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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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für den Augenblick eine Art Bollwerk zu bilden, mit Steinen und Erde gefüllt
wurden. Der Bau geschah mit Zanberschnclle, und im Ganzen sollen 2N00 in
einer Nacht entstände" sein. Endlich haben die östreichischen Gefangenen die scho-
nendste Behandlung erfahren, -- zur Beschämung der Verleumder Italiens.

Das deutsche Nationalgefühl, sagen manche Leute, ist verletzt darüber, daß
man im Moment, "wo unsere Brüder in Italien geschlachtet werden,"
den Kampf der Mailänder mit Anerkennung betrachten könne. Ist das nicht Alt¬
weibergeschwätz ? Das Gefühl soll uus nicht am Sehen hindern. Haltet mir die Augen
tapfer offen, wir werden uns an ergreifendere Schauspiele gewöhnen müssen im Lauf
der kommenden Jahre. Ich wollte, der italienische Patriotismus hätte sich an
einem andern Gegner die Sporen verdient als an uns! Wessen Schuld ist dies
aber? Mein Nationalgefühl verletzt es, daß deutsche Truppen noch zu Schlächte¬
reien ohne Zweck und Ehre gebraucht werden konnten! Der deutsche Soldat in
Italien war auch in Friedenszeiten das Opfer einer grausamen Politik. Von dem
traurigen Leben, zu welchem er in der Regel verdammt war, spreche ich vielleicht
ein anderes Mal. Der Kerkermeister ist eben so bedauernswerth wie sein Ge¬
fangener. Weder ein wohlverstandenes Interesse, noch ein deutsches Princip gebot
diesen Kampf; und es gibt nicht einmal einen Nationalhaß mehr zwischen Deut¬
schen und Italienern.

Die Handelsinteressen der östreichischen Lande haben durch die Mailänder
Vorgänge einen furchtbaren Schlag erlitten. Der Sieg Radetzky's hätte diesen
Schlag nicht abgewendet, vielleicht verstärkt, denn der Sieg konnte nur durch
eingeäscherte Städte und verheerte Provinzen erkauft werden. Die Italiener, ver¬
muthe ich, sind nicht blos Käufer auf östreichischen Märkten gewesen und die Vor¬
theile, die ein Handelsvertrag mit einem befreundeten Nachbar bietet, überwiegen
wohl den Gewinn, den die kostspielige, geld- und menschenverschlingende Zwing¬
herrschaft über eine widerspenstige Provinz bringt.

Die neue Stellung Oestreichs zu Deutschland wird jene Handelsinteressen
vermuthlich ebenfalls mit einer Krisis bedrohen. Die Krisen kommen jetzt von
allen Seiten. Möge daher Oestreich in seinen italienischen Pacificationsversnchen,
zu denen es sich endlich entschlossen hat, klug und glücklich sein. Auch möge es
nicht versäumen, baldigst seine Nationalvertreter zum Frankfurter Parlament zu
wählen und sein Augenmerk vorzugsweise aus Männer richten, die seine Gewerbs-
und Handelsinteressen nicht blos aus Büchern verstehen lernten.


I. R--im.


für den Augenblick eine Art Bollwerk zu bilden, mit Steinen und Erde gefüllt
wurden. Der Bau geschah mit Zanberschnclle, und im Ganzen sollen 2N00 in
einer Nacht entstände» sein. Endlich haben die östreichischen Gefangenen die scho-
nendste Behandlung erfahren, — zur Beschämung der Verleumder Italiens.

Das deutsche Nationalgefühl, sagen manche Leute, ist verletzt darüber, daß
man im Moment, „wo unsere Brüder in Italien geschlachtet werden,"
den Kampf der Mailänder mit Anerkennung betrachten könne. Ist das nicht Alt¬
weibergeschwätz ? Das Gefühl soll uus nicht am Sehen hindern. Haltet mir die Augen
tapfer offen, wir werden uns an ergreifendere Schauspiele gewöhnen müssen im Lauf
der kommenden Jahre. Ich wollte, der italienische Patriotismus hätte sich an
einem andern Gegner die Sporen verdient als an uns! Wessen Schuld ist dies
aber? Mein Nationalgefühl verletzt es, daß deutsche Truppen noch zu Schlächte¬
reien ohne Zweck und Ehre gebraucht werden konnten! Der deutsche Soldat in
Italien war auch in Friedenszeiten das Opfer einer grausamen Politik. Von dem
traurigen Leben, zu welchem er in der Regel verdammt war, spreche ich vielleicht
ein anderes Mal. Der Kerkermeister ist eben so bedauernswerth wie sein Ge¬
fangener. Weder ein wohlverstandenes Interesse, noch ein deutsches Princip gebot
diesen Kampf; und es gibt nicht einmal einen Nationalhaß mehr zwischen Deut¬
schen und Italienern.

