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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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dere Antwort darauf als die Kommenden zu umfassen, mit ihnen dreinzuschlagm
und mit ihnen vereint den großen Völkerkampf treulich durchzufechten. Wenn die
Liebe der Oestreicher von ihnen fordert, sie dürfen nichts versagen, denn nirgend
und zu keiner Zeit soll die Politik uns Deutsche vergessen machen, daß wir von
einem Geschlecht sind und uus lange und oft nach einer Vereinigung Aller ge¬
sehnt haben. Aber es thut bei dieser Frage gar nicht Noth, sich in hochherzige
Gefühle zu flüchten. Der Wohlstand, das Glück von Oestreich hängt an der großen
Handelsstraße, die von Triest über Wien nach dem schwarzen Meere führt, sie
ist die Lebensader aller Völker, die darum wohnen und Wien ist der natürliche
Knotenpunkt zwischen Deutschland und den untern Donauländern. In Deutsch¬
land würde Wien die Hauptstadt einer Grenzprovinz, in dem neuen Oestreich die
Hauptstadt eines mächtigen Ganzen. Da wird die Wahl nicht schwer. Wer aber
eine Trennung Oestreichs von Deutschland als eine unnatürliche Entfremdung zwi¬
schen Verwandten empfindet und von deutscher Bildung und den Vortheilen deut¬
scher Vereinigung ausgeschlossen zu werden befürchtet, der versteht doch das Leben
freier Völker sehr wenig. Es wird der Weg von Linz nach Frankfurt nicht wei¬
ter werden, was in Leipzig oder Berlin gedacht oder geschrieben würde, wird in
Wien eben so schnell und vollkommner genossen werden als bisher. Und wenn
die deutschen Oestreicher gar fürchten slavistrt zu werden, so ist das nichts, als
eine Unsicherheit ungeübter Kraft, so oft der Slave, der Ungar und der Deutsche
zusammen Rath halten, werden sie deutsch sprechen, und sobald die Völker sich
gewöhnt haben, ein jeder im eigenen Haus sich selbst zu regieren, werden sie auch
das Hausrecht des Nachbarn ehren. Alles was Oestreich an dem übrigen Deutsch¬
land liebt, wird es sich durch Vertrag und brüderliches Bündniß fest gewinnen-
was aber Oestreich allein hat, das Prinzipat über den Osten, davon wird es
dem übrigen Deutschland so viel Vortheile abgeben, als sein eigner Vortheil ge¬
stattet. Und jetzt, während der schmerzlichen Betäubung, welche auf den Wienern
nach einem gefährlichen Rausche liegt, über die Leiden hinüber , welche die Schwer¬
verwundete Stadt empfindet, rufe ich Euch die frohe Ueberzeugung zu, daß Oest¬
reich erstehen wird zu neuem Leben und neuer Kraft, und Ihr, treue Grenzwäch¬
ter deutscher Sitte und Bildung, Ihr werdet den Segen dieser Zukunft theilen.

Noch Manches über Eure Lage habe ich auf dein Herzen. Tönt das Post¬
horn erst wieder friedlich auf der Straße zu Euch, wo jetzt die Trompetensignale
der Kriegerhausm lärmen, dann schreibe ich Euch weiter, über Eure Union und
Euren Ruf nach deutschen Kolonisten. Wir wollen hier in Leipzig unterdeß nicht
müsstg sein und für Euch sprechen, wo es Noth thut. Ihr aber, Männer von Sie¬
benbürgen denkt freundlich an uns und bleibt Euren Boten hold.


Gustav Lreytag.


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dere Antwort darauf als die Kommenden zu umfassen, mit ihnen dreinzuschlagm
und mit ihnen vereint den großen Völkerkampf treulich durchzufechten. Wenn die
Liebe der Oestreicher von ihnen fordert, sie dürfen nichts versagen, denn nirgend
und zu keiner Zeit soll die Politik uns Deutsche vergessen machen, daß wir von
einem Geschlecht sind und uus lange und oft nach einer Vereinigung Aller ge¬
sehnt haben. Aber es thut bei dieser Frage gar nicht Noth, sich in hochherzige
Gefühle zu flüchten. Der Wohlstand, das Glück von Oestreich hängt an der großen
Handelsstraße, die von Triest über Wien nach dem schwarzen Meere führt, sie
ist die Lebensader aller Völker, die darum wohnen und Wien ist der natürliche
Knotenpunkt zwischen Deutschland und den untern Donauländern. In Deutsch¬
land würde Wien die Hauptstadt einer Grenzprovinz, in dem neuen Oestreich die
Hauptstadt eines mächtigen Ganzen. Da wird die Wahl nicht schwer. Wer aber
eine Trennung Oestreichs von Deutschland als eine unnatürliche Entfremdung zwi¬
schen Verwandten empfindet und von deutscher Bildung und den Vortheilen deut¬
scher Vereinigung ausgeschlossen zu werden befürchtet, der versteht doch das Leben
freier Völker sehr wenig. Es wird der Weg von Linz nach Frankfurt nicht wei¬
ter werden, was in Leipzig oder Berlin gedacht oder geschrieben würde, wird in
Wien eben so schnell und vollkommner genossen werden als bisher. Und wenn
die deutschen Oestreicher gar fürchten slavistrt zu werden, so ist das nichts, als
eine Unsicherheit ungeübter Kraft, so oft der Slave, der Ungar und der Deutsche
zusammen Rath halten, werden sie deutsch sprechen, und sobald die Völker sich
gewöhnt haben, ein jeder im eigenen Haus sich selbst zu regieren, werden sie auch
das Hausrecht des Nachbarn ehren. Alles was Oestreich an dem übrigen Deutsch¬
land liebt, wird es sich durch Vertrag und brüderliches Bündniß fest gewinnen-
was aber Oestreich allein hat, das Prinzipat über den Osten, davon wird es
dem übrigen Deutschland so viel Vortheile abgeben, als sein eigner Vortheil ge¬
stattet. Und jetzt, während der schmerzlichen Betäubung, welche auf den Wienern
nach einem gefährlichen Rausche liegt, über die Leiden hinüber , welche die Schwer¬
verwundete Stadt empfindet, rufe ich Euch die frohe Ueberzeugung zu, daß Oest¬
reich erstehen wird zu neuem Leben und neuer Kraft, und Ihr, treue Grenzwäch¬
ter deutscher Sitte und Bildung, Ihr werdet den Segen dieser Zukunft theilen.

