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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Ruhe der Bürgerschaft nicht mehr so spielen, wie seine Vorgänger. Wenn unter
deren Regime Abends die Wachen nicht vollzählig waren, dann ließen sie Sturm
läuten, Allarm schlagen, und wenn, was Waffen tragen konnte, erschreckt zu den
Sammelplätzen geeilt war, griff man die nöthigen Wachmannschaften heraus und
schickte die Andern nach Hause. An die maßlose Angst von tausend Weibern und
Kindern, die das Heulen der Sturmglocke in die Keller der Häuser trieb, wo sie
bebend in jedem Augenblick das Platzen einer Bombe erwarteten, dachte Keiner
der Herren, welche jenes naive Mittel erfunden hatten. Mit Allarmschlagen ist
man überhaupt sehr verschwenderisch gewesen. Ewig denkt mir die Nacht vom
10. ans den 11; kaum eingeschlummert, erweckte mich plötzlich der Ruf: "die
Kroaten! Zu den Waffen!" Und ehe ich noch recht wußte, wie mir geschehe",
hatte ich eine Muskete in der Hand und stand auf der Burgbastei neben einer
Kanone, deren Lauf im hellen Mondenlicht wie Silber glänzte. Die Kroaten
kamen nicht, und es war gut, daß sie nicht kamen, denn in jener Nacht hatte jede
Kanone nur sieben Schuß, jeder Garde im Durchschnitt höchstens eben so viele
Patronen an Munition.

Wer hatte früher jemals vou einem Baums reden gehört? Wenn ja irgend
ein verbohrter Geograph diesen Titel im Laufe eiues Decenniums einmal aus-
sprach, so dachte man dabei sicherlich an so eine Art Tartarchan oder dergleichen,
und es fiel keinem Menschen ein, daran zu denken, daß in unseren aufgeklärten
Zeiten ein solch' barbarischer Würdenträger noch einmal im Munde Aller sein, das
Geschick eines mächtigen Staates lenken werde. Jellachich mit seinen Horden war
der Popanz der Wiener geworden, mit dem sie ihre schreienden Kinder stillten,
und: ,I:in"8 "meo poros!" brachte die gesammte Stadt auf die Beine. Der
Reichstag hatte zwar offiziell bekannt gemacht, die Kroaten seien schwach an Zahl,
ganz erschöpft, von den Ungarn geschlagen und zersprengt, aber Niemand glaubte
das. Im Gegentheil, es stellte sich gar bald heraus, daß sie ein sehr bedeutendes
Corps bildeten, unter welchem besonders die Sereczancr, die aus dem siebenjäh-
rigen Kriege in ganz Deutschland bekannten und gefurchtsten Rothmäntel, eine
vortreffliche Bewaffnung und Haltung zeigten. Die Mehrzahl der übrigen kroati¬
schen Armee sah freilich aus, wie die slovakischeu Rastelbinder, die so häufig unsere
Märkte besuchen, hatte keine Schuhe und verachtete den Luxus eines Hemdes,
trug auch großentheils nur zwei übermäßig lange Messer in den Hosen als einzige
Waffen -- aber der moralische Eindruck, den schon ihr Name hervorbrachte, bei
welchem man an Mord, Brand und Plünderung dachte, machte sie gefährlich.
Im Uebrigen waren diese Halbeuropäer ganz gemüthliche, treuherzige Bursche; es
war ihnen befohlen, uicht zu plündern, sondern Alles baar zu bezahlen , und so
holten sie denn den Vorstädtern ans! den Häuser", was nicht niet- und nagelfest
war, legten aber jedesmal dafür Zweiguldenscheine auf den Tisch, manchmal in
der Zerstreuung auch blos einen Fetzen schmutziges Papier von gleicher Größe.


Ruhe der Bürgerschaft nicht mehr so spielen, wie seine Vorgänger. Wenn unter
deren Regime Abends die Wachen nicht vollzählig waren, dann ließen sie Sturm
läuten, Allarm schlagen, und wenn, was Waffen tragen konnte, erschreckt zu den
Sammelplätzen geeilt war, griff man die nöthigen Wachmannschaften heraus und
schickte die Andern nach Hause. An die maßlose Angst von tausend Weibern und
Kindern, die das Heulen der Sturmglocke in die Keller der Häuser trieb, wo sie
bebend in jedem Augenblick das Platzen einer Bombe erwarteten, dachte Keiner
der Herren, welche jenes naive Mittel erfunden hatten. Mit Allarmschlagen ist
man überhaupt sehr verschwenderisch gewesen. Ewig denkt mir die Nacht vom
10. ans den 11; kaum eingeschlummert, erweckte mich plötzlich der Ruf: „die
Kroaten! Zu den Waffen!" Und ehe ich noch recht wußte, wie mir geschehe«,
hatte ich eine Muskete in der Hand und stand auf der Burgbastei neben einer
Kanone, deren Lauf im hellen Mondenlicht wie Silber glänzte. Die Kroaten
kamen nicht, und es war gut, daß sie nicht kamen, denn in jener Nacht hatte jede
Kanone nur sieben Schuß, jeder Garde im Durchschnitt höchstens eben so viele
Patronen an Munition.