Die Handelsinteressen der östreichischen Lande haben durch die Mailänder
Vorgänge einen furchtbaren Schlag erlitten. Der Sieg Radetzky's hätte diesen
Schlag nicht abgewendet, vielleicht verstärkt, denn der Sieg konnte nur durch
eingeäscherte Städte und verheerte Provinzen erkauft werden. Die Italiener, ver¬
muthe ich, sind nicht blos Käufer auf östreichischen Märkten gewesen und die Vor¬
theile, die ein Handelsvertrag mit einem befreundeten Nachbar bietet, überwiegen
wohl den Gewinn, den die kostspielige, geld- und menschenverschlingende Zwing¬
herrschaft über eine widerspenstige Provinz bringt.

Die neue Stellung Oestreichs zu Deutschland wird jene Handelsinteressen
vermuthlich ebenfalls mit einer Krisis bedrohen. Die Krisen kommen jetzt von
allen Seiten. Möge daher Oestreich in seinen italienischen Pacificationsversnchen,
zu denen es sich endlich entschlossen hat, klug und glücklich sein. Auch möge es
nicht versäumen, baldigst seine Nationalvertreter zum Frankfurter Parlament zu
wählen und sein Augenmerk vorzugsweise aus Männer richten, die seine Gewerbs-
und Handelsinteressen nicht blos aus Büchern verstehen lernten.


I. R--im.


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[0084] für den Augenblick eine Art Bollwerk zu bilden, mit Steinen und Erde gefüllt wurden. Der Bau geschah mit Zanberschnclle, und im Ganzen sollen 2N00 in einer Nacht entstände» sein. Endlich haben die östreichischen Gefangenen die scho- nendste Behandlung erfahren, — zur Beschämung der Verleumder Italiens. Das deutsche Nationalgefühl, sagen manche Leute, ist verletzt darüber, daß man im Moment, „wo unsere Brüder in Italien geschlachtet werden," den Kampf der Mailänder mit Anerkennung betrachten könne. Ist das nicht Alt¬ weibergeschwätz ? Das Gefühl soll uus nicht am Sehen hindern. Haltet mir die Augen tapfer offen, wir werden uns an ergreifendere Schauspiele gewöhnen müssen im Lauf der kommenden Jahre. Ich wollte, der italienische Patriotismus hätte sich an einem andern Gegner die Sporen verdient als an uns! Wessen Schuld ist dies aber? Mein Nationalgefühl verletzt es, daß deutsche Truppen noch zu Schlächte¬ reien ohne Zweck und Ehre gebraucht werden konnten! Der deutsche Soldat in Italien war auch in Friedenszeiten das Opfer einer grausamen Politik. Von dem traurigen Leben, zu welchem er in der Regel verdammt war, spreche ich vielleicht ein anderes Mal. Der Kerkermeister ist eben so bedauernswerth wie sein Ge¬ fangener. Weder ein wohlverstandenes Interesse, noch ein deutsches Princip gebot diesen Kampf; und es gibt nicht einmal einen Nationalhaß mehr zwischen Deut¬ schen und Italienern. Die Handelsinteressen der östreichischen Lande haben durch die Mailänder Vorgänge einen furchtbaren Schlag erlitten. Der Sieg Radetzky's hätte diesen Schlag nicht abgewendet, vielleicht verstärkt, denn der Sieg konnte nur durch eingeäscherte Städte und verheerte Provinzen erkauft werden. Die Italiener, ver¬ muthe ich, sind nicht blos Käufer auf östreichischen Märkten gewesen und die Vor¬ theile, die ein Handelsvertrag mit einem befreundeten Nachbar bietet, überwiegen wohl den Gewinn, den die kostspielige, geld- und menschenverschlingende Zwing¬ herrschaft über eine widerspenstige Provinz bringt. Die neue Stellung Oestreichs zu Deutschland wird jene Handelsinteressen vermuthlich ebenfalls mit einer Krisis bedrohen. Die Krisen kommen jetzt von allen Seiten. Möge daher Oestreich in seinen italienischen Pacificationsversnchen, zu denen es sich endlich entschlossen hat, klug und glücklich sein. Auch möge es nicht versäumen, baldigst seine Nationalvertreter zum Frankfurter Parlament zu wählen und sein Augenmerk vorzugsweise aus Männer richten, die seine Gewerbs- und Handelsinteressen nicht blos aus Büchern verstehen lernten. I. R--im.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/84>, abgerufen am 01.07.2024.