Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.man denken, daß dieser Unsinn eine starke Minorität erhielt! Neunzehn davon Man beschloß, daß jeder Docent außer dem Fach, für welches er habilitirt, Die Versammlung wandte sich zu den Honoraren. Es kam Nichts heraus, Am zweiten Tage discutirte man über die sogenannte Lernfreiheit. Man 2*
man denken, daß dieser Unsinn eine starke Minorität erhielt! Neunzehn davon Man beschloß, daß jeder Docent außer dem Fach, für welches er habilitirt, Die Versammlung wandte sich zu den Honoraren. Es kam Nichts heraus, Am zweiten Tage discutirte man über die sogenannte Lernfreiheit. Man 2*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276775"/> <p xml:id="ID_25" prev="#ID_24"> man denken, daß dieser Unsinn eine starke Minorität erhielt! Neunzehn davon<lb/> gaben sogar ihren Dissens zu Protokoll. Herr seelig aus Göttingen war der<lb/> Vorkämpfer. Bei dem Gerede von unbedingter Lehrfreiheit denkt man nicht daran,<lb/> daß so etwas einführen Nichts weiter heißt, als die Universitäten aufheben. Es<lb/> läßt sich Nichts dagegen einwenden, daß, wer will, sich von einem beliebigen<lb/> Pfuscher, Quacksalber, Sophisten, peripatetischeu Philosophen abrichten lassen darf.<lb/> Man muß auch die so Vorbereiteten bei den Prüfungen zulassen. Aber es muß<lb/> auch garantirte und zwar vom Staate garantirte Anstalten geben, deren Lehrer<lb/> documentirt haben, daß sie auf der wissenschaftlichen Höhe der Zeit stehen und die<lb/> Fähigkeit haben, dem Fortschritt der Wissenschaft zu folgen. Herr seelig meinte,<lb/> wessen Vorlesungen Nichts taugte«, der behalte keine Zuhörer. Das paßt erstens<lb/> nicht auf alle Fälle und dann ist es bei dem jetzigen festen Organismus der<lb/> Universitäten freilich leichter, die bloße Seichtigkeit und Anmaßung zu unterschei¬<lb/> den. Wenn aber dieser Organismus nicht mehr geschützt ist, so wird er bald<lb/> zur Niederlage für alle möglichen Jndustrieritter werden und dann aus einander<lb/> gehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_26"> Man beschloß, daß jeder Docent außer dem Fach, für welches er habilitirt,<lb/> über die verwandten Gegenstände lesen dürfe. Die Verwandtschaft soll in streitigen<lb/> Fällen von den betreffenden Facultäten festgestellt werden. Damit hat man freilich<lb/> gar kein Prinzip. Dies ist aber nicht zu gewinnen, so lange nicht die Facultäten<lb/> richtig eingetheilt sind, so lange namentlich die philosophische Facultät das ent¬<lb/> hält, was man in den übrigen nicht unterzubringen gewußt hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Die Versammlung wandte sich zu den Honoraren. Es kam Nichts heraus,<lb/> als daß sie bleiben sollten. Der einzige Gesichtspunkt, der hervorgehol'en wurde,<lb/> die Subsistenz der Privatdocenten, ist gewiß nicht der wesentliche. Der Beschluß,<lb/> im Interesse der Gleichmäßigkeit die niedrigen Honorare zu erhöhen, ist, so ohne<lb/> Prinzip der Honorarerhebung Hingestellt, nicht ausführbar und wird vielleicht<lb/> überflüssiger Weise böses Blut macheu. Mar chaud aus Halle erklärte mit Andern<lb/> seinen Dissens. Kaum der Mühe werth!</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Am zweiten Tage discutirte man über die sogenannte Lernfreiheit. Man<lb/> sprach gegen die Bevorzugung der Landesuniversitäten und mit vielem überflüssigen<lb/> Pathos sogar gegen die Bevorzugung der deutschen Universitäten. ES handelte<lb/> sich gar nicht gegen eine Abwehr des Besuchs außerdeutscher Lehranstalten, son¬<lb/> dern ob dieser Besuch dieselben Rechte gewähren könne, wie der deutscher Uni¬<lb/> versitäten. Mit Recht wurde bemerkt, daß die außerdeutschen s. g. Universitäten,<lb/> z. B. die amerikanischen, diesen? Begriff gar nicht entsprechen. Aber man verwech¬<lb/> selte das immerfort. Und nun brachte Jeder ein Stück glorreicher Erinnerungen<lb/> aus Holland, ans London, ans Paris. Die Confusion siegte. Daß es reine<lb/> Eonfusion gewesen, zeigte gleich der folgende Beschluß. Es fragte sich um die<lb/> Anstellnngsfähigkeit der Autodidakten. Nun erblickte man darin keine Aufhebung</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 2*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019]
man denken, daß dieser Unsinn eine starke Minorität erhielt! Neunzehn davon
gaben sogar ihren Dissens zu Protokoll. Herr seelig aus Göttingen war der
Vorkämpfer. Bei dem Gerede von unbedingter Lehrfreiheit denkt man nicht daran,
daß so etwas einführen Nichts weiter heißt, als die Universitäten aufheben. Es
läßt sich Nichts dagegen einwenden, daß, wer will, sich von einem beliebigen
Pfuscher, Quacksalber, Sophisten, peripatetischeu Philosophen abrichten lassen darf.
