Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ist, daß der russische Generalconsul eigentlich als der Regent der Moldau und
Walachei erscheint. Bei der bekannten ausgezeichneten Qualification der russi¬
schen Diplomaten haben die Bevollmächtigten dieser Macht allerdings Gelegen¬
heit, dort viel Gutes zu thun, was auch der Neid der andern sich zurückgesetzt
glaubenden Consuln dagegen sagen mag. Allein auch Wohlthaten will man sich
nicht aufdringen lassen, und jeder Vaterlandsfreund unter den Romunen wünscht
Befreiung von dem russischen Einfluß.

Dies war der Zweck der Erhebung der Moldau - Walachen im Frühjahr
1848, nachdem die Pariser Februarrevolution bekannt geworden war. Der Zeit¬
punct erschien günstig genug, um deu vorhandenen Mitteln hinreichendes Ge^
wicht zu geben.

Man erwartete nämlich seit dem in den letzten Jahren allgemein gewordenen
Geschrei der Franzosen nach dem Rheinufer den sofortigen Ausbruch eines euro¬
päischen Krieges, in den Rußland verwickelt sein würde, wobei die Polen eine
bedeutende Rolle spielen sollten, deren Ennssaire den Moldau - Walachen die
schönsten Versprechungen machten, und man hoffte, die Pforte würde sich zum
Kriege gegen Rußland bestimmen lassen. Diese Hoffnung mochte dadurch genährt
werden, daß der Gesandte der Pforte in London, jetzt in Paris, Callimachi von
den Phanariotenfürsten dieser Länder herstammt, und seine Gemahlin, eine reiche
Kautotuzen aus Jassy, stammte ebenfalls von Fürsten der Moldau und von frühern
Kaisern ab. Wäre" diese Voraussetzungen eingetreten, so konnten allerdings die
Mittel der Moldau-Walachen in Verbindung mit ihrem Oberherrn, dem Sultan,
ausreichen, sich dem russischen Einflüsse zu entziehen.

Die meisten Häupter dieser Bewegung waren entweder in Frankreich oder
unter dem Einflüsse französischer Lehrer erzogen und die französischen Consuln
in den Donaufürstenthümern konnten keine andere als gleiche Sympathien haben ;
die englischen Consuln aber, obwohl sie zu rechtliche Leute sind, um bei den Mo!--
dau-Walachen trügliche Hoffnungen zu nähren, waren jedenfalls fern von allen
Sympathien für Rußland. Aber auch die in Deutschland erzogenen Häupter des
Ausstanves fanden in dem jetzt in diesem Lande entstandenen Aufschwung Veran¬
lassung, den gegenwärtigen Augenblick für günstig zur Schilderhebung zu halten.
Deutschland mußte nämlich alles Mögliche thun, um die Donaumnndung in den
Händen jedes andern Volkes als in denen der Russen zu sehen. Man setzte vor¬
aus, Deutschland werde die Türken gegen die Russen unterstützen,'wie Friedrich
Wilhelm it. schon 1790 thun wollte, als er sich mit den Polen verband, welche
in Rußland einfallen sollten, während er Oestreich angriff, welche beide damals
der Pforte hart zusetzten. Doch die Polen zogen das russische Geld vor, schlu¬
gen nicht los und Preußen sah sich zu der Convention von Reichenbach genöthigt,
worüber man den Polen Ogynski selbst lesen muß. Jetzt dachten sich die Mol¬
dau-Walachen ein einiges Deutschland, ohne Rivalität zwischen Preußen und


ist, daß der russische Generalconsul eigentlich als der Regent der Moldau und
Walachei erscheint. Bei der bekannten ausgezeichneten Qualification der russi¬
schen Diplomaten haben die Bevollmächtigten dieser Macht allerdings Gelegen¬
heit, dort viel Gutes zu thun, was auch der Neid der andern sich zurückgesetzt
glaubenden Consuln dagegen sagen mag. Allein auch Wohlthaten will man sich
nicht aufdringen lassen, und jeder Vaterlandsfreund unter den Romunen wünscht
Befreiung von dem russischen Einfluß.

Dies war der Zweck der Erhebung der Moldau - Walachen im Frühjahr
1848, nachdem die Pariser Februarrevolution bekannt geworden war. Der Zeit¬
punct erschien günstig genug, um deu vorhandenen Mitteln hinreichendes Ge^
wicht zu geben.