Wer hatte früher jemals vou einem Baums reden gehört? Wenn ja irgend
ein verbohrter Geograph diesen Titel im Laufe eiues Decenniums einmal aus-
sprach, so dachte man dabei sicherlich an so eine Art Tartarchan oder dergleichen,
und es fiel keinem Menschen ein, daran zu denken, daß in unseren aufgeklärten
Zeiten ein solch' barbarischer Würdenträger noch einmal im Munde Aller sein, das
Geschick eines mächtigen Staates lenken werde. Jellachich mit seinen Horden war
der Popanz der Wiener geworden, mit dem sie ihre schreienden Kinder stillten,
und: ,I:in»8 »meo poros!" brachte die gesammte Stadt auf die Beine. Der
Reichstag hatte zwar offiziell bekannt gemacht, die Kroaten seien schwach an Zahl,
ganz erschöpft, von den Ungarn geschlagen und zersprengt, aber Niemand glaubte
das. Im Gegentheil, es stellte sich gar bald heraus, daß sie ein sehr bedeutendes
Corps bildeten, unter welchem besonders die Sereczancr, die aus dem siebenjäh-
rigen Kriege in ganz Deutschland bekannten und gefurchtsten Rothmäntel, eine
vortreffliche Bewaffnung und Haltung zeigten. Die Mehrzahl der übrigen kroati¬
schen Armee sah freilich aus, wie die slovakischeu Rastelbinder, die so häufig unsere
Märkte besuchen, hatte keine Schuhe und verachtete den Luxus eines Hemdes,
trug auch großentheils nur zwei übermäßig lange Messer in den Hosen als einzige
Waffen — aber der moralische Eindruck, den schon ihr Name hervorbrachte, bei
welchem man an Mord, Brand und Plünderung dachte, machte sie gefährlich.
Im Uebrigen waren diese Halbeuropäer ganz gemüthliche, treuherzige Bursche; es
war ihnen befohlen, uicht zu plündern, sondern Alles baar zu bezahlen , und so
holten sie denn den Vorstädtern ans! den Häuser», was nicht niet- und nagelfest
war, legten aber jedesmal dafür Zweiguldenscheine auf den Tisch, manchmal in
der Zerstreuung auch blos einen Fetzen schmutziges Papier von gleicher Größe.


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[0149] Ruhe der Bürgerschaft nicht mehr so spielen, wie seine Vorgänger. Wenn unter deren Regime Abends die Wachen nicht vollzählig waren, dann ließen sie Sturm läuten, Allarm schlagen, und wenn, was Waffen tragen konnte, erschreckt zu den Sammelplätzen geeilt war, griff man die nöthigen Wachmannschaften heraus und schickte die Andern nach Hause. An die maßlose Angst von tausend Weibern und Kindern, die das Heulen der Sturmglocke in die Keller der Häuser trieb, wo sie bebend in jedem Augenblick das Platzen einer Bombe erwarteten, dachte Keiner der Herren, welche jenes naive Mittel erfunden hatten. Mit Allarmschlagen ist man überhaupt sehr verschwenderisch gewesen. Ewig denkt mir die Nacht vom 10. ans den 11; kaum eingeschlummert, erweckte mich plötzlich der Ruf: „die Kroaten! Zu den Waffen!" Und ehe ich noch recht wußte, wie mir geschehe«, hatte ich eine Muskete in der Hand und stand auf der Burgbastei neben einer Kanone, deren Lauf im hellen Mondenlicht wie Silber glänzte. Die Kroaten kamen nicht, und es war gut, daß sie nicht kamen, denn in jener Nacht hatte jede Kanone nur sieben Schuß, jeder Garde im Durchschnitt höchstens eben so viele Patronen an Munition. Wer hatte früher jemals vou einem Baums reden gehört? Wenn ja irgend ein verbohrter Geograph diesen Titel im Laufe eiues Decenniums einmal aus- sprach, so dachte man dabei sicherlich an so eine Art Tartarchan oder dergleichen, und es fiel keinem Menschen ein, daran zu denken, daß in unseren aufgeklärten Zeiten ein solch' barbarischer Würdenträger noch einmal im Munde Aller sein, das Geschick eines mächtigen Staates lenken werde. Jellachich mit seinen Horden war der Popanz der Wiener geworden, mit dem sie ihre schreienden Kinder stillten, und: ,I:in»8 »meo poros!" brachte die gesammte Stadt auf die Beine. Der Reichstag hatte zwar offiziell bekannt gemacht, die Kroaten seien schwach an Zahl, ganz erschöpft, von den Ungarn geschlagen und zersprengt, aber Niemand glaubte das. Im Gegentheil, es stellte sich gar bald heraus, daß sie ein sehr bedeutendes Corps bildeten, unter welchem besonders die Sereczancr, die aus dem siebenjäh- rigen Kriege in ganz Deutschland bekannten und gefurchtsten Rothmäntel, eine vortreffliche Bewaffnung und Haltung zeigten. Die Mehrzahl der übrigen kroati¬ schen Armee sah freilich aus, wie die slovakischeu Rastelbinder, die so häufig unsere Märkte besuchen, hatte keine Schuhe und verachtete den Luxus eines Hemdes, trug auch großentheils nur zwei übermäßig lange Messer in den Hosen als einzige Waffen — aber der moralische Eindruck, den schon ihr Name hervorbrachte, bei welchem man an Mord, Brand und Plünderung dachte, machte sie gefährlich. Im Uebrigen waren diese Halbeuropäer ganz gemüthliche, treuherzige Bursche; es war ihnen befohlen, uicht zu plündern, sondern Alles baar zu bezahlen , und so holten sie denn den Vorstädtern ans! den Häuser», was nicht niet- und nagelfest war, legten aber jedesmal dafür Zweiguldenscheine auf den Tisch, manchmal in der Zerstreuung auch blos einen Fetzen schmutziges Papier von gleicher Größe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/149>, abgerufen am 12.12.2024.