Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.form für eine ideale, sondern ohne Maske gegen die Gesellschaft für die Poesie In Deutschland wurde die Hoffnung auf die wiedergewonnene Festigkeit der Jetzt zeigte sich der zweite Fluch der Revolution. Sie schafft kein klares Die deutsche Nationalversammlung trat zusammen, berufen auf den Wunsch Es hieß, man habe sich über die Throne erhoben, d. h. man wollte die form für eine ideale, sondern ohne Maske gegen die Gesellschaft für die Poesie In Deutschland wurde die Hoffnung auf die wiedergewonnene Festigkeit der Jetzt zeigte sich der zweite Fluch der Revolution. Sie schafft kein klares Die deutsche Nationalversammlung trat zusammen, berufen auf den Wunsch Es hieß, man habe sich über die Throne erhoben, d. h. man wollte die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277102"/> <p xml:id="ID_1019" prev="#ID_1018"> form für eine ideale, sondern ohne Maske gegen die Gesellschaft für die Poesie<lb/> des Verbrechens, für die Verzweiflung der Noth. Vinnqueurs I«; »illitxe, vain^n«<lb/> l'innen6lo, schrieb die Pariser Jnniemeute aus ihre Fahne. Auch diese Romantik<lb/> unterlag. Frankreich bekam einen Dictator und Deutschland einen Reichsverweser.<lb/> In beiden Ländern war mit diesem Moment die Jnsurrection für den Augenblick<lb/> gelähmt. Er schloß in Dentschland den Hecker'schen Aufstand und die ihm con-<lb/> forme Bewegung der Gemüther ab, d. h. den ersten sich überstürzenden Enthu¬<lb/> siasmus der Revolution, so wie er in Frankreich die phantastisch idealen Elemente<lb/> der Februarrevolution vernichtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_1020"> In Deutschland wurde die Hoffnung auf die wiedergewonnene Festigkeit der<lb/> Zustände, deren Symbol man in dem Reichsverweser begrüßte, so enthusiastisch<lb/> ausgenommen, es trat eine so wohlthätige und verhältnißmäßig so lange Pause<lb/> der Ruhe ein, daß Kurzsichtige bereits eine voreilige Frende äußerten, wie man<lb/> doch im Ganzen so leichten Kaufes um eine welthistorische Krisis gekommen sei.<lb/> Unterdeß wucherte die böse Saat des Absolutismus üppig fort. Unter dem Schutz<lb/> der neuen Freiheit durfte man ungestört conspiriren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1021"> Jetzt zeigte sich der zweite Fluch der Revolution. Sie schafft kein klares<lb/> Rechtsverhältniß. Die bestehende» Gewalten beugen sich dem Sturm. Wenn er<lb/> nachgelassen, erheben sie die Häupter, um so viel als möglich zurückzufordern.<lb/> Also rottet sie mit der Wurzel aus! ruft der radikale Unverstand. Die Geschichte<lb/> sollte uns gelehrt haben, daß man durch das Beil eine Macht nicht ausrottet,<lb/> welche noch die Geister beherrscht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1022"> Die deutsche Nationalversammlung trat zusammen, berufen auf den Wunsch<lb/> des Volkes von den Fürsten. Mit dem Mandat der Revolution, d. h. mit abso^<lb/> inter Machtvollkommenheit, sagten die Radikalen. Die Regierungen schwiegen.<lb/> Das Gewicht der Nationalversammlung beruhte auf der ungetheilten Macht der<lb/> öffentlichen Meinung, als sie noch mit gewaltiger Kraft nach einem gewissen, aber<lb/> in seinen Einzelnheiten nirgend klar erkannten Ziele hindrängte. Jemehr man.<lb/> sich diesem Ziele näherte, je gespaltener wurde die öffentliche Meinung und je<lb/> zweifelhafter das Ansehen der Nationalversammlung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1023" next="#ID_1024"> Es hieß, man habe sich über die Throne erhoben, d. h. man wollte die<lb/> Throne ignoriren, und doch knüpfte sich an die Throne jede feste Organisation.<lb/> Diese Organisation hatte eine Erschütterung bekommen, aber als der erste Sturm<lb/> vorüber, zeigte sich, daß sie weit unversehrter geblieben, als man glaubte. Es<lb/> galt eine ausdauernde Arbeit, sie umzubilden, aufzulösen und mit dem neuen<lb/> Lebenswuchs zu verschmelzen. Der Radikalismus wollte sie einfach zerschlagen<lb/> und ein paar abstracte Grundformen, rohe, haltlose elementarische Gebilde an die<lb/> Stelle setzen. Die Nationalversammlung ging nicht den Weg, auf den die Linke<lb/> sie ziehen wollte, sie constituirte sich nicht als Revolutionstribunal, um die be¬<lb/> stehende Organisation Stück für Stück zu zertrümmern. Sie suchte das Lebens-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
form für eine ideale, sondern ohne Maske gegen die Gesellschaft für die Poesie
des Verbrechens, für die Verzweiflung der Noth. Vinnqueurs I«; »illitxe, vain^n«
l'innen6lo, schrieb die Pariser Jnniemeute aus ihre Fahne. Auch diese Romantik
unterlag. Frankreich bekam einen Dictator und Deutschland einen Reichsverweser.
