Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.zeigt, als bei dieser niedrigen und unwürdigen Transaktion mit der öffentlichen Mei¬ Uebrigens spielt Jung in der Kammer dieselbe Rolle, wie Held außerhalb der¬ Doch genug! ich kann nicht scherzen, wenn die tiefste Entrüstung mich ergreift, Anm. der Se ed. unser Korrespondent tänscht sich, wenn er den zuweilen her¬ zeigt, als bei dieser niedrigen und unwürdigen Transaktion mit der öffentlichen Mei¬ Uebrigens spielt Jung in der Kammer dieselbe Rolle, wie Held außerhalb der¬ Doch genug! ich kann nicht scherzen, wenn die tiefste Entrüstung mich ergreift, Anm. der Se ed. unser Korrespondent tänscht sich, wenn er den zuweilen her¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0200" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276956"/> <p xml:id="ID_548" prev="#ID_547"> zeigt, als bei dieser niedrigen und unwürdigen Transaktion mit der öffentlichen Mei¬<lb/> nung. — So einfach und negativ wie Jung's politisches Glaubensbekenntniß sind auch<lb/> seine Kenntnisse und seine Polemik. Was die ersteren anbetrifft, so ist es wohl be¬<lb/> zeichnend genug, daß der Assessor den eximirten Gerichtsstand als eine ganz willkürliche<lb/> Erfindung der Tyrannen von Gottes Gnaden darstellte, wofür ihn Märker in seiner<lb/> gutmüthigen Weise tüchtig nach Hause führte. Seine Angrisse beschränken sich aus die<lb/> gewöhnlichen Redensarten von „bewaffneter Reaction," „den tausend Fäden des alten<lb/> Systems" -— sein Witz auf „Neuß-Grciz-Lobenstein."</p><lb/> <p xml:id="ID_549"> Uebrigens spielt Jung in der Kammer dieselbe Rolle, wie Held außerhalb der¬<lb/> selben, sie sind die Väter des Volkes --«r ^o/'Jo. Er will eine neue Gcsindcordnnng<lb/> haben und ist ganz unglücklich darüber, daß dieser wichtige Antrag noch immer nicht<lb/> aus die Tagesordnung kommt; alle politischen Verbrecher — bei ihm ein eben so weiter<lb/> Begriff, wie Demokratie — sollen amnestirt werden; am liebsten, glaube ich, wär' ihm<lb/> ein Generalablaß für Vergangenheit und Zukunft; dann sollen die Invaliden besser<lb/> versorgt und die Märzkämpser pensionirt werden. „Noch neulich," so versichert er der<lb/> Kammer, „habe ich die Edlen um mich versammelt" und ein Mitglied der Rechten ruft<lb/> ihm höhnend zu: „das glauben wir gern!" — Doch ist ihm dabei aus seinen roman¬<lb/> tischen Tagen noch ein poetischer Zug geblieben: seine Vorliebe für die Polen. Bei<lb/> Gelegenheit der Posener Amnestie, die bekanntlich nur die Beamten, Lehrer und Militär<lb/> in so weit ausnahm, daß sie nöthigenfalls aus dem Staatsdienste entfernt werden könn¬<lb/> ten, bei dieser Gelegenheit haben wir es anhören müssen, daß ein Deutscher in einer<lb/> deutschen Nationalversammlung unter dem rasenden Jubel der Polen vom „heiligen<lb/> KoSziusko" sprach, daß er gegen die deutschen Beamten donnerte, die sich erkühnt ha¬<lb/> ben, ihre deutschen Brüder zu vertheidigen gegen das Mordschwert der edlen begeisterten<lb/> Slave», ja daß er ein frohes „Ja" zu entgegnen wagte, als man von der rechten<lb/> Seite ihn fragte, ob denn auch die Offiziere im Staatsdienste bleiben sollten, die in<lb/> den Reihen der Polen gestritten — obwohl selbst Deutsche und nach einer schmählichen<lb/> Desertion von der Fahne! — Man sieht, was Herr Jung nnter Reorganisation des<lb/> Heeres versteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_550"> Doch genug! ich kann nicht scherzen, wenn die tiefste Entrüstung mich ergreift,<lb/> und des Ernstes ist ein Jung nicht werth.</p><lb/> <p xml:id="ID_551" next="#ID_552"><note type="byline"> Anm. der Se ed.</note> unser Korrespondent tänscht sich, wenn er den zuweilen her¬<lb/> vortretenden Cynismus im Wesen des Herrn Jung sür demokratische Anlage hält. Der<lb/> echte Demagog trägt von Natur Glacehandschuhe, und verachtet das Volk, dem er<lb/> schmeichelt, aber er hält es sür nothwendig zur Aufrechthaltung seiner Reputation bis-<lb/> ' weilen derb aufzutreten; wenn aber der Belletrist, der Dandy einmal derb sein will, so<lb/> wird er cynisch. Wenn Herr Jung sagt: „Man will uus zumuthen, die Traber<lb/> der fremden Nationen aufzunehmen und sie zu essen; ich glaube, daß das<lb/> deutsche Volk endlich so weit gekommen ist, nicht mehr hinterher zu gehen und aufzu¬<lb/> nehmen, was die andern Nationen weggeworfen haben, und die alten Kleider,<lb/> die sie abgelegt haben, anzuziehen." so ist das nicht naiver, sondern reflectirtcr Cynis¬<lb/> mus. Von Natur spricht Herr Jung folgendermaßen: „Es bleibt dem modernen<lb/> Dichter nur die Schilderung des Kampfes übrig, zwischen dem reinen ungetrübten<lb/> Menschen (!) gegen die Unmenschlichkeit der Verhältnisse. Allein die äußern Verhält¬<lb/> nisse umstricken in dieser Welt des Egoismus unser ganzes Wesen mit Polypenarmen,<lb/> und wenigen Dichtern wird es gegeben sein, sich ihrer verdunkelnden Atmosphäre (der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0200]
zeigt, als bei dieser niedrigen und unwürdigen Transaktion mit der öffentlichen Mei¬
nung. — So einfach und negativ wie Jung's politisches Glaubensbekenntniß sind auch
seine Kenntnisse und seine Polemik. Was die ersteren anbetrifft, so ist es wohl be¬
zeichnend genug, daß der Assessor den eximirten Gerichtsstand als eine ganz willkürliche
Erfindung der Tyrannen von Gottes Gnaden darstellte, wofür ihn Märker in seiner
gutmüthigen Weise tüchtig nach Hause führte. Seine Angrisse beschränken sich aus die
gewöhnlichen Redensarten von „bewaffneter Reaction," „den tausend Fäden des alten
Systems" -— sein Witz auf „Neuß-Grciz-Lobenstein."
