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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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sich zunächst zwei Mitglieder der äußersten Linken aus: Wiesuer und Berg er.
Der erste ist schon im vorigen Artikel besprochen; er stimmte gegen Personalunion,
weil er Republikaner sei. Berger erklärte die Sache der Wiener für eine mehr de¬
mokratische als nationale, und setzte hinzu, er würde sich für den slavischen Ge-
sammtstaat erklären, wenn dieser eine mehr demokratische Entwickelung verspräche,
als Deutschland. Er stimmte gegen die Paragraphen aus dem kuriosen Grnnde,
sie verständen sich von selbst und seien daher nur darum aufgestellt, um die Oest¬
reicher aus der Nationalversammlung zu jagen. Daß sie als selbstverstanden nicht
allgemein anerkannt wurden, zeigte aber die Debatte selbst, und gesetzlich bringt
man die Anerkennung eines logisch sich von selbst verstehenden Satzes nur durch
die Abstimmung zu Stande. Uebrigens sprach er sich sehr scharf gegen das jetzt
bestehende Oestreich und für die Gründung eines großen mitteleuropäischen Reiches
aus, dessen Knotenpunkt Wie" sein müsse. Wie der Ritter v. Ostrom in unserm
vorigen Heft. Gleichfalls zur Linken gehörte der Abgeordnete v. Mayfeld,
welcher verlangte: "dem östreichischen constituirenden Reichstag, welcher hinsichtlich
der deutsch-östreichischen Provinzen der deutschen Nationalversammlung subordi-
nire, hinsichtlich der nichtdeutschen aber ihr coordinirt sei, freiere Hand zu lassen
hinsichtlich der Feststellung des Verhältnisses zwischen den deutschen und nicht¬
deutschen Provinzen. Finde er, daß eine innigere Verbindung zwischen denselben
möglich sei, als die reine Personalunion, so könne er diese Verbindung feststellen,
und der übrige deutsche Bundesstaat habe keine Einwendung dagegen zu machen,
wenn nur die gesetzlichen Bestimmungen für Deutschland in den deutsch - östreichi¬
schen Ländern durch ihre Verbindung eines nichtdeutschen keine Modification er¬
litten." Eine Voraussetzung, deren Unmöglichkeit eben jene Paragraphen hervorge¬
rufen hatte. Im Uebrigen erklärte sich der Redner für die Politik des Welt¬
geistes und gegen die schwarzgelben.

Die andern Redner dieser Partei hatten eine mehr conservative Farbe.
Fritsch sagte ganz richtig: "Ich kann mir die Wirksamkeit einer reinen Personal'
union zwischen zwei verschiedenen Staaten nur dann denken, wenn diese Staaten
absolut regiert werden. Finden sich in den verschiedenen Staaten constitutionelle
Formen, wodurch die Macht des Oberhauptes beschränkt ist, so ist es unmöglich,
baß beide auf dieselbe Art wie früher Hand in Hand gehen, ohne daß ihre In¬
teressen wechselsweise verletzt werden. Ich finde es sogar gefährlicher, derlei Staaten
durch eine Personalunion vereinigt zu halten, als sie rein zu trennen. Sind sie
getrennt, so werden die wechselseitigen Verhältnisse sich durch Verträge Geltung
verschaffen. Stehen sie unter einem gemeinschaftlichen Oberhaupt, so kommt dieser
in die unangenehme Lage, nicht zu wissen, nach welcher Seite hin er seinen Aus-
spruch fällen soll. Es hat die nothwendige Folge, daß Mißtrauen in beiden ent¬
steht, daß jeder Beschluß, den der Monarch für den einen faßt, Eifersucht in dem
andern hervorbringt und daß dessen nothwendige Unbefangenheit ganz wegfällt."


sich zunächst zwei Mitglieder der äußersten Linken aus: Wiesuer und Berg er.
Der erste ist schon im vorigen Artikel besprochen; er stimmte gegen Personalunion,
weil er Republikaner sei. Berger erklärte die Sache der Wiener für eine mehr de¬
mokratische als nationale, und setzte hinzu, er würde sich für den slavischen Ge-
sammtstaat erklären, wenn dieser eine mehr demokratische Entwickelung verspräche,
als Deutschland. Er stimmte gegen die Paragraphen aus dem kuriosen Grnnde,
sie verständen sich von selbst und seien daher nur darum aufgestellt, um die Oest¬
reicher aus der Nationalversammlung zu jagen. Daß sie als selbstverstanden nicht
allgemein anerkannt wurden, zeigte aber die Debatte selbst, und gesetzlich bringt
man die Anerkennung eines logisch sich von selbst verstehenden Satzes nur durch
die Abstimmung zu Stande. Uebrigens sprach er sich sehr scharf gegen das jetzt
bestehende Oestreich und für die Gründung eines großen mitteleuropäischen Reiches
aus, dessen Knotenpunkt Wie» sein müsse. Wie der Ritter v. Ostrom in unserm
vorigen Heft. Gleichfalls zur Linken gehörte der Abgeordnete v. Mayfeld,
welcher verlangte: „dem östreichischen constituirenden Reichstag, welcher hinsichtlich
der deutsch-östreichischen Provinzen der deutschen Nationalversammlung subordi-
nire, hinsichtlich der nichtdeutschen aber ihr coordinirt sei, freiere Hand zu lassen
hinsichtlich der Feststellung des Verhältnisses zwischen den deutschen und nicht¬
deutschen Provinzen. Finde er, daß eine innigere Verbindung zwischen denselben
möglich sei, als die reine Personalunion, so könne er diese Verbindung feststellen,
und der übrige deutsche Bundesstaat habe keine Einwendung dagegen zu machen,
wenn nur die gesetzlichen Bestimmungen für Deutschland in den deutsch - östreichi¬
schen Ländern durch ihre Verbindung eines nichtdeutschen keine Modification er¬
litten." Eine Voraussetzung, deren Unmöglichkeit eben jene Paragraphen hervorge¬
rufen hatte. Im Uebrigen erklärte sich der Redner für die Politik des Welt¬
geistes und gegen die schwarzgelben.

Die andern Redner dieser Partei hatten eine mehr conservative Farbe.
Fritsch sagte ganz richtig: „Ich kann mir die Wirksamkeit einer reinen Personal'
union zwischen zwei verschiedenen Staaten nur dann denken, wenn diese Staaten
absolut regiert werden. Finden sich in den verschiedenen Staaten constitutionelle
Formen, wodurch die Macht des Oberhauptes beschränkt ist, so ist es unmöglich,
baß beide auf dieselbe Art wie früher Hand in Hand gehen, ohne daß ihre In¬
teressen wechselsweise verletzt werden. Ich finde es sogar gefährlicher, derlei Staaten
durch eine Personalunion vereinigt zu halten, als sie rein zu trennen. Sind sie
getrennt, so werden die wechselseitigen Verhältnisse sich durch Verträge Geltung
verschaffen. Stehen sie unter einem gemeinschaftlichen Oberhaupt, so kommt dieser
in die unangenehme Lage, nicht zu wissen, nach welcher Seite hin er seinen Aus-
spruch fällen soll. Es hat die nothwendige Folge, daß Mißtrauen in beiden ent¬
steht, daß jeder Beschluß, den der Monarch für den einen faßt, Eifersucht in dem
andern hervorbringt und daß dessen nothwendige Unbefangenheit ganz wegfällt."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/231>, abgerufen am 22.07.2024.