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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Dies Problem hat bereits eine Geschichte. Seit die hochgehenden, Alles über¬
strömenden und gleichmachenden Fluthen des März sich verliefen, ist das alte Terrain
mit all seinen Unebenheiten, seinen Hochgebirgen und Vertiefungen wieder zu Tage
gekommen. Die älteren Entwürfe unterscheiden sich dadurch wesentlich von den
jüngern. Die ersteren waren einfache Risse ans ebenen Grunde aufgeführt, die
letzteren sind complicirte Baupläne mit zahlreichen Unterbauten, Durchstichen und
Viaducten.

Ich kann es nicht beklagen, daß die Arbeit des Verfassungswerkes so lange
verzögert worden. Ein dauerhaftes Gebäude kann nur aufgeführt werden mit Be¬
rücksichtigung der Verhältnisse, welche die Kraft des Bestandes in sich tragen. Es
ist ein Glück, daß so viel Zeit verflossen nach dem Sturm des März, bis die
wahre Natur der Verhältnisse ans Licht getreten und die Elemente sich gesondert
haben.

Die letzten Tage haben uns endlich die definitive Lösung des Verfassungs¬
problems ganz nahe gebracht. Darin liegt die Aufforderung, dasselbe von allen
Seiten mit erneuerter Sorgfalt ins Auge zu fassen. Es ist der letzte Augenblick,
wo die öffentliche Meinung einwirke" kann und sie muß sich klar sein, wie sie den
Ausfall der bevorstehenden großen Entscheidung zu beurtheilen hat.

Die ganze Wichtigkeit der Frage concentrirt sich auf die zwei Punkte 1) nach
dem Umfang der Reichsgewalt und 2) nach der Bildung der Reichsbchörden. Die
dritte wichtige Frage nach dem äußern Umfang des Reichs ist in diesen Blättern
abgesondert erörtet worden.

Ueber die Befugnisse der Reichsgewalt liegt der Entwurf des Verfassungsaus¬
schusses mit den Motiven vor und die Berathung ist im vollen Gange. Die Be¬
fugnisse sind der Sache nach theils legislative, theils administrative, theils richterliche.

Unter den administrativen Befugnissen greift keine mehr in die Verhältnisse
der Einzelstaaten el^, als das Reichskriegswesen. Der Verfassungsentwurf ent¬
hält darüber folgende Bestimmungen, dz. 12. "Der Reichsgewalt steht die ge-
samnne bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung." dz. 13. "Das Reichs¬
heer besteht aus der gesammten zum Zwecke des Kriegs bestimmten Landmacht der
einzelnen deutscheu Staaten." Daraus geht zunächst hervor, daß kein Einzelstaat
eine Armee halten darf, die ausschließlich zu seiner Disposition bestimmt ist. Ge¬
wiß eine nothwendige Bestimmung! Doch ist die Bestimmung des Minoritätser-
achtens unerläßlich: "Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffen^
heit der zum Dienste de's Reichs verpflichteten, bewaffneten Landmacht im Ganzen
und nach ihren von den einzelnen Staaten zu stellenden Theilen zu bestimmen."
Das Minoritätserachten meint damit nur das Minimum mit der Konsequenz,
daß die Einzelstaaten Armeen zu ihrer ausschließlichen Disposition halten dürfen.
Daher muß die Bestimmung hinzutreten: Es ist Sache der verfassungsmäßigen


Dies Problem hat bereits eine Geschichte. Seit die hochgehenden, Alles über¬
strömenden und gleichmachenden Fluthen des März sich verliefen, ist das alte Terrain
mit all seinen Unebenheiten, seinen Hochgebirgen und Vertiefungen wieder zu Tage
gekommen. Die älteren Entwürfe unterscheiden sich dadurch wesentlich von den
jüngern. Die ersteren waren einfache Risse ans ebenen Grunde aufgeführt, die
letzteren sind complicirte Baupläne mit zahlreichen Unterbauten, Durchstichen und
Viaducten.

Ich kann es nicht beklagen, daß die Arbeit des Verfassungswerkes so lange
verzögert worden. Ein dauerhaftes Gebäude kann nur aufgeführt werden mit Be¬
rücksichtigung der Verhältnisse, welche die Kraft des Bestandes in sich tragen. Es
ist ein Glück, daß so viel Zeit verflossen nach dem Sturm des März, bis die
wahre Natur der Verhältnisse ans Licht getreten und die Elemente sich gesondert
haben.

Die letzten Tage haben uns endlich die definitive Lösung des Verfassungs¬
problems ganz nahe gebracht. Darin liegt die Aufforderung, dasselbe von allen
Seiten mit erneuerter Sorgfalt ins Auge zu fassen. Es ist der letzte Augenblick,
wo die öffentliche Meinung einwirke» kann und sie muß sich klar sein, wie sie den
Ausfall der bevorstehenden großen Entscheidung zu beurtheilen hat.

Die ganze Wichtigkeit der Frage concentrirt sich auf die zwei Punkte 1) nach
dem Umfang der Reichsgewalt und 2) nach der Bildung der Reichsbchörden. Die
dritte wichtige Frage nach dem äußern Umfang des Reichs ist in diesen Blättern
abgesondert erörtet worden.