Uebrigens spielt Jung in der Kammer dieselbe Rolle, wie Held außerhalb der¬
selben, sie sind die Väter des Volkes --«r ^o/'Jo. Er will eine neue Gcsindcordnnng
haben und ist ganz unglücklich darüber, daß dieser wichtige Antrag noch immer nicht
aus die Tagesordnung kommt; alle politischen Verbrecher — bei ihm ein eben so weiter
Begriff, wie Demokratie — sollen amnestirt werden; am liebsten, glaube ich, wär' ihm
ein Generalablaß für Vergangenheit und Zukunft; dann sollen die Invaliden besser
versorgt und die Märzkämpser pensionirt werden. „Noch neulich," so versichert er der
Kammer, „habe ich die Edlen um mich versammelt" und ein Mitglied der Rechten ruft
ihm höhnend zu: „das glauben wir gern!" — Doch ist ihm dabei aus seinen roman¬
tischen Tagen noch ein poetischer Zug geblieben: seine Vorliebe für die Polen. Bei
Gelegenheit der Posener Amnestie, die bekanntlich nur die Beamten, Lehrer und Militär
in so weit ausnahm, daß sie nöthigenfalls aus dem Staatsdienste entfernt werden könn¬
ten, bei dieser Gelegenheit haben wir es anhören müssen, daß ein Deutscher in einer
deutschen Nationalversammlung unter dem rasenden Jubel der Polen vom „heiligen
KoSziusko" sprach, daß er gegen die deutschen Beamten donnerte, die sich erkühnt ha¬
ben, ihre deutschen Brüder zu vertheidigen gegen das Mordschwert der edlen begeisterten
Slave», ja daß er ein frohes „Ja" zu entgegnen wagte, als man von der rechten
Seite ihn fragte, ob denn auch die Offiziere im Staatsdienste bleiben sollten, die in
den Reihen der Polen gestritten — obwohl selbst Deutsche und nach einer schmählichen
Desertion von der Fahne! — Man sieht, was Herr Jung nnter Reorganisation des
Heeres versteht.
Doch genug! ich kann nicht scherzen, wenn die tiefste Entrüstung mich ergreift,
und des Ernstes ist ein Jung nicht werth.
Anm. der Se ed. unser Korrespondent tänscht sich, wenn er den zuweilen her¬
vortretenden Cynismus im Wesen des Herrn Jung sür demokratische Anlage hält. Der
echte Demagog trägt von Natur Glacehandschuhe, und verachtet das Volk, dem er
schmeichelt, aber er hält es sür nothwendig zur Aufrechthaltung seiner Reputation bis-
' weilen derb aufzutreten; wenn aber der Belletrist, der Dandy einmal derb sein will, so
wird er cynisch. Wenn Herr Jung sagt: „Man will uus zumuthen, die Traber
der fremden Nationen aufzunehmen und sie zu essen; ich glaube, daß das
deutsche Volk endlich so weit gekommen ist, nicht mehr hinterher zu gehen und aufzu¬
nehmen, was die andern Nationen weggeworfen haben, und die alten Kleider,
die sie abgelegt haben, anzuziehen." so ist das nicht naiver, sondern reflectirtcr Cynis¬
mus. Von Natur spricht Herr Jung folgendermaßen: „Es bleibt dem modernen
Dichter nur die Schilderung des Kampfes übrig, zwischen dem reinen ungetrübten
Menschen (!) gegen die Unmenschlichkeit der Verhältnisse. Allein die äußern Verhält¬
nisse umstricken in dieser Welt des Egoismus unser ganzes Wesen mit Polypenarmen,
und wenigen Dichtern wird es gegeben sein, sich ihrer verdunkelnden Atmosphäre (der
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