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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Bengel Eure Seele dem harten Geschick -- nicht in weibischer Verzagung,
sondern in männlicher Ergebung. Nehmt in voller Seele die Schuld auf, deren
erste Fäden außer Euch wurzeln. Und nun hört ein Wort des Trustes.

Was habt Ihr verloren? -- Es ist Blut geflossen, mit einer Art türkischer
Gerechtigkeitspflege hat der Sieger, was ihm zweckmäßig schien, zu Recht ge¬
stempelt- Die Willkür, wenn auch einer an sich edlen und großartigen Natur,
tritt Eure Freiheit in den Staub. Der Säbel entschied über den Bürger; fremde
Soldaten Hausen in der deutschen Stadt, von Deutschland hat mau Euch für
immer getrennt -- die Kugel, welche Robert Blum's Herz durchbohrt, war das
Symbol dieser Trennung --- Eure Schrift, selbst Eure Rede ist aus'ö Neue
geknechtet, Eure Konstitution und Euer Reichstag welken einem frühen Tode
entgegen.

Ist dieser Verlust so groß, als er scheint? -- Bedenkt, daß er ein momen¬
taner ist. Das vergossene Blut ist ein schwerer Schmerz, aber er geht vorüber;
das Joch der eisernen Faust ist schwer, aber besser, als der Untergang der Gesell¬
schaft, der Euch bevorstand, auch wenn Ihr den besten Willen haltet; die Presse,
die ihr verloren, war des Lebens nicht werth; Eure Konstitution und Euer Reichs--
tag eine Unmöglichkeit, Eure staatliche Vereinigung mit Deutschland ein eitles
Wahnbild.

Wem verdankt die Reaction den Sieg? Dem Aberwitz der Zustände, gegen
die sie sich erhob und den berechtigten Sympathien der Volksstämme,
denen Unterdrückung drohte. Durch Aufbietung der nationalen Kräfte hatte
Jellachich und Windischgrätz die Revolution bezwungen. Diese Kräfte stehen ge¬
rüstet da, auch gegen die Tyrannei. Nicht die abstracte Freiheit ist das höchste
die sinnlose Willkür -- sondern der sittliche Inhalt derselben. Betrachtet die
vorübergehende Unfreiheit als Buße -- aber als fruchtbare Buße, als Ueber¬
gang zum Bessern.

Was werdet Ihr thun? Eine neue Revolution versuche,!? auf's Neue con-
spiriren? auf/s Neue von Spitzeln, Briefpolizei und ähnlicher Gespensterfurcht Euer
politisches Leben fristen? Oestreicher, die Zeit der Noth wird Euch zu Männern
reifen. Die Arbeit, die Ihr im Spiel abgemacht zu haben glaubtet, geht jetzt
erst an. Um einen freien Staat zu gründen, müßt Ihr erst Menschen haben, die
der Freiheit fähig sind.

Die Staatsinstitutionen, die von Grund aus geändert werden müssen, wenn,
der Staat und seine Bürger sein sollen, find: die Erziehung, die Grund- und
Bodenverhältnisse, die Gemeindeverfassung, das Rechtswesen , die Finanzen.

Auch ein militärischer Despot wird heute uicht mehr wagen , Euch die kor¬
porative Vertretung Eurer Interessen zu verweigern. Sei es als Reichstag, sei es
als Provinzialstände, überall habt Ihr Gelegenheit, an jenem Fundament zu
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Bengel Eure Seele dem harten Geschick — nicht in weibischer Verzagung,
sondern in männlicher Ergebung. Nehmt in voller Seele die Schuld auf, deren
erste Fäden außer Euch wurzeln. Und nun hört ein Wort des Trustes.

Was habt Ihr verloren? — Es ist Blut geflossen, mit einer Art türkischer
Gerechtigkeitspflege hat der Sieger, was ihm zweckmäßig schien, zu Recht ge¬
stempelt- Die Willkür, wenn auch einer an sich edlen und großartigen Natur,
tritt Eure Freiheit in den Staub. Der Säbel entschied über den Bürger; fremde
Soldaten Hausen in der deutschen Stadt, von Deutschland hat mau Euch für
immer getrennt — die Kugel, welche Robert Blum's Herz durchbohrt, war das
Symbol dieser Trennung --- Eure Schrift, selbst Eure Rede ist aus'ö Neue
geknechtet, Eure Konstitution und Euer Reichstag welken einem frühen Tode
entgegen.

Ist dieser Verlust so groß, als er scheint? — Bedenkt, daß er ein momen¬
taner ist. Das vergossene Blut ist ein schwerer Schmerz, aber er geht vorüber;
das Joch der eisernen Faust ist schwer, aber besser, als der Untergang der Gesell¬
schaft, der Euch bevorstand, auch wenn Ihr den besten Willen haltet; die Presse,
die ihr verloren, war des Lebens nicht werth; Eure Konstitution und Euer Reichs--
tag eine Unmöglichkeit, Eure staatliche Vereinigung mit Deutschland ein eitles
Wahnbild.

