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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Deshalb hebt der Entwurf die Verbindung der Communen, Kreise und Bezirke
mit der Staatsregierung auf und verwandelt den Staat in eine Anzahl kleiner
Bezirksrepubliken, und weil das zuletzt doch unheimlich erscheint, so führt er ein
abenteuerliches Institut, das von Staatsanwälten ein, welche die Interessen der
Regierung gegenüber der freien Selbstverwaltung des Volkes in Gemeinden, Krei¬
sen und Bezirken wahrzunehmen haben. Ueber ihre Anträge soll in erster In¬
stanz die Bezirksleitung, in zweiter das Ministerium richten, auch das Ministe¬
rium entscheidet nur vorläufig, dem Bezirksrath steht der Recurs an die Natio¬
nalversammlung frei. Eine recht einfache bequeme Verwaltung, die Ausübung der
Executivgewalt des Staats ist dem Volk gegenüber eine Parteiangelegenheit, er
hat als Partei nur Anträge zu stellen, über deren Berechtigung im besten Fall
vor Ablauf von 10 Tagen schwerlich entschieden werden kann. Das ist reine Toll¬
heit! Aber die Sache wird noch schlimmer: "Es steht der Staats-Anwaltschaft
frei, von allen Verhandlungen der betreffenden Gemeinde-, Kreis - und Bezirks¬
verwaltung Einsicht zu nehmen, den betreffenden Gemeinde-, Abtheilungs- und
Kreisversammlungen, so wie den Sitzungen der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks¬
räthe jedesmal beizuwohnen, so wie deren Akten einzusehen." Im Interesse der
Freiheit Protestiren wir gegen diese unerträgliche Ueberwachung. Der Staat hat
nie und nirgend das Recht Verhandlungen, Versammlungen und Aktenstücke zu
prüfen, welche nur die innern, eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und Kreise
angehen. Daraus würde in den meisten Fällen, z. B. kleinen Gemeinden gegen¬
über eine schimpfliche Bevormundung; wir haben das Leben der Einzelnen durch
Gesetze gegen Uebergriffe der Executivgewalt geschützt und ihr wollt die Gemein¬
den und größeren Kreise der Inquisition Preis geben? Wendet nicht ein, daß der
Staatsanwalt keine Macht hätte zu schaden! Ein solcher Beamter, der in einem
Kreise wohnt, überall ist, Alles von Amtswegen sehen, hören und lesen darf,
wird je nach seiner Persönlichkeit entweder als Spion und Chicaneur gehaßt wer¬
den, oder einen ungebührlichen Einfluß gewinnen und über schwache Gemeinden
eine sichere Herrschaft ausüben; nicht direkt, sondern indirekt. Es wird für den
ehrgeizigen Beamten eine gute Gelegenheit sein, Kammerdeputirter zu werden.
Bei allen Klagen der Einzelnen gegen Gemeindebeamte, Streitigkeiten der Gemein¬
den u. s. w. wird er als Rathgeber, Autorität und Zuflucht angegangen werden,
und da ihr ihm so vorsichtig die Möglichkeit genommen habt, durch Selbstentschei¬
dungen zu verletzen, wird er den meisten Unzufriedenen oder Schwachen nur wohl¬
thun können, und der großen Masse eine mystische Größe werden, viel mehr als
die Advokaten der Justiz. Ihr keunt unser Volk doch sehr wenig! -- In seinen
allgemeinen Bestimmungen ist der Oppositionsentwurf natürlich noch radikaler als,
die Vorlage der Regierung. Alle Einwohner des Gemeindebezirks gehören zur
Gemeinde, alle haben gleiche Rechte und Pflichten. -- Nur die aktiven Militär¬
personen (auch Offiziere, Unteroffiziere mit eigenem Haushalt) nimmt der Ent-


Deshalb hebt der Entwurf die Verbindung der Communen, Kreise und Bezirke
mit der Staatsregierung auf und verwandelt den Staat in eine Anzahl kleiner
Bezirksrepubliken, und weil das zuletzt doch unheimlich erscheint, so führt er ein
abenteuerliches Institut, das von Staatsanwälten ein, welche die Interessen der
Regierung gegenüber der freien Selbstverwaltung des Volkes in Gemeinden, Krei¬
sen und Bezirken wahrzunehmen haben. Ueber ihre Anträge soll in erster In¬
stanz die Bezirksleitung, in zweiter das Ministerium richten, auch das Ministe¬
rium entscheidet nur vorläufig, dem Bezirksrath steht der Recurs an die Natio¬
nalversammlung frei. Eine recht einfache bequeme Verwaltung, die Ausübung der
Executivgewalt des Staats ist dem Volk gegenüber eine Parteiangelegenheit, er
hat als Partei nur Anträge zu stellen, über deren Berechtigung im besten Fall
vor Ablauf von 10 Tagen schwerlich entschieden werden kann. Das ist reine Toll¬
heit! Aber die Sache wird noch schlimmer: „Es steht der Staats-Anwaltschaft
frei, von allen Verhandlungen der betreffenden Gemeinde-, Kreis - und Bezirks¬
verwaltung Einsicht zu nehmen, den betreffenden Gemeinde-, Abtheilungs- und
Kreisversammlungen, so wie den Sitzungen der Gemeinde-, Kreis- und Bezirks¬
räthe jedesmal beizuwohnen, so wie deren Akten einzusehen." Im Interesse der
Freiheit Protestiren wir gegen diese unerträgliche Ueberwachung. Der Staat hat
nie und nirgend das Recht Verhandlungen, Versammlungen und Aktenstücke zu
prüfen, welche nur die innern, eigenen Angelegenheiten der Gemeinden und Kreise
angehen. Daraus würde in den meisten Fällen, z. B. kleinen Gemeinden gegen¬
über eine schimpfliche Bevormundung; wir haben das Leben der Einzelnen durch
Gesetze gegen Uebergriffe der Executivgewalt geschützt und ihr wollt die Gemein¬
den und größeren Kreise der Inquisition Preis geben? Wendet nicht ein, daß der
Staatsanwalt keine Macht hätte zu schaden! Ein solcher Beamter, der in einem
Kreise wohnt, überall ist, Alles von Amtswegen sehen, hören und lesen darf,
wird je nach seiner Persönlichkeit entweder als Spion und Chicaneur gehaßt wer¬
den, oder einen ungebührlichen Einfluß gewinnen und über schwache Gemeinden
eine sichere Herrschaft ausüben; nicht direkt, sondern indirekt. Es wird für den
ehrgeizigen Beamten eine gute Gelegenheit sein, Kammerdeputirter zu werden.
Bei allen Klagen der Einzelnen gegen Gemeindebeamte, Streitigkeiten der Gemein¬
den u. s. w. wird er als Rathgeber, Autorität und Zuflucht angegangen werden,
und da ihr ihm so vorsichtig die Möglichkeit genommen habt, durch Selbstentschei¬
dungen zu verletzen, wird er den meisten Unzufriedenen oder Schwachen nur wohl¬
thun können, und der großen Masse eine mystische Größe werden, viel mehr als
die Advokaten der Justiz. Ihr keunt unser Volk doch sehr wenig! — In seinen
allgemeinen Bestimmungen ist der Oppositionsentwurf natürlich noch radikaler als,
die Vorlage der Regierung. Alle Einwohner des Gemeindebezirks gehören zur
Gemeinde, alle haben gleiche Rechte und Pflichten. — Nur die aktiven Militär¬
personen (auch Offiziere, Unteroffiziere mit eigenem Haushalt) nimmt der Ent-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/103>, abgerufen am 25.12.2024.