Ueber die Befugnisse der Reichsgewalt liegt der Entwurf des Verfassungsaus¬
schusses mit den Motiven vor und die Berathung ist im vollen Gange. Die Be¬
fugnisse sind der Sache nach theils legislative, theils administrative, theils richterliche.

Unter den administrativen Befugnissen greift keine mehr in die Verhältnisse
der Einzelstaaten el^, als das Reichskriegswesen. Der Verfassungsentwurf ent¬
hält darüber folgende Bestimmungen, dz. 12. „Der Reichsgewalt steht die ge-
samnne bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung." dz. 13. „Das Reichs¬
heer besteht aus der gesammten zum Zwecke des Kriegs bestimmten Landmacht der
einzelnen deutscheu Staaten." Daraus geht zunächst hervor, daß kein Einzelstaat
eine Armee halten darf, die ausschließlich zu seiner Disposition bestimmt ist. Ge¬
wiß eine nothwendige Bestimmung! Doch ist die Bestimmung des Minoritätser-
achtens unerläßlich: „Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffen^
heit der zum Dienste de's Reichs verpflichteten, bewaffneten Landmacht im Ganzen
und nach ihren von den einzelnen Staaten zu stellenden Theilen zu bestimmen."
Das Minoritätserachten meint damit nur das Minimum mit der Konsequenz,
daß die Einzelstaaten Armeen zu ihrer ausschließlichen Disposition halten dürfen.
Daher muß die Bestimmung hinzutreten: Es ist Sache der verfassungsmäßigen


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[0286] Dies Problem hat bereits eine Geschichte. Seit die hochgehenden, Alles über¬ strömenden und gleichmachenden Fluthen des März sich verliefen, ist das alte Terrain mit all seinen Unebenheiten, seinen Hochgebirgen und Vertiefungen wieder zu Tage gekommen. Die älteren Entwürfe unterscheiden sich dadurch wesentlich von den jüngern. Die ersteren waren einfache Risse ans ebenen Grunde aufgeführt, die letzteren sind complicirte Baupläne mit zahlreichen Unterbauten, Durchstichen und Viaducten. Ich kann es nicht beklagen, daß die Arbeit des Verfassungswerkes so lange verzögert worden. Ein dauerhaftes Gebäude kann nur aufgeführt werden mit Be¬ rücksichtigung der Verhältnisse, welche die Kraft des Bestandes in sich tragen. Es ist ein Glück, daß so viel Zeit verflossen nach dem Sturm des März, bis die wahre Natur der Verhältnisse ans Licht getreten und die Elemente sich gesondert haben. Die letzten Tage haben uns endlich die definitive Lösung des Verfassungs¬ problems ganz nahe gebracht. Darin liegt die Aufforderung, dasselbe von allen Seiten mit erneuerter Sorgfalt ins Auge zu fassen. Es ist der letzte Augenblick, wo die öffentliche Meinung einwirke» kann und sie muß sich klar sein, wie sie den Ausfall der bevorstehenden großen Entscheidung zu beurtheilen hat. Die ganze Wichtigkeit der Frage concentrirt sich auf die zwei Punkte 1) nach dem Umfang der Reichsgewalt und 2) nach der Bildung der Reichsbchörden. Die dritte wichtige Frage nach dem äußern Umfang des Reichs ist in diesen Blättern abgesondert erörtet worden. Ueber die Befugnisse der Reichsgewalt liegt der Entwurf des Verfassungsaus¬ schusses mit den Motiven vor und die Berathung ist im vollen Gange. Die Be¬ fugnisse sind der Sache nach theils legislative, theils administrative, theils richterliche. Unter den administrativen Befugnissen greift keine mehr in die Verhältnisse der Einzelstaaten el^, als das Reichskriegswesen. Der Verfassungsentwurf ent¬ hält darüber folgende Bestimmungen, dz. 12. „Der Reichsgewalt steht die ge- samnne bewaffnete Macht Deutschlands zur Verfügung." dz. 13. „Das Reichs¬ heer besteht aus der gesammten zum Zwecke des Kriegs bestimmten Landmacht der einzelnen deutscheu Staaten." Daraus geht zunächst hervor, daß kein Einzelstaat eine Armee halten darf, die ausschließlich zu seiner Disposition bestimmt ist. Ge¬ wiß eine nothwendige Bestimmung! Doch ist die Bestimmung des Minoritätser- achtens unerläßlich: „Der Reichsgewalt steht es zu, die Größe und Beschaffen^ heit der zum Dienste de's Reichs verpflichteten, bewaffneten Landmacht im Ganzen und nach ihren von den einzelnen Staaten zu stellenden Theilen zu bestimmen." Das Minoritätserachten meint damit nur das Minimum mit der Konsequenz, daß die Einzelstaaten Armeen zu ihrer ausschließlichen Disposition halten dürfen. Daher muß die Bestimmung hinzutreten: Es ist Sache der verfassungsmäßigen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/286>, abgerufen am 25.12.2024.