Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schon einmal mit rothem Blut dasselbe geschrieben. Hinweg mit der dreifarbigen
Kokarde, sie ist eine Lüge geworden, denn sie bringt uns nicht mehr Vereinung
mit Deutschland, sondern Vernichtung für uns und Deutschland.

Da haben wir aber andere Farben. Alte, ehrwürdige Farben. Seht hier
die große battistue Halsbinde; ihr Besitzer saß in der Kanzlei unter Metternich,
saß unter Pillersdorf, sitzt unter Dobblhvf, wird sitzen unter Stadion, Löhner oder
wie sonst unsere nächste Zukunft heißt. Hier der starke Herr mit der kleinen Glatze,
er trägt den Hut in der Hand und blinzt wohlwollend auf die Fratschlerin; still,
lacht nicht, er ist Hausbesitzer und sein Hans hat viele Fensterscheiben, in welche viele
Steine fliegen können; eS ist eine Lüge, daß er schwarz gelb ist, was kann er
dafür, daß seine gelben Pantoffeln schwarzes Futter haben, und über die steckt er sie
noch jeden Abend tief unters Bett. Und wieder hier den schmalen Mann im schwar¬
zen Rock mit eiligem Schritt, kurzem Haar und niedergeschlagenen Angen, er ist
Geistlicher, halb Haushofmeister und hat einen Abscheu vor Blutvergießen und
kleinen verrätherischen Schooßhunden im Boudoir seiner Geliebten. Was zahl'
ich sie einzeln ans, ihre Zahl ist Legion, alle Motten, die je auf einem Aktenstoß
saßen, alle Hornisse, die je ein Offizierpferd stachen, sind scheußlich schwarzgelb.
Wenn jede Parteifarbe zu einem weiten Mantel wird, hinter dem der Einzelne
die widersprechendsten Forderungen und Wünsche verhüllt, so daß jede Partei durch
die verschiedenartigen Tendenzen ihrer Genossen auf das Wunderlichste verwirrt
und bestimmt wird, von unserer schwarzgelben Partei gilt das mehr, als von
jeder andern. Und wer unter diesen Farben nichts verdeckt, als Liebe und An¬
hänglichkeit an unser Vaterland, ja auch Liebe zum Kaiserhaus, der ziehe unan¬
gefochten seiner Wege. Und viele, sehr viele gute Männer gibt es, die so denken.
Wer aber die traurige Verwirrung unserer" Verhältnisse merken will, der werfe
seine Augen aus die Kreise, deren Mitglieder jetzt seltner über meine Brücke gehn,
auf das Ministerium, die Aristokratie und deu Hof.

Jedes Ministerium muß schwarzgelb sein und wenn der wüthendste Radikale
ein Portefeuille erhält, er wird in drei Tagen gelb werden rin schrägen schwar¬
zen Streifen, wie ein Grenzpfahl. Dagegen ist durchaus nichts zu sagen und es
kommt nur darauf an, wie seine Ueberzeugungen sich äußern. Das jetzige Mi¬
nisterium übernahm als verhängnißvolle Erbschaft deu Reichstag, den Krieg in
Italien, czcchische und ungarische Händel, drei Kukukseier, welche allerdings auch
den Weisesten hätten erschrecken müssen, so übelriechend waren sie alle drei. Der
Reichstag war unsinnig, weil er uns eine Constitution geben sollte, obgleich ein
guter Theil seiner Mitglieder noch heute nicht weiß, was eine Konstitution ist;
und weil vorauszusehen war, er werde um so mehr händelsüchtig, argwöhnisch und
herrschlnstig sein, je mehr er uus den Eindruck der Einfalt mache. Hätte das
Ministerium Energie gehabt, so würde es dieser constituirenden Versammlung ge¬
genüber die einzig mögliche Zukunft Oestreichs: Ein Bundesstaat mit einem Staa-


schon einmal mit rothem Blut dasselbe geschrieben. Hinweg mit der dreifarbigen
Kokarde, sie ist eine Lüge geworden, denn sie bringt uns nicht mehr Vereinung
mit Deutschland, sondern Vernichtung für uns und Deutschland.