Noch Manches über Eure Lage habe ich auf dein Herzen. Tönt das Post¬
horn erst wieder friedlich auf der Straße zu Euch, wo jetzt die Trompetensignale
der Kriegerhausm lärmen, dann schreibe ich Euch weiter, über Eure Union und
Euren Ruf nach deutschen Kolonisten. Wir wollen hier in Leipzig unterdeß nicht
müsstg sein und für Euch sprechen, wo es Noth thut. Ihr aber, Männer von Sie¬
benbürgen denkt freundlich an uns und bleibt Euren Boten hold.


Gustav Lreytag.


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[0225] dere Antwort darauf als die Kommenden zu umfassen, mit ihnen dreinzuschlagm und mit ihnen vereint den großen Völkerkampf treulich durchzufechten. Wenn die Liebe der Oestreicher von ihnen fordert, sie dürfen nichts versagen, denn nirgend und zu keiner Zeit soll die Politik uns Deutsche vergessen machen, daß wir von einem Geschlecht sind und uus lange und oft nach einer Vereinigung Aller ge¬ sehnt haben. Aber es thut bei dieser Frage gar nicht Noth, sich in hochherzige Gefühle zu flüchten. Der Wohlstand, das Glück von Oestreich hängt an der großen Handelsstraße, die von Triest über Wien nach dem schwarzen Meere führt, sie ist die Lebensader aller Völker, die darum wohnen und Wien ist der natürliche Knotenpunkt zwischen Deutschland und den untern Donauländern. In Deutsch¬ land würde Wien die Hauptstadt einer Grenzprovinz, in dem neuen Oestreich die Hauptstadt eines mächtigen Ganzen. Da wird die Wahl nicht schwer. Wer aber eine Trennung Oestreichs von Deutschland als eine unnatürliche Entfremdung zwi¬ schen Verwandten empfindet und von deutscher Bildung und den Vortheilen deut¬ scher Vereinigung ausgeschlossen zu werden befürchtet, der versteht doch das Leben freier Völker sehr wenig. Es wird der Weg von Linz nach Frankfurt nicht wei¬ ter werden, was in Leipzig oder Berlin gedacht oder geschrieben würde, wird in Wien eben so schnell und vollkommner genossen werden als bisher. Und wenn die deutschen Oestreicher gar fürchten slavistrt zu werden, so ist das nichts, als eine Unsicherheit ungeübter Kraft, so oft der Slave, der Ungar und der Deutsche zusammen Rath halten, werden sie deutsch sprechen, und sobald die Völker sich gewöhnt haben, ein jeder im eigenen Haus sich selbst zu regieren, werden sie auch das Hausrecht des Nachbarn ehren. Alles was Oestreich an dem übrigen Deutsch¬ land liebt, wird es sich durch Vertrag und brüderliches Bündniß fest gewinnen- was aber Oestreich allein hat, das Prinzipat über den Osten, davon wird es dem übrigen Deutschland so viel Vortheile abgeben, als sein eigner Vortheil ge¬ stattet. Und jetzt, während der schmerzlichen Betäubung, welche auf den Wienern nach einem gefährlichen Rausche liegt, über die Leiden hinüber , welche die Schwer¬ verwundete Stadt empfindet, rufe ich Euch die frohe Ueberzeugung zu, daß Oest¬ reich erstehen wird zu neuem Leben und neuer Kraft, und Ihr, treue Grenzwäch¬ ter deutscher Sitte und Bildung, Ihr werdet den Segen dieser Zukunft theilen. Noch Manches über Eure Lage habe ich auf dein Herzen. Tönt das Post¬ horn erst wieder friedlich auf der Straße zu Euch, wo jetzt die Trompetensignale der Kriegerhausm lärmen, dann schreibe ich Euch weiter, über Eure Union und Euren Ruf nach deutschen Kolonisten. Wir wollen hier in Leipzig unterdeß nicht müsstg sein und für Euch sprechen, wo es Noth thut. Ihr aber, Männer von Sie¬ benbürgen denkt freundlich an uns und bleibt Euren Boten hold. Gustav Lreytag. GmiM-n. IV. !Si8.^8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/225>, abgerufen am 25.08.2024.