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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Wortes zu Thaten entzündet, während Wien einen heldenmüthigen, aber beinahe
verzweifelten Kampf wagt, -- summt wieder der polnische Edelmann halblaut,
zwischen den Zähnen sein altes Lied: "Noch ist Polen nicht verloren!" --

Dies sind die Nachklänge der Wiener Oktoberrevolution in den Provinzen,
soweit sie sich bisher vernehmen ließen. Sie bilden einen langen faktischen Be¬
weis, daß -- Wien nicht Oestreich ist. Schon mehrmals wurde dieser Beweis
auf thatsächlichem Boden geführt; aber diesmal wohl auf die schlagendste, unwi¬
derlegbarste Weise. Mit dem Blute der Oktoberrevolution ward neuerdings der
Scheidebrief der östreichischen Völkerstämme geschrieben. Es ist jetzt der Zeitpunkt
gekommen, wo den Völkern von Oestreich durch ihre gegenseitige Entfremdung
selbst diejenige Staatsform zum lebendigen Bewußtsein werden muß, durch die
sie einzig und allein wieder zusammengeführt und vereinigt werden können -- näm¬
lich die Form der Föderation. Nur in dieser Form kann der Grundsatz der
Gleichberechtigung aller Nationalitäten realisirt werden; in einem Föderativstaate
allein können die Völker Oestreichs von ihren unausgesetzten nationellen Reibun¬
gen endlich ansuchen und die freien Errungenschaften der Neuzeit genießen. Aber
das bisherige, unförmige Oestreich muß einen gewaltigen Zersetzungsproceß erlei¬
den, ehe die neue organische Form des Gesammtstaates aus dem Chaos empor¬
steigt. Nicht auf einem Fricdenscongresse können sich mehr, nach der cosmopoli-
tischen aber unlebendigen Idee Borrosch's -- die Völker Oestreichs über die Art
ihres künstigen politischen Zusammenlebens mit einander verständigen; sie müssen
sich selbst und der mächtig gerüsteten Reaction gegenüber in einem entscheidenden
Kampfe diese letzte Form ihrer staatlichen Existenz erringen. Ein Volk nach dem
andern wird den Kampf mit der Reaction, die gern die Zwietracht der Völker
ausbeuten möchte, bestehen müssen; die Slaven werden in Kurzem ihr unsittliches
Scheinbündniß mit derselben ausgeben und mehr Ehrlichkeit und Offenheit in ihre
Politik bringen müssen. Nur so lange es sich um die Hintertreibung der ihren
nationalen Interessen zuwiderlaufenden, deutsch-magyarischen Zweiherrschaft handelt,
können sie an der dynastischen, durch die Heeresmacht repräsentirten Idee von
Oestreichs Einheit festhalten; sobald aber jene überwunden sein wird, dann wird
der leitende Gedanke der slavischen Politik, die föderalistische Wiedergeburt Oest¬
reichs, nur unter harten Kämpfen verwirklicht werden können. Die Monarchie
wird aus der versuchten Trennung in ein deutsch-magyarisches Doppelreich ^-
durch die, auf dein Wege militärischer Eroberung gewonnene Durchgangsform
altöstreichischer Einheit uuter gewaltigen Erschütterungen hindnrchgeführt werden
müssen, um endlich bei der demokratischen, auf föderalistisch-polyarchischer Grund¬
lage ruhenden Monarchie anlangen zu können. --

Die Schlachtfelder von Ungarn sowohl, als auch die Reitschule in Wien
sind bisher ein Schauplatz von Völkerkämpfen gewesen, indem sich die Deut¬
schen und Slaven auf dem Wiener Reichstage in parlamentarischen Schlachten,


Wortes zu Thaten entzündet, während Wien einen heldenmüthigen, aber beinahe
verzweifelten Kampf wagt, — summt wieder der polnische Edelmann halblaut,
zwischen den Zähnen sein altes Lied: „Noch ist Polen nicht verloren!" —

Dies sind die Nachklänge der Wiener Oktoberrevolution in den Provinzen,
soweit sie sich bisher vernehmen ließen. Sie bilden einen langen faktischen Be¬
weis, daß — Wien nicht Oestreich ist. Schon mehrmals wurde dieser Beweis
auf thatsächlichem Boden geführt; aber diesmal wohl auf die schlagendste, unwi¬
derlegbarste Weise. Mit dem Blute der Oktoberrevolution ward neuerdings der
Scheidebrief der östreichischen Völkerstämme geschrieben. Es ist jetzt der Zeitpunkt
gekommen, wo den Völkern von Oestreich durch ihre gegenseitige Entfremdung
selbst diejenige Staatsform zum lebendigen Bewußtsein werden muß, durch die
sie einzig und allein wieder zusammengeführt und vereinigt werden können — näm¬
lich die Form der Föderation. Nur in dieser Form kann der Grundsatz der
Gleichberechtigung aller Nationalitäten realisirt werden; in einem Föderativstaate
allein können die Völker Oestreichs von ihren unausgesetzten nationellen Reibun¬
gen endlich ansuchen und die freien Errungenschaften der Neuzeit genießen. Aber
das bisherige, unförmige Oestreich muß einen gewaltigen Zersetzungsproceß erlei¬
den, ehe die neue organische Form des Gesammtstaates aus dem Chaos empor¬
steigt. Nicht auf einem Fricdenscongresse können sich mehr, nach der cosmopoli-
tischen aber unlebendigen Idee Borrosch's — die Völker Oestreichs über die Art
ihres künstigen politischen Zusammenlebens mit einander verständigen; sie müssen
sich selbst und der mächtig gerüsteten Reaction gegenüber in einem entscheidenden
Kampfe diese letzte Form ihrer staatlichen Existenz erringen. Ein Volk nach dem
andern wird den Kampf mit der Reaction, die gern die Zwietracht der Völker
ausbeuten möchte, bestehen müssen; die Slaven werden in Kurzem ihr unsittliches
Scheinbündniß mit derselben ausgeben und mehr Ehrlichkeit und Offenheit in ihre
Politik bringen müssen. Nur so lange es sich um die Hintertreibung der ihren
nationalen Interessen zuwiderlaufenden, deutsch-magyarischen Zweiherrschaft handelt,
können sie an der dynastischen, durch die Heeresmacht repräsentirten Idee von
Oestreichs Einheit festhalten; sobald aber jene überwunden sein wird, dann wird
der leitende Gedanke der slavischen Politik, die föderalistische Wiedergeburt Oest¬
reichs, nur unter harten Kämpfen verwirklicht werden können. Die Monarchie
wird aus der versuchten Trennung in ein deutsch-magyarisches Doppelreich ^-
durch die, auf dein Wege militärischer Eroberung gewonnene Durchgangsform
altöstreichischer Einheit uuter gewaltigen Erschütterungen hindnrchgeführt werden
müssen, um endlich bei der demokratischen, auf föderalistisch-polyarchischer Grund¬
lage ruhenden Monarchie anlangen zu können. —

Die Schlachtfelder von Ungarn sowohl, als auch die Reitschule in Wien
sind bisher ein Schauplatz von Völkerkämpfen gewesen, indem sich die Deut¬
schen und Slaven auf dem Wiener Reichstage in parlamentarischen Schlachten,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/186>, abgerufen am 25.12.2024.