Da haben wir aber andere Farben. Alte, ehrwürdige Farben. Seht hier
die große battistue Halsbinde; ihr Besitzer saß in der Kanzlei unter Metternich,
saß unter Pillersdorf, sitzt unter Dobblhvf, wird sitzen unter Stadion, Löhner oder
wie sonst unsere nächste Zukunft heißt. Hier der starke Herr mit der kleinen Glatze,
er trägt den Hut in der Hand und blinzt wohlwollend auf die Fratschlerin; still,
lacht nicht, er ist Hausbesitzer und sein Hans hat viele Fensterscheiben, in welche viele
Steine fliegen können; eS ist eine Lüge, daß er schwarz gelb ist, was kann er
dafür, daß seine gelben Pantoffeln schwarzes Futter haben, und über die steckt er sie
noch jeden Abend tief unters Bett. Und wieder hier den schmalen Mann im schwar¬
zen Rock mit eiligem Schritt, kurzem Haar und niedergeschlagenen Angen, er ist
Geistlicher, halb Haushofmeister und hat einen Abscheu vor Blutvergießen und
kleinen verrätherischen Schooßhunden im Boudoir seiner Geliebten. Was zahl'
ich sie einzeln ans, ihre Zahl ist Legion, alle Motten, die je auf einem Aktenstoß
saßen, alle Hornisse, die je ein Offizierpferd stachen, sind scheußlich schwarzgelb.
Wenn jede Parteifarbe zu einem weiten Mantel wird, hinter dem der Einzelne
die widersprechendsten Forderungen und Wünsche verhüllt, so daß jede Partei durch
die verschiedenartigen Tendenzen ihrer Genossen auf das Wunderlichste verwirrt
und bestimmt wird, von unserer schwarzgelben Partei gilt das mehr, als von
jeder andern. Und wer unter diesen Farben nichts verdeckt, als Liebe und An¬
hänglichkeit an unser Vaterland, ja auch Liebe zum Kaiserhaus, der ziehe unan¬
gefochten seiner Wege. Und viele, sehr viele gute Männer gibt es, die so denken.
Wer aber die traurige Verwirrung unserer" Verhältnisse merken will, der werfe
seine Augen aus die Kreise, deren Mitglieder jetzt seltner über meine Brücke gehn,
auf das Ministerium, die Aristokratie und deu Hof.

Jedes Ministerium muß schwarzgelb sein und wenn der wüthendste Radikale
ein Portefeuille erhält, er wird in drei Tagen gelb werden rin schrägen schwar¬
zen Streifen, wie ein Grenzpfahl. Dagegen ist durchaus nichts zu sagen und es
kommt nur darauf an, wie seine Ueberzeugungen sich äußern. Das jetzige Mi¬
nisterium übernahm als verhängnißvolle Erbschaft deu Reichstag, den Krieg in
Italien, czcchische und ungarische Händel, drei Kukukseier, welche allerdings auch
den Weisesten hätten erschrecken müssen, so übelriechend waren sie alle drei. Der
Reichstag war unsinnig, weil er uns eine Constitution geben sollte, obgleich ein
guter Theil seiner Mitglieder noch heute nicht weiß, was eine Konstitution ist;
und weil vorauszusehen war, er werde um so mehr händelsüchtig, argwöhnisch und
herrschlnstig sein, je mehr er uus den Eindruck der Einfalt mache. Hätte das
Ministerium Energie gehabt, so würde es dieser constituirenden Versammlung ge¬
genüber die einzig mögliche Zukunft Oestreichs: Ein Bundesstaat mit einem Staa-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276770"/>
          <p xml:id="ID_12" prev="#ID_11"> schon einmal mit rothem Blut dasselbe geschrieben. Hinweg mit der dreifarbigen<lb/>
Kokarde, sie ist eine Lüge geworden, denn sie bringt uns nicht mehr Vereinung<lb/>