In beiden Ländern war mit diesem Moment die Jnsurrection für den Augenblick
gelähmt. Er schloß in Dentschland den Hecker'schen Aufstand und die ihm con-
forme Bewegung der Gemüther ab, d. h. den ersten sich überstürzenden Enthu¬
siasmus der Revolution, so wie er in Frankreich die phantastisch idealen Elemente
der Februarrevolution vernichtete.
In Deutschland wurde die Hoffnung auf die wiedergewonnene Festigkeit der
Zustände, deren Symbol man in dem Reichsverweser begrüßte, so enthusiastisch
ausgenommen, es trat eine so wohlthätige und verhältnißmäßig so lange Pause
der Ruhe ein, daß Kurzsichtige bereits eine voreilige Frende äußerten, wie man
doch im Ganzen so leichten Kaufes um eine welthistorische Krisis gekommen sei.
Unterdeß wucherte die böse Saat des Absolutismus üppig fort. Unter dem Schutz
der neuen Freiheit durfte man ungestört conspiriren.
Jetzt zeigte sich der zweite Fluch der Revolution. Sie schafft kein klares
Rechtsverhältniß. Die bestehende» Gewalten beugen sich dem Sturm. Wenn er
nachgelassen, erheben sie die Häupter, um so viel als möglich zurückzufordern.
Also rottet sie mit der Wurzel aus! ruft der radikale Unverstand. Die Geschichte
sollte uns gelehrt haben, daß man durch das Beil eine Macht nicht ausrottet,
welche noch die Geister beherrscht.
Die deutsche Nationalversammlung trat zusammen, berufen auf den Wunsch
des Volkes von den Fürsten. Mit dem Mandat der Revolution, d. h. mit abso^
inter Machtvollkommenheit, sagten die Radikalen. Die Regierungen schwiegen.
Das Gewicht der Nationalversammlung beruhte auf der ungetheilten Macht der
öffentlichen Meinung, als sie noch mit gewaltiger Kraft nach einem gewissen, aber
in seinen Einzelnheiten nirgend klar erkannten Ziele hindrängte. Jemehr man.
sich diesem Ziele näherte, je gespaltener wurde die öffentliche Meinung und je
zweifelhafter das Ansehen der Nationalversammlung.
Es hieß, man habe sich über die Throne erhoben, d. h. man wollte die
Throne ignoriren, und doch knüpfte sich an die Throne jede feste Organisation.
Diese Organisation hatte eine Erschütterung bekommen, aber als der erste Sturm
vorüber, zeigte sich, daß sie weit unversehrter geblieben, als man glaubte. Es
galt eine ausdauernde Arbeit, sie umzubilden, aufzulösen und mit dem neuen
Lebenswuchs zu verschmelzen. Der Radikalismus wollte sie einfach zerschlagen
und ein paar abstracte Grundformen, rohe, haltlose elementarische Gebilde an die
Stelle setzen. Die Nationalversammlung ging nicht den Weg, auf den die Linke
sie ziehen wollte, sie constituirte sich nicht als Revolutionstribunal, um die be¬
stehende Organisation Stück für Stück zu zertrümmern. Sie suchte das Lebens-
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