Wem verdankt die Reaction den Sieg? Dem Aberwitz der Zustände, gegen
die sie sich erhob und den berechtigten Sympathien der Volksstämme,
denen Unterdrückung drohte. Durch Aufbietung der nationalen Kräfte hatte
Jellachich und Windischgrätz die Revolution bezwungen. Diese Kräfte stehen ge¬
rüstet da, auch gegen die Tyrannei. Nicht die abstracte Freiheit ist das höchste
die sinnlose Willkür — sondern der sittliche Inhalt derselben. Betrachtet die
vorübergehende Unfreiheit als Buße — aber als fruchtbare Buße, als Ueber¬
gang zum Bessern.

Was werdet Ihr thun? Eine neue Revolution versuche,!? auf's Neue con-
spiriren? auf/s Neue von Spitzeln, Briefpolizei und ähnlicher Gespensterfurcht Euer
politisches Leben fristen? Oestreicher, die Zeit der Noth wird Euch zu Männern
reifen. Die Arbeit, die Ihr im Spiel abgemacht zu haben glaubtet, geht jetzt
erst an. Um einen freien Staat zu gründen, müßt Ihr erst Menschen haben, die
der Freiheit fähig sind.

Die Staatsinstitutionen, die von Grund aus geändert werden müssen, wenn,
der Staat und seine Bürger sein sollen, find: die Erziehung, die Grund- und
Bodenverhältnisse, die Gemeindeverfassung, das Rechtswesen , die Finanzen.

Auch ein militärischer Despot wird heute uicht mehr wagen , Euch die kor¬
porative Vertretung Eurer Interessen zu verweigern. Sei es als Reichstag, sei es
als Provinzialstände, überall habt Ihr Gelegenheit, an jenem Fundament zu
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[0343] Bengel Eure Seele dem harten Geschick — nicht in weibischer Verzagung, sondern in männlicher Ergebung. Nehmt in voller Seele die Schuld auf, deren erste Fäden außer Euch wurzeln. Und nun hört ein Wort des Trustes. Was habt Ihr verloren? — Es ist Blut geflossen, mit einer Art türkischer Gerechtigkeitspflege hat der Sieger, was ihm zweckmäßig schien, zu Recht ge¬ stempelt- Die Willkür, wenn auch einer an sich edlen und großartigen Natur, tritt Eure Freiheit in den Staub. Der Säbel entschied über den Bürger; fremde Soldaten Hausen in der deutschen Stadt, von Deutschland hat mau Euch für immer getrennt — die Kugel, welche Robert Blum's Herz durchbohrt, war das Symbol dieser Trennung --- Eure Schrift, selbst Eure Rede ist aus'ö Neue geknechtet, Eure Konstitution und Euer Reichstag welken einem frühen Tode entgegen. Ist dieser Verlust so groß, als er scheint? — Bedenkt, daß er ein momen¬ taner ist. Das vergossene Blut ist ein schwerer Schmerz, aber er geht vorüber; das Joch der eisernen Faust ist schwer, aber besser, als der Untergang der Gesell¬ schaft, der Euch bevorstand, auch wenn Ihr den besten Willen haltet; die Presse, die ihr verloren, war des Lebens nicht werth; Eure Konstitution und Euer Reichs-- tag eine Unmöglichkeit, Eure staatliche Vereinigung mit Deutschland ein eitles Wahnbild. Wem verdankt die Reaction den Sieg? Dem Aberwitz der Zustände, gegen die sie sich erhob und den berechtigten Sympathien der Volksstämme, denen Unterdrückung drohte. Durch Aufbietung der nationalen Kräfte hatte Jellachich und Windischgrätz die Revolution bezwungen. Diese Kräfte stehen ge¬ rüstet da, auch gegen die Tyrannei. Nicht die abstracte Freiheit ist das höchste die sinnlose Willkür — sondern der sittliche Inhalt derselben. Betrachtet die vorübergehende Unfreiheit als Buße — aber als fruchtbare Buße, als Ueber¬ gang zum Bessern. Was werdet Ihr thun? Eine neue Revolution versuche,!? auf's Neue con- spiriren? auf/s Neue von Spitzeln, Briefpolizei und ähnlicher Gespensterfurcht Euer politisches Leben fristen? Oestreicher, die Zeit der Noth wird Euch zu Männern reifen. Die Arbeit, die Ihr im Spiel abgemacht zu haben glaubtet, geht jetzt erst an. Um einen freien Staat zu gründen, müßt Ihr erst Menschen haben, die der Freiheit fähig sind. Die Staatsinstitutionen, die von Grund aus geändert werden müssen, wenn, der Staat und seine Bürger sein sollen, find: die Erziehung, die Grund- und Bodenverhältnisse, die Gemeindeverfassung, das Rechtswesen , die Finanzen. Auch ein militärischer Despot wird heute uicht mehr wagen , Euch die kor¬ porative Vertretung Eurer Interessen zu verweigern. Sei es als Reichstag, sei es als Provinzialstände, überall habt Ihr Gelegenheit, an jenem Fundament zu ''''''' 4Z.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/343>, abgerufen am 26.06.2024.