mit Deutschland, sondern Vernichtung für uns und Deutschland.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_13"> Da haben wir aber andere Farben. Alte, ehrwürdige Farben. Seht hier<lb/>
die große battistue Halsbinde; ihr Besitzer saß in der Kanzlei unter Metternich,<lb/>
saß unter Pillersdorf, sitzt unter Dobblhvf, wird sitzen unter Stadion, Löhner oder<lb/>
wie sonst unsere nächste Zukunft heißt. Hier der starke Herr mit der kleinen Glatze,<lb/>
er trägt den Hut in der Hand und blinzt wohlwollend auf die Fratschlerin; still,<lb/>
lacht nicht, er ist Hausbesitzer und sein Hans hat viele Fensterscheiben, in welche viele<lb/>
Steine fliegen können; eS ist eine Lüge, daß er schwarz gelb ist, was kann er<lb/>
dafür, daß seine gelben Pantoffeln schwarzes Futter haben, und über die steckt er sie<lb/>
noch jeden Abend tief unters Bett. Und wieder hier den schmalen Mann im schwar¬<lb/>
zen Rock mit eiligem Schritt, kurzem Haar und niedergeschlagenen Angen, er ist<lb/>
Geistlicher, halb Haushofmeister und hat einen Abscheu vor Blutvergießen und<lb/>
kleinen verrätherischen Schooßhunden im Boudoir seiner Geliebten. Was zahl'<lb/>
ich sie einzeln ans, ihre Zahl ist Legion, alle Motten, die je auf einem Aktenstoß<lb/>
saßen, alle Hornisse, die je ein Offizierpferd stachen, sind scheußlich schwarzgelb.<lb/>
Wenn jede Parteifarbe zu einem weiten Mantel wird, hinter dem der Einzelne<lb/>
die widersprechendsten Forderungen und Wünsche verhüllt, so daß jede Partei durch<lb/>
die verschiedenartigen Tendenzen ihrer Genossen auf das Wunderlichste verwirrt<lb/>
und bestimmt wird, von unserer schwarzgelben Partei gilt das mehr, als von<lb/>
jeder andern. Und wer unter diesen Farben nichts verdeckt, als Liebe und An¬<lb/>
hänglichkeit an unser Vaterland, ja auch Liebe zum Kaiserhaus, der ziehe unan¬<lb/>
gefochten seiner Wege. Und viele, sehr viele gute Männer gibt es, die so denken.<lb/>
Wer aber die traurige Verwirrung unserer" Verhältnisse merken will, der werfe<lb/>
seine Augen aus die Kreise, deren Mitglieder jetzt seltner über meine Brücke gehn,<lb/>
auf das Ministerium, die Aristokratie und deu Hof.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_14" next="#ID_15"> Jedes Ministerium muß schwarzgelb sein und wenn der wüthendste Radikale<lb/>
ein Portefeuille erhält, er wird in drei Tagen gelb werden rin schrägen schwar¬<lb/>
zen Streifen, wie ein Grenzpfahl. Dagegen ist durchaus nichts zu sagen und es<lb/>
kommt nur darauf an, wie seine Ueberzeugungen sich äußern. Das jetzige Mi¬<lb/>
nisterium übernahm als verhängnißvolle Erbschaft deu Reichstag, den Krieg in<lb/>
Italien, czcchische und ungarische Händel, drei Kukukseier, welche allerdings auch<lb/>
den Weisesten hätten erschrecken müssen, so übelriechend waren sie alle drei. Der<lb/>
Reichstag war unsinnig, weil er uns eine Constitution geben sollte, obgleich ein<lb/>
guter Theil seiner Mitglieder noch heute nicht weiß, was eine Konstitution ist;<lb/>
und weil vorauszusehen war, er werde um so mehr händelsüchtig, argwöhnisch und<lb/>
herrschlnstig sein, je mehr er uus den Eindruck der Einfalt mache. Hätte das<lb/>
Ministerium Energie gehabt, so würde es dieser constituirenden Versammlung ge¬<lb/>
