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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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der Presse, Geschwornen, Autonomie der Gemeinden; 2) sie sollen den Metter-
nich'schen Militärdespotismus aufheben und alle fremden Truppen aus Italien
ziehn; 3) sie sollen euch für alle innern Angelegenheiten eine freie Selbstregierung
gestatten, für die allgemeinen Fragen Vertretung auf dein Wiener Reichstag.
Dafür habt ihr ihnen Garantie zu leisten, daß die bisherigen Schuld-, Abgaben-
nnd Zollverhältnisse nur durch einen gesetzlich geordneten Vertrag aufgehoben wer¬
den dürfen, weil sonst die Gefahr des allgemeinen Banquerouts Oestreich zwingt,
euch Gewalt anzuthun. -- Wenn sich die Italiener mit diesen Forderungen an
das neue Oestreich gewendet hätten, so wären sie ihnen gewährt. Statt dessen
machten sie einen heimtückischen Anfall auf die Truppen, die an sich nichts ver¬
schuldet haben, die ein blindes Werkzeug gewesen waren; sie riefen das Schwert
Italiens zu Hilft und wurden endlich geschlagen. ..... Sie, mein verehrter Herr
Philosoph, haben sich damit begnügt, Ihre Wünsche für die Niederlage Radetz-
ky's auszusprechen. Mit Wünschen "redigirt man aber nicht die Vernunft der
Ereignisse," eben so wenig wie die, nach Ihrem Vorschlag "mit Ideen geladenen
Kanonen" der Freiheit den Sieg verschaffen werden. Warum wurden Sie hier
plötzlich national? Weil die Italiener sich empörten; Empörung ist aber in
Ihrem abstrakten Katechismus gleichbedeutend mit Freiheit. Sie sind ein einge¬
fleischter Nomantikus, Sie kleben an Symbolen: Kartätschen sind Ihnen das Sym¬
bol der Tyrannei, Barrikaden das Symbol der Freiheit, und wenn das nichtsnutzige
Berliner Gesinde! in brutaler Wuth die Dampfmaschinen zerstört, so wird diese
"rohe Methode" in Ihren Augen vollständig legitimirt durch die nachträgliche
Errichtung von Barrikaden; die Phrase hat dann ihr Recht beHallen.

Ich gehe weiter nach Oestreich. Mit den Italienern erhoben sich auch die
Magyaren, die Deutschen, die Czechen, die übrigen Slaven. In dieser Bewe¬
gung mischte sich der Haß gegen das alte absolutistische Regiment des Gesammt-
staats und die natürliche nationale Sympathie mit romantischen Doctrinen. Die
Kritik hat die Aufgabe, diese Momente streng auseinander zu halten; Sie ha¬
ben aber namentlich die beiden letzter" fortwährend durch einander gewirrt.
Wenn z. B. die Deutschen in Siebenbürgen jeden Eingriff in ihre nationale In¬
tegrität mit Entschiedenheit zurückwiesen, so waren sie darin in ihrem vollen Recht,
denn an diese Nationalität knüpfte sich die unabhängige Entwickelung ihrer poli¬
tischen und socialen Institutionen. Wenn dagegen die Swornvster die Geister
der alten Libnssa und der blutigen Hussiten aus den Gräbern heraufbeschworen,
um das alte Königreich Böhmen wieder herzustellen; wenn sie gar mit weitgetrie¬
bener künstlicher Reflexion aus die grammatische Wurzel ihres Stammes zurück- >
gingen, und der Grammatik zu Liebe sich mit Träumen eines panslavistischen Welt¬
reichs trugen, so konnte eine solche Romantik zwar der liebenswürdigen Dichterin
der Consuelo zusagen und der übrigen Phantastcncliqne in Paris, die Sie Ihre
Partei nennen, aber für Sie nüchternen Symboliker mußte ein weiterer Umstand


der Presse, Geschwornen, Autonomie der Gemeinden; 2) sie sollen den Metter-
nich'schen Militärdespotismus aufheben und alle fremden Truppen aus Italien
ziehn; 3) sie sollen euch für alle innern Angelegenheiten eine freie Selbstregierung
gestatten, für die allgemeinen Fragen Vertretung auf dein Wiener Reichstag.
Dafür habt ihr ihnen Garantie zu leisten, daß die bisherigen Schuld-, Abgaben-
nnd Zollverhältnisse nur durch einen gesetzlich geordneten Vertrag aufgehoben wer¬
den dürfen, weil sonst die Gefahr des allgemeinen Banquerouts Oestreich zwingt,
euch Gewalt anzuthun. — Wenn sich die Italiener mit diesen Forderungen an
das neue Oestreich gewendet hätten, so wären sie ihnen gewährt. Statt dessen
machten sie einen heimtückischen Anfall auf die Truppen, die an sich nichts ver¬
schuldet haben, die ein blindes Werkzeug gewesen waren; sie riefen das Schwert
Italiens zu Hilft und wurden endlich geschlagen. ..... Sie, mein verehrter Herr
Philosoph, haben sich damit begnügt, Ihre Wünsche für die Niederlage Radetz-
ky's auszusprechen. Mit Wünschen „redigirt man aber nicht die Vernunft der
Ereignisse," eben so wenig wie die, nach Ihrem Vorschlag „mit Ideen geladenen
Kanonen" der Freiheit den Sieg verschaffen werden. Warum wurden Sie hier
plötzlich national? Weil die Italiener sich empörten; Empörung ist aber in
Ihrem abstrakten Katechismus gleichbedeutend mit Freiheit. Sie sind ein einge¬
fleischter Nomantikus, Sie kleben an Symbolen: Kartätschen sind Ihnen das Sym¬
bol der Tyrannei, Barrikaden das Symbol der Freiheit, und wenn das nichtsnutzige
Berliner Gesinde! in brutaler Wuth die Dampfmaschinen zerstört, so wird diese
„rohe Methode" in Ihren Augen vollständig legitimirt durch die nachträgliche
Errichtung von Barrikaden; die Phrase hat dann ihr Recht beHallen.

Ich gehe weiter nach Oestreich. Mit den Italienern erhoben sich auch die
Magyaren, die Deutschen, die Czechen, die übrigen Slaven. In dieser Bewe¬
gung mischte sich der Haß gegen das alte absolutistische Regiment des Gesammt-
staats und die natürliche nationale Sympathie mit romantischen Doctrinen. Die
Kritik hat die Aufgabe, diese Momente streng auseinander zu halten; Sie ha¬
ben aber namentlich die beiden letzter» fortwährend durch einander gewirrt.
Wenn z. B. die Deutschen in Siebenbürgen jeden Eingriff in ihre nationale In¬
tegrität mit Entschiedenheit zurückwiesen, so waren sie darin in ihrem vollen Recht,
denn an diese Nationalität knüpfte sich die unabhängige Entwickelung ihrer poli¬
tischen und socialen Institutionen. Wenn dagegen die Swornvster die Geister
der alten Libnssa und der blutigen Hussiten aus den Gräbern heraufbeschworen,
um das alte Königreich Böhmen wieder herzustellen; wenn sie gar mit weitgetrie¬
bener künstlicher Reflexion aus die grammatische Wurzel ihres Stammes zurück- >
gingen, und der Grammatik zu Liebe sich mit Träumen eines panslavistischen Welt¬
reichs trugen, so konnte eine solche Romantik zwar der liebenswürdigen Dichterin
der Consuelo zusagen und der übrigen Phantastcncliqne in Paris, die Sie Ihre
Partei nennen, aber für Sie nüchternen Symboliker mußte ein weiterer Umstand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/162>, abgerufen am 29.06.2024.