser Wendung der Dinge nicht günstig sein kann. Im Interesse Eng¬ lands liegt die ewige Barbarei und politische Unfähigkeit der Donauländer. Darum unterstützt es die ungarische Suprematie, weil es wohl weiß, daß diese die dort bestehende Atomistik am wenigsten ausheben, sich überhaupt nie ernsthaft verwirk¬ lichen wird. Barbaren sind leicht über ihre Interessen zu täuschen und dnrch Intriguen in ewiger Ohnmacht zu halten, Barbaren sind träge und leicht abzuspeisen. Darauf kennen die Engländer die Ungarn und wenn diese Barbaren eine der Zahl nach weit überlegene Bevölkerung deSpvtisircn, welch' günstiger Spielraum der Intrigue, ein solches Reich nie zur Entwickelung nach Außer kommen zulassen! Ein Slaven¬ reich könnte früher oder später dem russischen Einfluß sich öffnen, früher oder später eine eigene Cultur erreichen. Eine deutsche Herrschaft mit der deutschen Industrie und dem neuen politischen Aufschwung Deutschlands im Rücken wäre der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/354
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/354>, abgerufen am 24.11.2024.