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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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sahen einer Kuriosität ähnlich; von dem wohlwollenden politischen Dilettantismus
ritterlicher Poeten, wie Anastastus Grün, gar nicht zu reden.

Es ist dabei der Umstand von Wichtigkeit, daß in allen diesen, um mich des
bestimmten Ausdrucks zu bedienen, föderalistischen Bewegungen -- Födera¬
lismus im Gegensatz zu Centralisation genommen -- die Deutschen überall durch
die Eigenthümlichkeit ihrer Lage auf die conservative Seite gedrängt waren. Sie
mußten sich als die herrschende Partei betrachten, und es konnte ihnen nicht ent¬
gehen, daß bei dem Zahlenverhältniß unter den Nationalitäten eine solche Hege¬
monie nur aus der künstlichen Centralisation des Gesammtstaats erklärlich sei. Es
brachte sie das in ein schlechtes Licht, und die Opposition der Magyaren, Czechen,
Italiener, Polen gegen die Tyrannei des östreichischen Gesammtstaats war noth¬
wendigerweise mit einem ungerechten Haß gegen das Deutschthum verbunden. Das
biedere, gutmüthige deutsch-östreichische Volk trägt keine Schuld an dieser Abnei¬
gung, wohl aber der Uebermuth, den die an den Glanz des Hofes und der Ari¬
stokratie gewöhnte, in ein beschränkt sinnliches Treiben verstrickte Residenz jenen
Nationen entgegensetzte, gegen welche sie unerschöpflich war in Erfindung lächer¬
licher Geschichten.

Die föderalistische Opposition war, trotz ihrer Schwäche, trotz ihrer aristo¬
kratischen Einseitigkeit und trotz der Romantik, .die sich in sie hineinmischte, die
einzige gesunde, denn sie stand auf dem Boden des Bestehenden und konnte, wenn
auch langsam, doch mit unmittelbarer Wirksamkeit an der Durchführung ihrer
Zwecke arbeiten. Die Deutschen dagegen gehörten, so weit sie nicht an den Zu¬
ständen Oestreichs überhaupt verzweifelten, der josephinischen Reformpartei
an, einer Richtung, die ihrer einseitigen Aufklärung wegen von früher her bei
den übrigen Nationen in üblem Andenken stand. Ehe ich auf diese übergehe, muß
ich noch einmal auf die eigenthümliche Färbung, welche der Föderalismus bei den
verschiedenen Nationalitäten annahm, aufmerksam machen.

Am einfachsten sah die Sache aus bei deu Italiener". Hier war die Nation
ziemlich einig; ihre Gegner standen ihr als barbarische Eroberer gegenüber und
die Regierung mochte für das materielle Wohl der Provinz soviel thun, als sie
wollte, das Ideelle behauptete doch immer sein siecht, und ohne irgend einen klaren
Blick über das, was endlich geschehen sollte, sah der Mailänder, der Venetianer,
auf seine Landsleute im Sude", auf deu Papst, auf das "Schwert Italiens,"
auf die republikanische" Franzosen wie auf seine Schutzengel hin, wenn sie ihn
nur von der Herrschaft der Tedeschi befreiten. Die Italiener haben seit den älte¬
sten Zeiten bei dem feinsten Verstand in dem Derail der Politik, für die großen
Ideen derselben keinen Sinn gehabt; sie waren entweder Intriguanten oder Schwind¬
ler. In der in ihrer Art großen Politik des Papstthums vereinigte sich beides,
und Macchiavelli enthält noch heute das Evangelium des italienischen Staats. Die
Italiener haben den Muth der Verschwörung, der Rebellion, der Tyrannei, anch


sahen einer Kuriosität ähnlich; von dem wohlwollenden politischen Dilettantismus
ritterlicher Poeten, wie Anastastus Grün, gar nicht zu reden.

Es ist dabei der Umstand von Wichtigkeit, daß in allen diesen, um mich des
bestimmten Ausdrucks zu bedienen, föderalistischen Bewegungen — Födera¬
lismus im Gegensatz zu Centralisation genommen — die Deutschen überall durch
die Eigenthümlichkeit ihrer Lage auf die conservative Seite gedrängt waren. Sie
mußten sich als die herrschende Partei betrachten, und es konnte ihnen nicht ent¬
gehen, daß bei dem Zahlenverhältniß unter den Nationalitäten eine solche Hege¬
monie nur aus der künstlichen Centralisation des Gesammtstaats erklärlich sei. Es
brachte sie das in ein schlechtes Licht, und die Opposition der Magyaren, Czechen,
Italiener, Polen gegen die Tyrannei des östreichischen Gesammtstaats war noth¬
wendigerweise mit einem ungerechten Haß gegen das Deutschthum verbunden. Das
biedere, gutmüthige deutsch-östreichische Volk trägt keine Schuld an dieser Abnei¬
gung, wohl aber der Uebermuth, den die an den Glanz des Hofes und der Ari¬
stokratie gewöhnte, in ein beschränkt sinnliches Treiben verstrickte Residenz jenen
Nationen entgegensetzte, gegen welche sie unerschöpflich war in Erfindung lächer¬
licher Geschichten.

Die föderalistische Opposition war, trotz ihrer Schwäche, trotz ihrer aristo¬
kratischen Einseitigkeit und trotz der Romantik, .die sich in sie hineinmischte, die
einzige gesunde, denn sie stand auf dem Boden des Bestehenden und konnte, wenn
auch langsam, doch mit unmittelbarer Wirksamkeit an der Durchführung ihrer
Zwecke arbeiten. Die Deutschen dagegen gehörten, so weit sie nicht an den Zu¬
ständen Oestreichs überhaupt verzweifelten, der josephinischen Reformpartei
an, einer Richtung, die ihrer einseitigen Aufklärung wegen von früher her bei
den übrigen Nationen in üblem Andenken stand. Ehe ich auf diese übergehe, muß
ich noch einmal auf die eigenthümliche Färbung, welche der Föderalismus bei den
verschiedenen Nationalitäten annahm, aufmerksam machen.

Am einfachsten sah die Sache aus bei deu Italiener». Hier war die Nation
ziemlich einig; ihre Gegner standen ihr als barbarische Eroberer gegenüber und
die Regierung mochte für das materielle Wohl der Provinz soviel thun, als sie
wollte, das Ideelle behauptete doch immer sein siecht, und ohne irgend einen klaren
Blick über das, was endlich geschehen sollte, sah der Mailänder, der Venetianer,
auf seine Landsleute im Sude», auf deu Papst, auf das „Schwert Italiens,"
auf die republikanische» Franzosen wie auf seine Schutzengel hin, wenn sie ihn
nur von der Herrschaft der Tedeschi befreiten. Die Italiener haben seit den älte¬
sten Zeiten bei dem feinsten Verstand in dem Derail der Politik, für die großen
Ideen derselben keinen Sinn gehabt; sie waren entweder Intriguanten oder Schwind¬
ler. In der in ihrer Art großen Politik des Papstthums vereinigte sich beides,
und Macchiavelli enthält noch heute das Evangelium des italienischen Staats. Die
Italiener haben den Muth der Verschwörung, der Rebellion, der Tyrannei, anch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/335>, abgerufen am 25.12.2024.