genüber die einzig mögliche Zukunft Oestreichs: Ein Bundesstaat mit einem Staa-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] schon einmal mit rothem Blut dasselbe geschrieben. Hinweg mit der dreifarbigen Kokarde, sie ist eine Lüge geworden, denn sie bringt uns nicht mehr Vereinung mit Deutschland, sondern Vernichtung für uns und Deutschland. Da haben wir aber andere Farben. Alte, ehrwürdige Farben. Seht hier die große battistue Halsbinde; ihr Besitzer saß in der Kanzlei unter Metternich, saß unter Pillersdorf, sitzt unter Dobblhvf, wird sitzen unter Stadion, Löhner oder wie sonst unsere nächste Zukunft heißt. Hier der starke Herr mit der kleinen Glatze, er trägt den Hut in der Hand und blinzt wohlwollend auf die Fratschlerin; still, lacht nicht, er ist Hausbesitzer und sein Hans hat viele Fensterscheiben, in welche viele Steine fliegen können; eS ist eine Lüge, daß er schwarz gelb ist, was kann er dafür, daß seine gelben Pantoffeln schwarzes Futter haben, und über die steckt er sie noch jeden Abend tief unters Bett. Und wieder hier den schmalen Mann im schwar¬ zen Rock mit eiligem Schritt, kurzem Haar und niedergeschlagenen Angen, er ist Geistlicher, halb Haushofmeister und hat einen Abscheu vor Blutvergießen und kleinen verrätherischen Schooßhunden im Boudoir seiner Geliebten. Was zahl' ich sie einzeln ans, ihre Zahl ist Legion, alle Motten, die je auf einem Aktenstoß saßen, alle Hornisse, die je ein Offizierpferd stachen, sind scheußlich schwarzgelb. Wenn jede Parteifarbe zu einem weiten Mantel wird, hinter dem der Einzelne die widersprechendsten Forderungen und Wünsche verhüllt, so daß jede Partei durch die verschiedenartigen Tendenzen ihrer Genossen auf das Wunderlichste verwirrt und bestimmt wird, von unserer schwarzgelben Partei gilt das mehr, als von jeder andern. Und wer unter diesen Farben nichts verdeckt, als Liebe und An¬ hänglichkeit an unser Vaterland, ja auch Liebe zum Kaiserhaus, der ziehe unan¬ gefochten seiner Wege. Und viele, sehr viele gute Männer gibt es, die so denken. Wer aber die traurige Verwirrung unserer" Verhältnisse merken will, der werfe seine Augen aus die Kreise, deren Mitglieder jetzt seltner über meine Brücke gehn, auf das Ministerium, die Aristokratie und deu Hof. Jedes Ministerium muß schwarzgelb sein und wenn der wüthendste Radikale ein Portefeuille erhält, er wird in drei Tagen gelb werden rin schrägen schwar¬ zen Streifen, wie ein Grenzpfahl. Dagegen ist durchaus nichts zu sagen und es kommt nur darauf an, wie seine Ueberzeugungen sich äußern. Das jetzige Mi¬ nisterium übernahm als verhängnißvolle Erbschaft deu Reichstag, den Krieg in Italien, czcchische und ungarische Händel, drei Kukukseier, welche allerdings auch den Weisesten hätten erschrecken müssen, so übelriechend waren sie alle drei. Der Reichstag war unsinnig, weil er uns eine Constitution geben sollte, obgleich ein guter Theil seiner Mitglieder noch heute nicht weiß, was eine Konstitution ist; und weil vorauszusehen war, er werde um so mehr händelsüchtig, argwöhnisch und herrschlnstig sein, je mehr er uus den Eindruck der Einfalt mache. Hätte das Ministerium Energie gehabt, so würde es dieser constituirenden Versammlung ge¬ genüber die einzig mögliche Zukunft Oestreichs: Ein Bundesstaat mit einem Staa-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/14>, abgerufen am 29.06.2024.