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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Sind nun Czechen und Deutsche in Böhmen wirklich vorhanden, sind sie
wirklich historisch berechtigt, vorhanden zu sein; sind dann die Momente eines
zu befürchtenden Kampfes zwischen beiden ebenfalls thatsächlich? -- Sie sind es!
Nie noch standen sich beide Nationalitäten, beide Berechtigungen schroffer gegen¬
über, als eben jetzt!

Daß es eine Zeit gegeben, zu welcher das czechische Element in Böhmen ein
geltendes war, ein anerkanntes und tüchtiges, läugnet Niemand, der die
merkwürdige Geschichte dieses Königreiches, der die Denkmale seiner altvaterlän¬
dischen Literatur kennt. Daß dieses Element allmählig durch Kriege, politische
Combinationen, ftemdherrschastliche Einflüsse zurückgedrängt und endlich in den
Zustand völliger Lethargie versetzt wurde, läugnet ebenfalls Niemand, der die Ge¬
schichte der Ferdinande, der Weissenberger Schlacht u. s. w. einer gerechten Prü¬
fung unterzogen. Daß dieses Element trotz allem Drucke, trotz aller Einschrän¬
kungen, trotz Interdicts und Bannstrahls nicht ausgestorben, daß es sich vielmehr
zu einem neuen, kräftigen Leben aufgerafft, daß es sich ferner nicht durch über¬
spannte Hitzköpfe, sondern aus dem Kern des Volkes und im Volke selbst regene-
rirt, kann ebenfalls Niemand läugnen, der die Kämpfe kennt, unter denen die Ver¬
sechter der neuczechischen Literatur gerungen, der die Bedeutendheit würdigt, welche
bis jetzt diese Literatur erlangt, der den Anklang nicht geflissentlich übersieht, den
die nationale Idee seit wenigen Jahren unter den Slaven Böhmens gefunden.

Was ich vom czechischen Elemente in Böhmen gesagt, findet, jedoch nur mit
Ausschluß der Bezugnahme auf den czechischen Theil der Bevölkerung, auch auf
das deutsche Element in Böhmen seine Anwendung. Es war von jeher und ist
noch jetzt ein geltendes, anerkanntes und tüchtiges unter den deutschen
Einwohnern. Es ist aber nie dem czechischen Einflüsse unterlegen, eben weil es
im Gefolge der siegenden Gewalt selbst als siegendes auftrat. In Bezug auf
die Czechen aber war es, ist es, und bleibt es immer und ewig ein fremdartiges,
wenn auch geltendes, ein nicht anerkennbares, wenn auch tüchtiges!

Ich bin nun bei dem Punkte angelangt, der uns die Momente des zu be¬
fürchtenden Streites vor Augen führt.

Das deutsche Element in Böhmen in Bezug auf die Czechen war und ist ein
von außen hinzugetretenes, auf dem Wege des materiellen Sieges sich geltend
machendes. Unter dem Einflüsse dieses Elementes aber hat sich das czechische
aufs Neue geltend zu machen versucht, und man kann nicht läugnen, daß der
Versuch nicht mißglückt. Es stellt sich nun das Verhältniß heraus, daß ein Über¬
wundenes seinem Ueberwinder gegenüber seine alten Rechte wieder in Anspruch
nimmt und durch kräftige Lebenszeichen Beweise liefert, daß es dazu nicht nur in
der Idee, sondern in der Wirklichkeit berechtigt ist. Das deutsche Element (in
Bezug auf die Czechen) als der Unterdrücker, sieht nun allerdings nicht ruhig zu,
und erhebt Einrede, nennt das Aufleben des czechischen Elements Usurpation,


Sind nun Czechen und Deutsche in Böhmen wirklich vorhanden, sind sie
wirklich historisch berechtigt, vorhanden zu sein; sind dann die Momente eines
zu befürchtenden Kampfes zwischen beiden ebenfalls thatsächlich? — Sie sind es!
Nie noch standen sich beide Nationalitäten, beide Berechtigungen schroffer gegen¬
über, als eben jetzt!

Daß es eine Zeit gegeben, zu welcher das czechische Element in Böhmen ein
geltendes war, ein anerkanntes und tüchtiges, läugnet Niemand, der die
merkwürdige Geschichte dieses Königreiches, der die Denkmale seiner altvaterlän¬
dischen Literatur kennt. Daß dieses Element allmählig durch Kriege, politische
Combinationen, ftemdherrschastliche Einflüsse zurückgedrängt und endlich in den
Zustand völliger Lethargie versetzt wurde, läugnet ebenfalls Niemand, der die Ge¬
schichte der Ferdinande, der Weissenberger Schlacht u. s. w. einer gerechten Prü¬
fung unterzogen. Daß dieses Element trotz allem Drucke, trotz aller Einschrän¬
kungen, trotz Interdicts und Bannstrahls nicht ausgestorben, daß es sich vielmehr
zu einem neuen, kräftigen Leben aufgerafft, daß es sich ferner nicht durch über¬
spannte Hitzköpfe, sondern aus dem Kern des Volkes und im Volke selbst regene-
rirt, kann ebenfalls Niemand läugnen, der die Kämpfe kennt, unter denen die Ver¬
sechter der neuczechischen Literatur gerungen, der die Bedeutendheit würdigt, welche
bis jetzt diese Literatur erlangt, der den Anklang nicht geflissentlich übersieht, den
die nationale Idee seit wenigen Jahren unter den Slaven Böhmens gefunden.

Was ich vom czechischen Elemente in Böhmen gesagt, findet, jedoch nur mit
Ausschluß der Bezugnahme auf den czechischen Theil der Bevölkerung, auch auf
das deutsche Element in Böhmen seine Anwendung. Es war von jeher und ist
noch jetzt ein geltendes, anerkanntes und tüchtiges unter den deutschen
Einwohnern. Es ist aber nie dem czechischen Einflüsse unterlegen, eben weil es
im Gefolge der siegenden Gewalt selbst als siegendes auftrat. In Bezug auf
die Czechen aber war es, ist es, und bleibt es immer und ewig ein fremdartiges,
wenn auch geltendes, ein nicht anerkennbares, wenn auch tüchtiges!

Ich bin nun bei dem Punkte angelangt, der uns die Momente des zu be¬
fürchtenden Streites vor Augen führt.

Das deutsche Element in Böhmen in Bezug auf die Czechen war und ist ein
von außen hinzugetretenes, auf dem Wege des materiellen Sieges sich geltend
machendes. Unter dem Einflüsse dieses Elementes aber hat sich das czechische
aufs Neue geltend zu machen versucht, und man kann nicht läugnen, daß der
Versuch nicht mißglückt. Es stellt sich nun das Verhältniß heraus, daß ein Über¬
wundenes seinem Ueberwinder gegenüber seine alten Rechte wieder in Anspruch
nimmt und durch kräftige Lebenszeichen Beweise liefert, daß es dazu nicht nur in
der Idee, sondern in der Wirklichkeit berechtigt ist. Das deutsche Element (in
Bezug auf die Czechen) als der Unterdrücker, sieht nun allerdings nicht ruhig zu,
und erhebt Einrede, nennt das Aufleben des czechischen Elements Usurpation,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/94>, abgerufen am 01.07.2024.