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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Und die ich gezeigt habe, sie sind die Haupthelden der deutschen Partei.
Denn die große Menge der Ruhigen, Unentschiedenen, die Mehrzahl der Wiener
Bürger, jüngere Beamte, Redacteure und was noch dahin gehört, könnt ihr in
eine große Classe werfen; sie wollen den Anschluß an Deutschland und wollen ihn
auch nicht, sie wollen "aufgehn" und wollen auch wieder besonders bleiben, sie
haben eine Vorstellung davon, daß sie der Vereinigung mit dem übrigen Deutschland
manche Opfer bringen müßten, und sind auch im allgemeinen bereit sie zu brin¬
gen, sobald aber das Opfer specificirt wird, erschrecken sie vor der Forderung,
sie sind wie die Perser, welche begrüßend sagen: Alles was ich habe gehört dir;
hätte man aber die Unverschämtheit, auch nur einen ihrer Pantoffel zu verlangen,
sie würden die Stirn sehr befremdet rumelu.

Ich lobe mir die Entschiedener. Das morsche Kaiserreich wird in Trümmer
geworfen und das Banner der deutschen Republik von Wien aus bis zum Nord¬
meer getragen und die allgemeine deutsche Republik tritt in ein inniges Freund-
.schaftsbündniß -- ja mit wem doch? -- richtig! vor acht Wochen waren es die
edlen Slaven, jetzt sind's die edlen Magyaren. Man sieht, der Plan ist etwas
weitläufig, doch wenn man ihm auch nicht für verständig hält, seine Naivetät könnte
rühren. Nur ist ein Haken dabei. Er ist die Chimäre einer politischen Partei,
die in heftigem Kampf mit der feindlichen Partei lebt; solch bürgerlicher Krieg,
im Reichstag wie auf den Straßen, treibt nothwendig zu Extremen. Jede Par¬
tei braucht Bundesgenossen, die mit ihr kämpfen, gegen welche sie Verpflichtungen
übernimmt; Helfer, die dnrch ihr Eindringen das Ziel des Kampfes oft seltsam
verrücken. Die Helfer und Stützen der deutschen Partei sind die große, beweg¬
liche Masse des Volkes; die Interessen und Forderungen der untersten Schicht An"
Serer Bevölkerung müssen von den sogenannten Demokraten ausgenommen werden;
nicht lange und die Herren des Demos werden seine Sklaven sein. Und s?
wäre ein Sieg der deutschen Partei der Sieg des Proletariats, so wird ihr Kampf
ein wüstes Toben gegen Alles, was Werth und Geltung hat, so hat diese Par¬
tei sich und die "deutsche Sache" dem Teufel verschrieben; und das schwarz-roth"
gelbe Band hat für Oestreich schon jetzt eine ähnliche Bedeutung, wie die rothe
Kokarde für Paris, es ist die Farbe der brutalen Vernichtung, nicht des Kaiser¬
staates, sondern der menschlichen Ordnung, der Sitte und des Rechts. Freilich
ahnen das die frischen Gesellen nicht, die sich mit den deutschen Farben schmücken,
um die Arbciterdeputationeu zu empfangen, aber der Kontrakt ist gemacht und be¬
vor der nächste Schnee wegthaut, werden sie der Hölle verfallen sein. Ironisches
Spiel eines furchtbaren Geschicks. Die schönen Träume einer großen Zukunft
die holde Sehnsucht idealer Naturen, eine Vereinung meines Vaterlandes mit den
übrigen deutscheu Stämmen, werden möglich, werden wirklich und augenblicklich
vergiften die Geister der Zerstörung der jungeu Bienen und das Langersehute wird
das Fürchterlichste. -- Male ich schwarz? Aus unseren Straßen stand wenigstens


Und die ich gezeigt habe, sie sind die Haupthelden der deutschen Partei.
Denn die große Menge der Ruhigen, Unentschiedenen, die Mehrzahl der Wiener
Bürger, jüngere Beamte, Redacteure und was noch dahin gehört, könnt ihr in
eine große Classe werfen; sie wollen den Anschluß an Deutschland und wollen ihn
auch nicht, sie wollen „aufgehn" und wollen auch wieder besonders bleiben, sie
haben eine Vorstellung davon, daß sie der Vereinigung mit dem übrigen Deutschland
manche Opfer bringen müßten, und sind auch im allgemeinen bereit sie zu brin¬
gen, sobald aber das Opfer specificirt wird, erschrecken sie vor der Forderung,
sie sind wie die Perser, welche begrüßend sagen: Alles was ich habe gehört dir;
hätte man aber die Unverschämtheit, auch nur einen ihrer Pantoffel zu verlangen,
sie würden die Stirn sehr befremdet rumelu.

Ich lobe mir die Entschiedener. Das morsche Kaiserreich wird in Trümmer
geworfen und das Banner der deutschen Republik von Wien aus bis zum Nord¬
meer getragen und die allgemeine deutsche Republik tritt in ein inniges Freund-
.schaftsbündniß — ja mit wem doch? — richtig! vor acht Wochen waren es die
edlen Slaven, jetzt sind's die edlen Magyaren. Man sieht, der Plan ist etwas
weitläufig, doch wenn man ihm auch nicht für verständig hält, seine Naivetät könnte
rühren. Nur ist ein Haken dabei. Er ist die Chimäre einer politischen Partei,
die in heftigem Kampf mit der feindlichen Partei lebt; solch bürgerlicher Krieg,
im Reichstag wie auf den Straßen, treibt nothwendig zu Extremen. Jede Par¬
tei braucht Bundesgenossen, die mit ihr kämpfen, gegen welche sie Verpflichtungen
übernimmt; Helfer, die dnrch ihr Eindringen das Ziel des Kampfes oft seltsam
verrücken. Die Helfer und Stützen der deutschen Partei sind die große, beweg¬
liche Masse des Volkes; die Interessen und Forderungen der untersten Schicht An»
Serer Bevölkerung müssen von den sogenannten Demokraten ausgenommen werden;
nicht lange und die Herren des Demos werden seine Sklaven sein. Und s?
wäre ein Sieg der deutschen Partei der Sieg des Proletariats, so wird ihr Kampf
ein wüstes Toben gegen Alles, was Werth und Geltung hat, so hat diese Par¬
tei sich und die „deutsche Sache" dem Teufel verschrieben; und das schwarz-roth»
gelbe Band hat für Oestreich schon jetzt eine ähnliche Bedeutung, wie die rothe
Kokarde für Paris, es ist die Farbe der brutalen Vernichtung, nicht des Kaiser¬
staates, sondern der menschlichen Ordnung, der Sitte und des Rechts. Freilich
ahnen das die frischen Gesellen nicht, die sich mit den deutschen Farben schmücken,
um die Arbciterdeputationeu zu empfangen, aber der Kontrakt ist gemacht und be¬
vor der nächste Schnee wegthaut, werden sie der Hölle verfallen sein. Ironisches
Spiel eines furchtbaren Geschicks. Die schönen Träume einer großen Zukunft
die holde Sehnsucht idealer Naturen, eine Vereinung meines Vaterlandes mit den
übrigen deutscheu Stämmen, werden möglich, werden wirklich und augenblicklich
vergiften die Geister der Zerstörung der jungeu Bienen und das Langersehute wird
das Fürchterlichste. — Male ich schwarz? Aus unseren Straßen stand wenigstens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/13>, abgerufen am 26.12.2024.