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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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In der That könnte die reine Personalunion auch nur als Uebergang zu der voll¬
ständigen Trennung aufgefaßt werden. -- Der Redner führte für die Vertretung
Oestreichs sowohl mit Deutschland als mit den Nebeuländern Rechtsgründe vor, da
die pragmatische Sanction völkerrechtlich garantirt sei. Er wies die Deutschen dar¬
auf hin, daß sie durch die Trennung Oestreichs ihren Einfluß in Italien, im
Osten u. s. w. verlieren; die Oestreicher, daß sie in die Hände der Slaven fallen
würden. Einen bestimmten Modus der Vereinigung gab er nicht an. -- Arneth
sprach der Versammlung das Recht ab, dnrch Annahme der Paragraphe Oestreich
auszuschließen. Er meinte, wenn der ganze Staat Oestreich in Deutschland aufge¬
nommen werden solle, werde kein Oestreicher etwas dagegen haben. Von größerem
Interesse war, seiner politischen Stellung nach, die Rede des Reichsstaatssecretär
v. Würth. Er erklärte, den Gedanken der Trennung von Deutschland nicht
fassen zu können; ebensowenig aber auch die Aufhebung der pragmatischen Sanc¬
tion. Er verlangte, "daß von Seiten der Nationalversammlung die provisorische
Centralgewalt beauftragt werde, sich mit der östreichischen Negierung in Einver¬
nehmen zu setzen, ihr diejenigen Bestimmungen, die in dem Verfassungsentwurf
aufgenommen, vorzulegen und sie zu fragen: welche Modificationen hälst du für
nothwendig, damit du in den Bundesstaat eintreten kannst?" Der Herr Staats¬
sekretär übersah dabei ganz, daß er eben damit aus der Fiction eines schon vor¬
handenen Bundesstaates, dessen integrirender Theil Oestreich sei, heraustrat,
und sich nun doch die Möglichkeit vorstellen mußte, daß jener Vertrag nicht zu
Stande käme, wenn er nicht die Reichsgewalt, deren Beamter er war, geradezu
zum gehorsamen Diener des östreichischen Cabinets herabsetzen wollte. -- Beidtel
erklärte ganz naiv: "Oestreich wird aufstehen wie ein Mann, wenn es gelten
wird, seine Existenz, seine Einheit und Freiheit (Autonomie) zu bewahren. Oest¬
reich, das Jahrhunderte lang gedauert, wird nimmermehr dulden, daß es mitten
im Frieden zerrissen werde, zerrissen durch diejenige Versammlung, zu welcher es
selbst Vertreter geschickt hat." Das ist wenigstens deutlich gesprochen. -- Kaiser
versicherte ähnliches und beantragte das Amendement: "Ausnahmen von einzelnen
Bestimmungen der Reichsverfassung, sofern sie Oestreich wegen der eigenthümlichen
Verhältnisse des Landes zugestanden werden sollen, bleiben spätern Beschlüssen vor¬
behalten." Und für dieses Amendement stimmten 107 Mitglieder der deutschen
Nationalversammlung!! Darunter die Preußen Flottwell, Vincke, Schwerin; Ga¬
gern nicht. Amendements von Sommaraga, Schreiner u. A. hatten eine
ähnliche Tendenz.

Ich muß noch eine Bemerkung machen. Im Wesentlichen sind die Anfech¬
tungen gegen die tztz. von der rechten Seite ausgegangen; was Oestreich betrifft,
von der Partei, die man die schwarzgelbe nennt. Wir müssen hier aber scharf
unterscheiden. Die Aufrechthaltung Oestreichs kann man sich in einer doppelten
Form vorstellen: als Herstellung der alten Metternich'schen Gewaltherrschaft mit


In der That könnte die reine Personalunion auch nur als Uebergang zu der voll¬
ständigen Trennung aufgefaßt werden. — Der Redner führte für die Vertretung
Oestreichs sowohl mit Deutschland als mit den Nebeuländern Rechtsgründe vor, da
die pragmatische Sanction völkerrechtlich garantirt sei. Er wies die Deutschen dar¬
auf hin, daß sie durch die Trennung Oestreichs ihren Einfluß in Italien, im
Osten u. s. w. verlieren; die Oestreicher, daß sie in die Hände der Slaven fallen
würden. Einen bestimmten Modus der Vereinigung gab er nicht an. — Arneth
sprach der Versammlung das Recht ab, dnrch Annahme der Paragraphe Oestreich
auszuschließen. Er meinte, wenn der ganze Staat Oestreich in Deutschland aufge¬
nommen werden solle, werde kein Oestreicher etwas dagegen haben. Von größerem
Interesse war, seiner politischen Stellung nach, die Rede des Reichsstaatssecretär
v. Würth. Er erklärte, den Gedanken der Trennung von Deutschland nicht
fassen zu können; ebensowenig aber auch die Aufhebung der pragmatischen Sanc¬
tion. Er verlangte, „daß von Seiten der Nationalversammlung die provisorische
Centralgewalt beauftragt werde, sich mit der östreichischen Negierung in Einver¬
nehmen zu setzen, ihr diejenigen Bestimmungen, die in dem Verfassungsentwurf
aufgenommen, vorzulegen und sie zu fragen: welche Modificationen hälst du für
nothwendig, damit du in den Bundesstaat eintreten kannst?" Der Herr Staats¬
sekretär übersah dabei ganz, daß er eben damit aus der Fiction eines schon vor¬
handenen Bundesstaates, dessen integrirender Theil Oestreich sei, heraustrat,
und sich nun doch die Möglichkeit vorstellen mußte, daß jener Vertrag nicht zu
Stande käme, wenn er nicht die Reichsgewalt, deren Beamter er war, geradezu
zum gehorsamen Diener des östreichischen Cabinets herabsetzen wollte. — Beidtel
erklärte ganz naiv: „Oestreich wird aufstehen wie ein Mann, wenn es gelten
wird, seine Existenz, seine Einheit und Freiheit (Autonomie) zu bewahren. Oest¬
reich, das Jahrhunderte lang gedauert, wird nimmermehr dulden, daß es mitten
im Frieden zerrissen werde, zerrissen durch diejenige Versammlung, zu welcher es
selbst Vertreter geschickt hat." Das ist wenigstens deutlich gesprochen. — Kaiser
versicherte ähnliches und beantragte das Amendement: „Ausnahmen von einzelnen
Bestimmungen der Reichsverfassung, sofern sie Oestreich wegen der eigenthümlichen
Verhältnisse des Landes zugestanden werden sollen, bleiben spätern Beschlüssen vor¬
behalten." Und für dieses Amendement stimmten 107 Mitglieder der deutschen
Nationalversammlung!! Darunter die Preußen Flottwell, Vincke, Schwerin; Ga¬
gern nicht. Amendements von Sommaraga, Schreiner u. A. hatten eine
ähnliche Tendenz.

Ich muß noch eine Bemerkung machen. Im Wesentlichen sind die Anfech¬
tungen gegen die tztz. von der rechten Seite ausgegangen; was Oestreich betrifft,
von der Partei, die man die schwarzgelbe nennt. Wir müssen hier aber scharf
unterscheiden. Die Aufrechthaltung Oestreichs kann man sich in einer doppelten
Form vorstellen: als Herstellung der alten Metternich'schen Gewaltherrschaft mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/232>, abgerufen am 22.07.2024.