Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.man eine solche Reform in einem constitutionellen Staate anders durchsetzen könne, als II. Münchner Fustände. ' 2., ' Wenn zum Vollbegriff einer Partei äußerer Glanz weite Verzweigung bis zur Die historisch-politischen Blätter und die Augsburger Postzeitung haben die Preß- man eine solche Reform in einem constitutionellen Staate anders durchsetzen könne, als II. Münchner Fustände. ' 2., ' Wenn zum Vollbegriff einer Partei äußerer Glanz weite Verzweigung bis zur Die historisch-politischen Blätter und die Augsburger Postzeitung haben die Preß- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276880"/> <p xml:id="ID_354" prev="#ID_353"> man eine solche Reform in einem constitutionellen Staate anders durchsetzen könne, als<lb/> durch die Majorität der Kammer; insofern war also die Antwort, welche Hansemann<lb/> den Aristokraten gab und die unsern Berliner Freund so choquirt, vollkommen am Platz.<lb/> So werden in England die großen Reformen durchgesetzt, die den Staat von Zeit zu<lb/> Zeit neu verjüngen. Die Aristokratie und die Hofpartei hat falsches Spiel gespielt;<lb/> sie hat das Ministerium verleitet, den Stein'schen Beschluß — der an sich wieder höchst<lb/> gleichgiltig war — nicht zu vollziehen, sie hat es dadurch gestürzt, und durch ihr eignes<lb/> Ministerium denselben Beschluß ohne Weiteres in Ausübung bringen lassen; sie hat, in¬<lb/> dem sie die Phrase opfert, die Realität conservirt. Wir wollen damit keinen Vorwurf<lb/> gegen die neue Combination erheben, sie wird schwerlich im Verständniß gewesen sein,<lb/> obgleich wir uns noch immer nicht erwehren können, ein Ministerium, das sich zum<lb/> blinden Untergebenen der Kammer macht, um deu Verdacht reativnärer Gesinnungen<lb/> abzuwehren, den es durch seine ganze Beschaffenheit doch nicht los werden kann, für<lb/> eine Kalamität zu halten.</p><lb/> </div> </div> <div n="1"> <head> II.<lb/> Münchner Fustände.<lb/> '</head><lb/> <div n="3"> <head> 2., '</head><lb/> <p xml:id="ID_355"> Wenn zum Vollbegriff einer Partei äußerer Glanz weite Verzweigung bis zur<lb/> Weltstellung, tiefgreifender Einfluß aus die bestimmenden Lebenskreise, reiche Erfahrung,<lb/> gelehrtes Wissen, rechtzeitige Unterordnung der Einzelnen unter das Ganze, fruchtbare<lb/> Belebung durch reale Ideen und entschiedenste Beharrlichkeit ans dem Wege zu dem<lb/> Einen Ziele der Herrschaft gehört, so gibt es unter uns nur eine wahre Partei<lb/> die ultramontane. Sie ist nicht von heute noch von gestern; sie datirt mit der<lb/> Kirche, mit der Geschichte; ihre Pläne gehen nicht auf die verwesenden Geburten<lb/> des Tages, sie rechnet nach Jahrhunderten; sie scheuet, wie keine Mittel, so keine Hin¬<lb/> dernisse, ihr innerstes Wesen treibt sie ultra mniitv«. Sie ist in Klarheit über ihr<lb/> Wollen, darum belegt sie die einflußreichsten und nachhaltigsten Factoren des Lebens<lb/> mit ihrer vorzugsweisen Thätigkeit, die Kanzel, den Beichtstuhl, die Familie, den<lb/> Unterricht und die Erziehung. Sie hat einen Jnnuskvpf; tief in der Vergangenheit<lb/> wurzelnd wendet sie mit besonderer Vorliebe der jungen, kommenden, aufknospenden<lb/> Generation sich zu; in das Wachs der Jugend senkt und gräbt sie ihre Formen, ihre<lb/> Lehren ein; darum ist ihr die Unterrichts- die Erziehungsfrage so wichtig, so unzer¬<lb/> trennlich von der Frage religiöser Freiheit. Ihr Programm ist entschieden aber nir¬<lb/> gend abgeschlossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_356" next="#ID_357"> Die historisch-politischen Blätter und die Augsburger Postzeitung haben die Preß-<lb/> freiheit, so lange es der Vortheil der Partei mit sich brachte, mit den schärfsten Waf¬<lb/> fen bekämpft und mit gleichen Waffen später die Preßfreiheit als die conditic, «ins<lb/> <!»», non des kirchlichen und staatlichen Lebens für sich und die Welt in Anspruch ge¬<lb/> nommen. 'In Einzelnen und an einzelnen Orten ist diese Partei schon oft erlegen:<lb/> im Ganzen aber nie besiegt worden; denn ihre Organisation reicht durch die Welt.<lb/> Was sie an dem einen Orte verliert, bringt sie vielleicht an einem andern doppelt ein;<lb/> auch der moderne Weltsturm, welcher die Throne gelockert und die Kronen ihrer zaube¬<lb/> rischen Glorien beraubt hat, wird nicht ihre Wurzeln ergriffen haben; sie war ja selbst<lb/> ein integrirendes Glied der Bewegung, und wo sie ihre Hände im Spiel hatte, da<lb/> ward die Frucht nur gezeitigt; die Staatsmänner, die sich ihrer wie eines Mittels be-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
man eine solche Reform in einem constitutionellen Staate anders durchsetzen könne, als
durch die Majorität der Kammer; insofern war also die Antwort, welche Hansemann
den Aristokraten gab und die unsern Berliner Freund so choquirt, vollkommen am Platz.
