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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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die Leidenschaft, denn diese überhebt sie verständiger Ueberlegung. Ihre jüngsten
Versuche in der deutschen Sache stellen es ans Licht.

Gleich im Beginn der Revolution wurde "Vertretung des Volks beim Bun¬
destag" Parole deö deutschen Liberalismus. Auch in Leipzig hatte die erste Pe¬
tition diesen Inhalt. Da der Vorschlag von Bassermann und ähnlichen "Pferden"
ausging, war er Ihnen verdächtig und Sie suchten ihn unsern Bierbankpolitikern
auszureden. Wir unterstützten Sie, so gut es ging, natürlich ohne Erfolg, denn
die Phrase hat immer das Uebergewicht. Damals waren Sie der Ansicht, die
Revolution würde in den deutschen Staaten zunächst die Wahrheit des constitutio-
nellen Systems zur Folge haben, und die freigcwvrdnen Staaten würden alsdann
über eine nähere Vereinigung in Vertrag treten. Namentlich den Anschluß Oest¬
reichs hielten Sie damals für ebenso unausführbar als für verderblich, wenn man
auf ihn einginge. Für den Fall, daß Preußen sich der Bewegung entzöge, wa¬
ren Sie für einen Rheinbund; wir gaben Ihnen damals ein anderes Stichwort:
Anschluß an die Eidgenossenschaft. Wir waren damals völlig einer Meinung, es
käme gar nicht darauf an, wie groß der neu zu errichtende freie Staat wäre,
sondern wie frei in seinen Institutionen und leicht zu handhaben. Die gemeinsamen
Geschäfte der bis dahin föderirten Staaten hätten immerhin vorläufig durch einen
neuen Bundestag, d. h. durch die Abgeordneten der demokratisch reorganisirteu
Staaten geführt werden können, bis der Entwicklungsproceß soweit gediehen war,
daß die einzelnen Ständeversammlungen durch ihre Vertreter ein allgemeines Par¬
lament constituirten.

Es kam der 14. und der .1.8. März; die Revolution hatte auch in
Preußen gesiegt; von einem Ausschluß Preußens war uicht mehr die Rede. Die
Ereignisse folgten dem Gesetz der Gravitation, das Vorparlament trat zusammen --
eigentlich nichts weiter als ein Congreß "gesinnungstüchtiger" Liberalen, aber die
Regierungen nahmen unter den obwaltenden Umständen Notiz davon. Damals wur¬
den Sie irre in ihren Ansichten; cousequenter Weise hätten Sie den ganzen Ver¬
such, aus diese rohe Art ein bestehendes Staatensystem zusammenzuschütten und
ein neues aufzurichten, verwerfen müssen; Sie waren auch im ganzen unzufrieden,
aber sie erklärten sich mit der allcrrvhsten Fraction jenes Congresses, mit der
Hecker'schen Partei einverstanden. Der Name trug wieder den Sieg davon. Wenn
morgen der Kaiser von Rußland mit seinen Kosaken in Deutschland eindringt und
den Namen Republik aus seinen Fahnen trägt, werden Sie ihm zufallen. Aus
den Weg kommt es Ihnen nicht an, und auf die Beschaffenheit dessen, was
man Republik nennt, eben so wenig. Republik ist ein so vielseitiger Begriff als
Staat überhaupt; eine Republik Robespierre, Lamartine oder Eavaignae ist keine
bestimmte Staatsform, sondern nur ein Uebergang zum Absolutismus oder
-zu irgend einem Vermittelungssystem. Zur wirklichen Republik gehört eine durch


die Leidenschaft, denn diese überhebt sie verständiger Ueberlegung. Ihre jüngsten
Versuche in der deutschen Sache stellen es ans Licht.

Gleich im Beginn der Revolution wurde „Vertretung des Volks beim Bun¬
destag" Parole deö deutschen Liberalismus. Auch in Leipzig hatte die erste Pe¬
tition diesen Inhalt. Da der Vorschlag von Bassermann und ähnlichen „Pferden"
ausging, war er Ihnen verdächtig und Sie suchten ihn unsern Bierbankpolitikern
auszureden. Wir unterstützten Sie, so gut es ging, natürlich ohne Erfolg, denn
die Phrase hat immer das Uebergewicht. Damals waren Sie der Ansicht, die
Revolution würde in den deutschen Staaten zunächst die Wahrheit des constitutio-
nellen Systems zur Folge haben, und die freigcwvrdnen Staaten würden alsdann
über eine nähere Vereinigung in Vertrag treten. Namentlich den Anschluß Oest¬
reichs hielten Sie damals für ebenso unausführbar als für verderblich, wenn man
auf ihn einginge. Für den Fall, daß Preußen sich der Bewegung entzöge, wa¬
ren Sie für einen Rheinbund; wir gaben Ihnen damals ein anderes Stichwort:
Anschluß an die Eidgenossenschaft. Wir waren damals völlig einer Meinung, es
käme gar nicht darauf an, wie groß der neu zu errichtende freie Staat wäre,
sondern wie frei in seinen Institutionen und leicht zu handhaben. Die gemeinsamen
Geschäfte der bis dahin föderirten Staaten hätten immerhin vorläufig durch einen
neuen Bundestag, d. h. durch die Abgeordneten der demokratisch reorganisirteu
Staaten geführt werden können, bis der Entwicklungsproceß soweit gediehen war,
daß die einzelnen Ständeversammlungen durch ihre Vertreter ein allgemeines Par¬
lament constituirten.

Es kam der 14. und der .1.8. März; die Revolution hatte auch in
Preußen gesiegt; von einem Ausschluß Preußens war uicht mehr die Rede. Die
Ereignisse folgten dem Gesetz der Gravitation, das Vorparlament trat zusammen —
eigentlich nichts weiter als ein Congreß „gesinnungstüchtiger" Liberalen, aber die
Regierungen nahmen unter den obwaltenden Umständen Notiz davon. Damals wur¬
den Sie irre in ihren Ansichten; cousequenter Weise hätten Sie den ganzen Ver¬
such, aus diese rohe Art ein bestehendes Staatensystem zusammenzuschütten und
ein neues aufzurichten, verwerfen müssen; Sie waren auch im ganzen unzufrieden,
aber sie erklärten sich mit der allcrrvhsten Fraction jenes Congresses, mit der
Hecker'schen Partei einverstanden. Der Name trug wieder den Sieg davon. Wenn
morgen der Kaiser von Rußland mit seinen Kosaken in Deutschland eindringt und
den Namen Republik aus seinen Fahnen trägt, werden Sie ihm zufallen. Aus
den Weg kommt es Ihnen nicht an, und auf die Beschaffenheit dessen, was
man Republik nennt, eben so wenig. Republik ist ein so vielseitiger Begriff als
Staat überhaupt; eine Republik Robespierre, Lamartine oder Eavaignae ist keine
bestimmte Staatsform, sondern nur ein Uebergang zum Absolutismus oder
-zu irgend einem Vermittelungssystem. Zur wirklichen Republik gehört eine durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/166>, abgerufen am 22.07.2024.