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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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ist überall derselbe, und wenn es Euch überrascht hat, daß Euere Sitten und
Manieren so ant zu Eurer neuen Umgebung paßten, so laßt mich bewundernd
sagen, daß Ihr selbst Euch Euren Mitdepntirten gegenüber durch eine gewisse
Eigenthümlichkeit der Haltung und des Benehmens, die man Anstand zu nennen
pflegt, ausgezeichnet habt. Wart Ihr auch sehr demokratisch beim Abstimmen und
wenn Ihr Euren selbstgemästeten Speck fröhlich zum Morgenbrot schmiedet, in
Euren Manieren wart Ihr doch etwas zu aristokratisch für diese Versammlung.

Ihr habt in der Regel mit der Linken gestimmt. Ich weiß, es war wegen
des Raff- und Leseholzes, das sie Euch versprochen hatte. Nur manchmal habt
Jhrs versehen, Ihr kleiner Flattergeist, oder nein, Ihr wart zu gutmüthig der
andern Partei Unrecht zu geben und heimatet deshalb zuerst für die eine Parder
und dann für die andere. Aber auch hierbei hattet Ihr verwünschte Launen, Mi¬
chel Mroß, und manche schwere Stunde habe ich gehabt, ehe ich dahinter kam,
weshalb Ihr Eure Tactik so oft geändert habt. Einmal ward Ihr regulär links,
ein andermal wieder heimatet Ihr für alle Amendements und außerdem für das
Commissionsgntachten: das war, wenn Ihr die lustige Laune knetet und endlich
wenn einmal die Majorität nicht zu übersehe" war und der Präsident seine Un¬
gewißheit anzeigte, so standet Ihr mit etwa zwanzig Andern wohlwollend auf,
um den würdigen Manu aus seiner Verlegenheit zu reißen. Manchmal freilich
verschlieft ihr die ganze Abstimmung. Das Alles habe ich Euch richtig voraus¬
gesagt, nnr in einem Umstand habe ich mich geirrt: Ihr ward noch lange nicht
der größte Dummkopf unter deu Berliner Deputirten.

Und noch Etwas habe ich falsch vermuthet. Ihr habt für die Polen in Po¬
sen gestimmt. Durch Eure Stimme, Michel Mroß, wurde die Trennung des
deutschen und polnischen Theils von Posen verhindert, ganz Posen von'Deutsch¬
land ausgeschlossen, die Berliner Constituante mit der Frankfurter entzweit, in
Posen ein Bürgerkrieg vorbereitet. Es war das berüchtigte Amendement Phil-
lips, welches durch eine Stimme Majorität zum Beschluß erhoben wurde; die
Stimmen wäre" bei der Abstimmung gleich dafür und dagegen, da standet Ihr
auf, Michel, für das Amendement standet Ihr auf und brachtet es dadurch zum
Siege. Ja grinst nur Michel, Ihr habt die Sache entschiede", Deutschland habt
Ihr um eine halbe Million Mensche" kleiner gemacht, 500,000 Deutsche in Pose"
habt Ihr den Pole", nein, den Russen geopfert, Millionen von angelegten Capi
kaum habt Ihr vernichtet, habt einen Bruch mit Frankfurt veranlaßt, dem in
kürzester Zeit ein Conflikt mit Rußland folgen mußte; das Alles habt Ihr, der
Eine bewirkt. Und wodurch, d"res Schweige" und Aufstehe". Wunderbarer,
seltsamer Mann! so einfältig und doch so wichtig! -- da sieht man wie Weltge¬
schichte gemacht wird! -- Wir haben eine hübsche Fabel von einer kleinen Maus,
welche einen großen Löwe" rettet, sie paßt hier uicht, den" hio stammt aus der
Zeit, wo man Könige noch für Löwe" und die Michel Mroße für Mäuse hielt;


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ist überall derselbe, und wenn es Euch überrascht hat, daß Euere Sitten und
Manieren so ant zu Eurer neuen Umgebung paßten, so laßt mich bewundernd
sagen, daß Ihr selbst Euch Euren Mitdepntirten gegenüber durch eine gewisse
Eigenthümlichkeit der Haltung und des Benehmens, die man Anstand zu nennen
pflegt, ausgezeichnet habt. Wart Ihr auch sehr demokratisch beim Abstimmen und
wenn Ihr Euren selbstgemästeten Speck fröhlich zum Morgenbrot schmiedet, in
Euren Manieren wart Ihr doch etwas zu aristokratisch für diese Versammlung.

Ihr habt in der Regel mit der Linken gestimmt. Ich weiß, es war wegen
des Raff- und Leseholzes, das sie Euch versprochen hatte. Nur manchmal habt
Jhrs versehen, Ihr kleiner Flattergeist, oder nein, Ihr wart zu gutmüthig der
andern Partei Unrecht zu geben und heimatet deshalb zuerst für die eine Parder
und dann für die andere. Aber auch hierbei hattet Ihr verwünschte Launen, Mi¬
chel Mroß, und manche schwere Stunde habe ich gehabt, ehe ich dahinter kam,
weshalb Ihr Eure Tactik so oft geändert habt. Einmal ward Ihr regulär links,
ein andermal wieder heimatet Ihr für alle Amendements und außerdem für das
Commissionsgntachten: das war, wenn Ihr die lustige Laune knetet und endlich
wenn einmal die Majorität nicht zu übersehe» war und der Präsident seine Un¬
gewißheit anzeigte, so standet Ihr mit etwa zwanzig Andern wohlwollend auf,
um den würdigen Manu aus seiner Verlegenheit zu reißen. Manchmal freilich
verschlieft ihr die ganze Abstimmung. Das Alles habe ich Euch richtig voraus¬
gesagt, nnr in einem Umstand habe ich mich geirrt: Ihr ward noch lange nicht
der größte Dummkopf unter deu Berliner Deputirten.

Und noch Etwas habe ich falsch vermuthet. Ihr habt für die Polen in Po¬
sen gestimmt. Durch Eure Stimme, Michel Mroß, wurde die Trennung des
deutschen und polnischen Theils von Posen verhindert, ganz Posen von'Deutsch¬
land ausgeschlossen, die Berliner Constituante mit der Frankfurter entzweit, in
Posen ein Bürgerkrieg vorbereitet. Es war das berüchtigte Amendement Phil-
lips, welches durch eine Stimme Majorität zum Beschluß erhoben wurde; die
Stimmen wäre» bei der Abstimmung gleich dafür und dagegen, da standet Ihr
auf, Michel, für das Amendement standet Ihr auf und brachtet es dadurch zum
Siege. Ja grinst nur Michel, Ihr habt die Sache entschiede», Deutschland habt
Ihr um eine halbe Million Mensche» kleiner gemacht, 500,000 Deutsche in Pose»
habt Ihr den Pole», nein, den Russen geopfert, Millionen von angelegten Capi
kaum habt Ihr vernichtet, habt einen Bruch mit Frankfurt veranlaßt, dem in
kürzester Zeit ein Conflikt mit Rußland folgen mußte; das Alles habt Ihr, der
Eine bewirkt. Und wodurch, d»res Schweige» und Aufstehe«. Wunderbarer,
seltsamer Mann! so einfältig und doch so wichtig! — da sieht man wie Weltge¬
schichte gemacht wird! — Wir haben eine hübsche Fabel von einer kleinen Maus,
welche einen großen Löwe» rettet, sie paßt hier uicht, den» hio stammt aus der
Zeit, wo man Könige noch für Löwe» und die Michel Mroße für Mäuse hielt;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/295>, abgerufen am 22.07.2024.