Man erwartete nämlich seit dem in den letzten Jahren allgemein gewordenen
Geschrei der Franzosen nach dem Rheinufer den sofortigen Ausbruch eines euro¬
päischen Krieges, in den Rußland verwickelt sein würde, wobei die Polen eine
bedeutende Rolle spielen sollten, deren Ennssaire den Moldau - Walachen die
schönsten Versprechungen machten, und man hoffte, die Pforte würde sich zum
Kriege gegen Rußland bestimmen lassen. Diese Hoffnung mochte dadurch genährt
werden, daß der Gesandte der Pforte in London, jetzt in Paris, Callimachi von
den Phanariotenfürsten dieser Länder herstammt, und seine Gemahlin, eine reiche
Kautotuzen aus Jassy, stammte ebenfalls von Fürsten der Moldau und von frühern
Kaisern ab. Wäre» diese Voraussetzungen eingetreten, so konnten allerdings die
Mittel der Moldau-Walachen in Verbindung mit ihrem Oberherrn, dem Sultan,
ausreichen, sich dem russischen Einflüsse zu entziehen.

Die meisten Häupter dieser Bewegung waren entweder in Frankreich oder
unter dem Einflüsse französischer Lehrer erzogen und die französischen Consuln
in den Donaufürstenthümern konnten keine andere als gleiche Sympathien haben ;
die englischen Consuln aber, obwohl sie zu rechtliche Leute sind, um bei den Mo!--
dau-Walachen trügliche Hoffnungen zu nähren, waren jedenfalls fern von allen
Sympathien für Rußland. Aber auch die in Deutschland erzogenen Häupter des
Ausstanves fanden in dem jetzt in diesem Lande entstandenen Aufschwung Veran¬
lassung, den gegenwärtigen Augenblick für günstig zur Schilderhebung zu halten.
Deutschland mußte nämlich alles Mögliche thun, um die Donaumnndung in den
Händen jedes andern Volkes als in denen der Russen zu sehen. Man setzte vor¬
aus, Deutschland werde die Türken gegen die Russen unterstützen,'wie Friedrich
Wilhelm it. schon 1790 thun wollte, als er sich mit den Polen verband, welche
in Rußland einfallen sollten, während er Oestreich angriff, welche beide damals
der Pforte hart zusetzten. Doch die Polen zogen das russische Geld vor, schlu¬
gen nicht los und Preußen sah sich zu der Convention von Reichenbach genöthigt,
worüber man den Polen Ogynski selbst lesen muß. Jetzt dachten sich die Mol¬
dau-Walachen ein einiges Deutschland, ohne Rivalität zwischen Preußen und


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277080"/>
          <p xml:id="ID_943" prev="#ID_942"> ist, daß der russische Generalconsul eigentlich als der Regent der Moldau und<lb/>
Walachei erscheint. Bei der bekannten ausgezeichneten Qualification der russi¬<lb/>
schen Diplomaten haben die Bevollmächtigten dieser Macht allerdings Gelegen¬<lb/>
heit, dort viel Gutes zu thun, was auch der Neid der andern sich zurückgesetzt<lb/>
glaubenden Consuln dagegen sagen mag. Allein auch Wohlthaten will man sich<lb/>
nicht aufdringen lassen, und jeder Vaterlandsfreund unter den Romunen wünscht<lb/>
Befreiung von dem russischen Einfluß.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_944"> Dies war der Zweck der Erhebung der Moldau - Walachen im Frühjahr<lb/>
1848, nachdem die Pariser Februarrevolution bekannt geworden war. Der Zeit¬<lb/>
punct erschien günstig genug, um deu vorhandenen Mitteln hinreichendes Ge^<lb/>
wicht zu geben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_945"> Man erwartete nämlich seit dem in den letzten Jahren allgemein gewordenen<lb/>
Geschrei der Franzosen nach dem Rheinufer den sofortigen Ausbruch eines euro¬<lb/>
päischen Krieges, in den Rußland verwickelt sein würde, wobei die Polen eine<lb/>
bedeutende Rolle spielen sollten, deren Ennssaire den Moldau - Walachen die<lb/>
schönsten Versprechungen machten, und man hoffte, die Pforte würde sich zum<lb/>
Kriege gegen Rußland bestimmen lassen. Diese Hoffnung mochte dadurch genährt<lb/>
werden, daß der Gesandte der Pforte in London, jetzt in Paris, Callimachi von<lb/>
den Phanariotenfürsten dieser Länder herstammt, und seine Gemahlin, eine reiche<lb/>
Kautotuzen aus Jassy, stammte ebenfalls von Fürsten der Moldau und von frühern<lb/>
Kaisern ab. Wäre» diese Voraussetzungen eingetreten, so konnten allerdings die<lb/>
Mittel der Moldau-Walachen in Verbindung mit ihrem Oberherrn, dem Sultan,<lb/>
ausreichen, sich dem russischen Einflüsse zu entziehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_946" next="#ID_947"> Die meisten Häupter dieser Bewegung waren entweder in Frankreich oder<lb/>
unter dem Einflüsse französischer Lehrer erzogen und die französischen Consuln<lb/>
in den Donaufürstenthümern konnten keine andere als gleiche Sympathien haben ;<lb/>
die englischen Consuln aber, obwohl sie zu rechtliche Leute sind, um bei den Mo!--<lb/>
dau-Walachen trügliche Hoffnungen zu nähren, waren jedenfalls fern von allen<lb/>
Sympathien für Rußland. Aber auch die in Deutschland erzogenen Häupter des<lb/>
Ausstanves fanden in dem jetzt in diesem Lande entstandenen Aufschwung Veran¬<lb/>
lassung, den gegenwärtigen Augenblick für günstig zur Schilderhebung zu halten.<lb/>
Deutschland mußte nämlich alles Mögliche thun, um die Donaumnndung in den<lb/>
Händen jedes andern Volkes als in denen der Russen zu sehen. Man setzte vor¬<lb/>
aus, Deutschland werde die Türken gegen die Russen unterstützen,'wie Friedrich<lb/>
Wilhelm it. schon 1790 thun wollte, als er sich mit den Polen verband, welche<lb/>
in Rußland einfallen sollten, während er Oestreich angriff, welche beide damals<lb/>
der Pforte hart zusetzten. Doch die Polen zogen das russische Geld vor, schlu¬<lb/>
gen nicht los und Preußen sah sich zu der Convention von Reichenbach genöthigt,<lb/>
worüber man den Polen Ogynski selbst lesen muß. Jetzt dachten sich die Mol¬<lb/>
dau-Walachen ein einiges Deutschland, ohne Rivalität zwischen Preußen und</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0324] ist, daß der russische Generalconsul eigentlich als der Regent der Moldau und Walachei erscheint. Bei der bekannten ausgezeichneten Qualification der russi¬ schen Diplomaten haben die Bevollmächtigten dieser Macht allerdings Gelegen¬ heit, dort viel Gutes zu thun, was auch der Neid der andern sich zurückgesetzt glaubenden Consuln dagegen sagen mag. Allein auch Wohlthaten will man sich nicht aufdringen lassen, und jeder Vaterlandsfreund unter den Romunen wünscht Befreiung von dem russischen Einfluß. Dies war der Zweck der Erhebung der Moldau - Walachen im Frühjahr 1848, nachdem die Pariser Februarrevolution bekannt geworden war. Der Zeit¬ punct erschien günstig genug, um deu vorhandenen Mitteln hinreichendes Ge^ wicht zu geben. Man erwartete nämlich seit dem in den letzten Jahren allgemein gewordenen Geschrei der Franzosen nach dem Rheinufer den sofortigen Ausbruch eines euro¬ päischen Krieges, in den Rußland verwickelt sein würde, wobei die Polen eine bedeutende Rolle spielen sollten, deren Ennssaire den Moldau - Walachen die schönsten Versprechungen machten, und man hoffte, die Pforte würde sich zum Kriege gegen Rußland bestimmen lassen. Diese Hoffnung mochte dadurch genährt werden, daß der Gesandte der Pforte in London, jetzt in Paris, Callimachi von den Phanariotenfürsten dieser Länder herstammt, und seine Gemahlin, eine reiche Kautotuzen aus Jassy, stammte ebenfalls von Fürsten der Moldau und von frühern Kaisern ab. Wäre» diese Voraussetzungen eingetreten, so konnten allerdings die Mittel der Moldau-Walachen in Verbindung mit ihrem Oberherrn, dem Sultan, ausreichen, sich dem russischen Einflüsse zu entziehen. Die meisten Häupter dieser Bewegung waren entweder in Frankreich oder unter dem Einflüsse französischer Lehrer erzogen und die französischen Consuln in den Donaufürstenthümern konnten keine andere als gleiche Sympathien haben ; die englischen Consuln aber, obwohl sie zu rechtliche Leute sind, um bei den Mo!-- dau-Walachen trügliche Hoffnungen zu nähren, waren jedenfalls fern von allen Sympathien für Rußland. Aber auch die in Deutschland erzogenen Häupter des Ausstanves fanden in dem jetzt in diesem Lande entstandenen Aufschwung Veran¬ lassung, den gegenwärtigen Augenblick für günstig zur Schilderhebung zu halten. Deutschland mußte nämlich alles Mögliche thun, um die Donaumnndung in den Händen jedes andern Volkes als in denen der Russen zu sehen. Man setzte vor¬ aus, Deutschland werde die Türken gegen die Russen unterstützen,'wie Friedrich Wilhelm it. schon 1790 thun wollte, als er sich mit den Polen verband, welche in Rußland einfallen sollten, während er Oestreich angriff, welche beide damals der Pforte hart zusetzten. Doch die Polen zogen das russische Geld vor, schlu¬ gen nicht los und Preußen sah sich zu der Convention von Reichenbach genöthigt, worüber man den Polen Ogynski selbst lesen muß. Jetzt dachten sich die Mol¬ dau-Walachen ein einiges Deutschland, ohne Rivalität zwischen Preußen und

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/324
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/324>, abgerufen am 26.06.2024.