So werden in England die großen Reformen durchgesetzt, die den Staat von Zeit zu
Zeit neu verjüngen. Die Aristokratie und die Hofpartei hat falsches Spiel gespielt;
sie hat das Ministerium verleitet, den Stein'schen Beschluß — der an sich wieder höchst
gleichgiltig war — nicht zu vollziehen, sie hat es dadurch gestürzt, und durch ihr eignes
Ministerium denselben Beschluß ohne Weiteres in Ausübung bringen lassen; sie hat, in¬
dem sie die Phrase opfert, die Realität conservirt. Wir wollen damit keinen Vorwurf
gegen die neue Combination erheben, sie wird schwerlich im Verständniß gewesen sein,
obgleich wir uns noch immer nicht erwehren können, ein Ministerium, das sich zum
blinden Untergebenen der Kammer macht, um deu Verdacht reativnärer Gesinnungen
abzuwehren, den es durch seine ganze Beschaffenheit doch nicht los werden kann, für
eine Kalamität zu halten.
II.
Münchner Fustände.
'
2., '
Wenn zum Vollbegriff einer Partei äußerer Glanz weite Verzweigung bis zur
Weltstellung, tiefgreifender Einfluß aus die bestimmenden Lebenskreise, reiche Erfahrung,
gelehrtes Wissen, rechtzeitige Unterordnung der Einzelnen unter das Ganze, fruchtbare
Belebung durch reale Ideen und entschiedenste Beharrlichkeit ans dem Wege zu dem
Einen Ziele der Herrschaft gehört, so gibt es unter uns nur eine wahre Partei
die ultramontane. Sie ist nicht von heute noch von gestern; sie datirt mit der
Kirche, mit der Geschichte; ihre Pläne gehen nicht auf die verwesenden Geburten
des Tages, sie rechnet nach Jahrhunderten; sie scheuet, wie keine Mittel, so keine Hin¬
dernisse, ihr innerstes Wesen treibt sie ultra mniitv«. Sie ist in Klarheit über ihr
Wollen, darum belegt sie die einflußreichsten und nachhaltigsten Factoren des Lebens
mit ihrer vorzugsweisen Thätigkeit, die Kanzel, den Beichtstuhl, die Familie, den
Unterricht und die Erziehung. Sie hat einen Jnnuskvpf; tief in der Vergangenheit
wurzelnd wendet sie mit besonderer Vorliebe der jungen, kommenden, aufknospenden
Generation sich zu; in das Wachs der Jugend senkt und gräbt sie ihre Formen, ihre
Lehren ein; darum ist ihr die Unterrichts- die Erziehungsfrage so wichtig, so unzer¬
trennlich von der Frage religiöser Freiheit. Ihr Programm ist entschieden aber nir¬
gend abgeschlossen.
Die historisch-politischen Blätter und die Augsburger Postzeitung haben die Preß-
freiheit, so lange es der Vortheil der Partei mit sich brachte, mit den schärfsten Waf¬
fen bekämpft und mit gleichen Waffen später die Preßfreiheit als die conditic, «ins
<!»», non des kirchlichen und staatlichen Lebens für sich und die Welt in Anspruch ge¬
nommen. 'In Einzelnen und an einzelnen Orten ist diese Partei schon oft erlegen:
im Ganzen aber nie besiegt worden; denn ihre Organisation reicht durch die Welt.
Was sie an dem einen Orte verliert, bringt sie vielleicht an einem andern doppelt ein;
auch der moderne Weltsturm, welcher die Throne gelockert und die Kronen ihrer zaube¬
rischen Glorien beraubt hat, wird nicht ihre Wurzeln ergriffen haben; sie war ja selbst
ein integrirendes Glied der Bewegung, und wo sie ihre Hände im Spiel hatte, da
ward die Frucht nur gezeitigt; die Staatsmänner, die sich ihrer wie eines Mittels be-
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