Man muß auch die so Vorbereiteten bei den Prüfungen zulassen. Aber es muß
auch garantirte und zwar vom Staate garantirte Anstalten geben, deren Lehrer
documentirt haben, daß sie auf der wissenschaftlichen Höhe der Zeit stehen und die
Fähigkeit haben, dem Fortschritt der Wissenschaft zu folgen. Herr seelig meinte,
wessen Vorlesungen Nichts taugte«, der behalte keine Zuhörer. Das paßt erstens
nicht auf alle Fälle und dann ist es bei dem jetzigen festen Organismus der
Universitäten freilich leichter, die bloße Seichtigkeit und Anmaßung zu unterschei¬
den. Wenn aber dieser Organismus nicht mehr geschützt ist, so wird er bald
zur Niederlage für alle möglichen Jndustrieritter werden und dann aus einander
gehen.
Man beschloß, daß jeder Docent außer dem Fach, für welches er habilitirt,
über die verwandten Gegenstände lesen dürfe. Die Verwandtschaft soll in streitigen
Fällen von den betreffenden Facultäten festgestellt werden. Damit hat man freilich
gar kein Prinzip. Dies ist aber nicht zu gewinnen, so lange nicht die Facultäten
richtig eingetheilt sind, so lange namentlich die philosophische Facultät das ent¬
hält, was man in den übrigen nicht unterzubringen gewußt hat.
Die Versammlung wandte sich zu den Honoraren. Es kam Nichts heraus,
als daß sie bleiben sollten. Der einzige Gesichtspunkt, der hervorgehol'en wurde,
die Subsistenz der Privatdocenten, ist gewiß nicht der wesentliche. Der Beschluß,
im Interesse der Gleichmäßigkeit die niedrigen Honorare zu erhöhen, ist, so ohne
Prinzip der Honorarerhebung Hingestellt, nicht ausführbar und wird vielleicht
überflüssiger Weise böses Blut macheu. Mar chaud aus Halle erklärte mit Andern
seinen Dissens. Kaum der Mühe werth!
Am zweiten Tage discutirte man über die sogenannte Lernfreiheit. Man
sprach gegen die Bevorzugung der Landesuniversitäten und mit vielem überflüssigen
Pathos sogar gegen die Bevorzugung der deutschen Universitäten. ES handelte
sich gar nicht gegen eine Abwehr des Besuchs außerdeutscher Lehranstalten, son¬
dern ob dieser Besuch dieselben Rechte gewähren könne, wie der deutscher Uni¬
versitäten. Mit Recht wurde bemerkt, daß die außerdeutschen s. g. Universitäten,
z. B. die amerikanischen, diesen? Begriff gar nicht entsprechen. Aber man verwech¬
selte das immerfort. Und nun brachte Jeder ein Stück glorreicher Erinnerungen
aus Holland, ans London, ans Paris. Die Confusion siegte. Daß es reine
Eonfusion gewesen, zeigte gleich der folgende Beschluß. Es fragte sich um die
Anstellnngsfähigkeit der Autodidakten. Nun erblickte man darin keine Aufhebung
2*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |