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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Da haben Sie im kleinsten Rahmen das Bild der beiden unversöhnlichen
Parteien. Und es ist doch so leicht, eine Vermittlung, für dieselben zu Stande
zu bringen, sobald man nur die particulären Interessen des Ich's zur Seite setzen
und das Wohl des großen Ganzen ins Auge fassen will. Ich will Ihnen kurz
andeuten, in welcher Weise dies geschehen kann. Unsere Zeit verlangt es, daß
unsere industrielle und mercantile Politik das Princip des Freihandels, des un¬
eingeschränktesten internationalen Verkehrs an der Stirn trage. Es muß daher
eine neue Gesetzgebung davon ausgehen, daß im Allgemeinen Schutzzölle,
d. h. solche Zölle, welche durch hohen Tarif aufhören bloße Finanzquelle zu
sein, sondern die Concurrenz des Auslandes verhindern sollen, unstatthaft sind.
Allein da es Thatsache ist, daß verschiedene Gewerbszweige in Deutschland noch
eines mäßigen Schutzes bedürfen, so wird eine Ausnahme zu deren Gunsten,
aber nur in beschränkter Weise und auf bestimmte Dauer, nothwendig. Es ist
namentlich dabei das Eisengewerbe ins Ange zu fassen. Es kann der Staat, so
wie er jetzt organisirt ist, aber einen vollkommen freien Handel ans dem Grunde
nicht gestatten, weil er nicht eher die Einnahme der Zölle entbehren kann, als
bis er ein zweckmäßiges Aequivalent für dieselben aufgefunden hat. Daher wird
und muß er von nun an weder das System unbedingten Schutzes noch völligen
Freihandels befolgen, sondern hübsch in der Mitte bleiben und das der Finanz¬
zölle, welches gleich ist einer mäßigen Besteuerung der Production, als das einzig
richtige und ersprießliche wählen. Ich glaube auch, daß die Mehrzahl der Frank¬
furter Congresse sich in diesem Sinne aussprechen wird -- aber es wird noch
viel Worte und Tinte, noch gar manchen ergötzlichen Kampf kosten.




Parteistimme aus Botzen.



Erlauben Sie mir Ihnen die Ansichten mitzutheilen, welche man bei uns in Ti¬
rol über dessen künftige Stellung zu Deutschland und Oestreich hegt. Wir sind zwar
nur eine Provinz, ja die Deutschtiroler, von denen ich spreche, kaum eine halbe, denn
Vorarlberg und Wälschtirol sagen sich von ihnen entschieden los, doch eben dies Länd¬
chen mit blos 400MW Bewohnern versinnlicht bei einem geringen Umfang noch mehr
das Unheil der Zersplitterung, falls man darin dem Volk seinen vollen Willen läßt.

Ueber unsere unbedingte Vereinigung mit Deutschland, die durch die tztz, 2 und A
des Entwurfs der deutschen Reichsverfassung ausgesprochen ist, drückte der Viccpräsident des
gegenwärtigen tiroler Landtags or. Schuler, als Berichterstatter des Ausschusses
für allgemeine Landesauzelegeuheiten dessen Mißbilligung dahin aus. daß hiedurch "die
Frage über die Stellung der dcutschostrcichischen Provinzen zu Deutschland auf die


Da haben Sie im kleinsten Rahmen das Bild der beiden unversöhnlichen
Parteien. Und es ist doch so leicht, eine Vermittlung, für dieselben zu Stande
zu bringen, sobald man nur die particulären Interessen des Ich's zur Seite setzen
und das Wohl des großen Ganzen ins Auge fassen will. Ich will Ihnen kurz
andeuten, in welcher Weise dies geschehen kann. Unsere Zeit verlangt es, daß
unsere industrielle und mercantile Politik das Princip des Freihandels, des un¬
eingeschränktesten internationalen Verkehrs an der Stirn trage. Es muß daher
eine neue Gesetzgebung davon ausgehen, daß im Allgemeinen Schutzzölle,
d. h. solche Zölle, welche durch hohen Tarif aufhören bloße Finanzquelle zu
sein, sondern die Concurrenz des Auslandes verhindern sollen, unstatthaft sind.
Allein da es Thatsache ist, daß verschiedene Gewerbszweige in Deutschland noch
eines mäßigen Schutzes bedürfen, so wird eine Ausnahme zu deren Gunsten,
aber nur in beschränkter Weise und auf bestimmte Dauer, nothwendig. Es ist
namentlich dabei das Eisengewerbe ins Ange zu fassen. Es kann der Staat, so
wie er jetzt organisirt ist, aber einen vollkommen freien Handel ans dem Grunde
nicht gestatten, weil er nicht eher die Einnahme der Zölle entbehren kann, als
bis er ein zweckmäßiges Aequivalent für dieselben aufgefunden hat. Daher wird
und muß er von nun an weder das System unbedingten Schutzes noch völligen
Freihandels befolgen, sondern hübsch in der Mitte bleiben und das der Finanz¬
zölle, welches gleich ist einer mäßigen Besteuerung der Production, als das einzig
richtige und ersprießliche wählen. Ich glaube auch, daß die Mehrzahl der Frank¬
furter Congresse sich in diesem Sinne aussprechen wird — aber es wird noch
viel Worte und Tinte, noch gar manchen ergötzlichen Kampf kosten.




Parteistimme aus Botzen.



Erlauben Sie mir Ihnen die Ansichten mitzutheilen, welche man bei uns in Ti¬
rol über dessen künftige Stellung zu Deutschland und Oestreich hegt. Wir sind zwar
nur eine Provinz, ja die Deutschtiroler, von denen ich spreche, kaum eine halbe, denn
Vorarlberg und Wälschtirol sagen sich von ihnen entschieden los, doch eben dies Länd¬
chen mit blos 400MW Bewohnern versinnlicht bei einem geringen Umfang noch mehr
das Unheil der Zersplitterung, falls man darin dem Volk seinen vollen Willen läßt.

Ueber unsere unbedingte Vereinigung mit Deutschland, die durch die tztz, 2 und A
des Entwurfs der deutschen Reichsverfassung ausgesprochen ist, drückte der Viccpräsident des
gegenwärtigen tiroler Landtags or. Schuler, als Berichterstatter des Ausschusses
für allgemeine Landesauzelegeuheiten dessen Mißbilligung dahin aus. daß hiedurch „die
Frage über die Stellung der dcutschostrcichischen Provinzen zu Deutschland auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/330>, abgerufen am 26.06.2024.