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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Wiener Zeitung hatte die Ehre, es in einem Artikel von Perthaler zuerst auszu¬
sprechen. Kaum ist der Constitutionsjubel losgebrochen, so sucht Herr Perchaler
das alte Gespenst, mit schwarz-roth-goldgeschminkten Wangen, unter die Lebendigen
wieder einzuschmuggeln und stützt sich dabei aus einen mißverstandenen Satz von
Hegel! --

Der Verfasser obiger Flugschrift nun hat an Herrn Perthaler ein Exempel
statuirt. Mit Ruhe, aber mit gebührendem Nachdruck schlägt er das österreichisch¬
kaiserliche Bewußtsein auf's Haupt. Diese theoretische Mißgeburt wäre vielleicht nicht
werth gewesen, mit so scharfer Feder secirt zu werden, wenn nicht das Perthaler-
thnm noch unter mancherlei Gestalten in der östreichischen Presse spukte.

Schreiber dieses ist selbst ein geborner Oestreicher und hat den "kaiserlichen Pa¬
triotismus" nie gekannt und nie begreifen können, trotzdem oder eben deshalb schmei¬
chelt er sich, stets ein guter Patriot gewesen zu sein. Sein schönster Traum war
von jeher der Untergang der östreichischen Großmacht und die Auferstehung der
östreichischen Völker. Dieser Traum geht jetzt in Erfüllung, aber man täusche
das Volk nicht über den nothwendigen Zusammenhang zwischen beiden Katastrophen.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß das Cabinet noch gern mit dem Glänze
seiner alten souveränes buhlt und sie nicht mit einem Mal fahren läßt: die
Völker haben ein anderes Interesse. Graf Fiquelmont mag sich darnach sehnen,
die selbstständige Macht des Kaiserthums zu erhalten: die Völker müssen wünschen,
sammt ihrem Kaiser sobald wie möglich unter "das Reich" zurückzukehren. Damit
das Perthalerthmn siege, müßten die emancipirten Völker sich die Schwingen von
neuem stutzen lassen, ihre deutschen Sympathien und ihre Freiheitsbestrebungen
von neuem den österreichisch-kaiserlichen Tendenzen unterordnen. Ein Fingerzeig
ist das neue Preßgesetz.

Deshalb sucht man das erwachende Nationalgefühl der Wiener mit der an
sich gerechten Liebe für den guten Kaiser Ferdinand zu identificiren, die Souve-
ränetätsgelüste des Cabinets zu einer Ehrensache des Volkes zu machen und das
deutsche Bewußtsein geschwind in ein österreichisch-kaiserliches umzudociren. Das
ist Taschenspielerei oder Blindheit, Patriotismus ist es nicht. Man schmeichelt
dem Volke, man spiegelt ihm vor, es sei plötzlich eine eigenthümliche selbstständige
Nation geworden, welche durch die künftige Konstitution eben so großmächtig in
ihrer Art werden würde, wie früher das Cabinet durch die Abwesenheit der Kon¬
stitution war. Statt ihm offen die Wunden zu zeigen, aus denen es blutet, redet
man ihm nur von seiner Kraft und Gesundheit und möchte ihm einen falschen Stolz
auf seine kaiserliche Bestimmung, auf die Geschichte der Monarchie und deren hi¬
storische Sonderberechtignng einflößen. Eitel Wind!

Ich weiß nicht, ob ich nicht zu schwarz sehe und einer diplomatischen Absicht
zuschreibe, was vielleicht nur die Folge einer unschuldigen Begriffsverwirrung ist.
Jedenfalls hat letztere die Wiener Zeitung zu mehrern höchst unpatriotischen Arti-


Wiener Zeitung hatte die Ehre, es in einem Artikel von Perthaler zuerst auszu¬
sprechen. Kaum ist der Constitutionsjubel losgebrochen, so sucht Herr Perchaler
das alte Gespenst, mit schwarz-roth-goldgeschminkten Wangen, unter die Lebendigen
wieder einzuschmuggeln und stützt sich dabei aus einen mißverstandenen Satz von
Hegel! —

Der Verfasser obiger Flugschrift nun hat an Herrn Perthaler ein Exempel
statuirt. Mit Ruhe, aber mit gebührendem Nachdruck schlägt er das österreichisch¬
kaiserliche Bewußtsein auf's Haupt. Diese theoretische Mißgeburt wäre vielleicht nicht
werth gewesen, mit so scharfer Feder secirt zu werden, wenn nicht das Perthaler-
thnm noch unter mancherlei Gestalten in der östreichischen Presse spukte.

Schreiber dieses ist selbst ein geborner Oestreicher und hat den „kaiserlichen Pa¬
triotismus" nie gekannt und nie begreifen können, trotzdem oder eben deshalb schmei¬
chelt er sich, stets ein guter Patriot gewesen zu sein. Sein schönster Traum war
von jeher der Untergang der östreichischen Großmacht und die Auferstehung der
östreichischen Völker. Dieser Traum geht jetzt in Erfüllung, aber man täusche
das Volk nicht über den nothwendigen Zusammenhang zwischen beiden Katastrophen.
Es liegt in der Natur der Dinge, daß das Cabinet noch gern mit dem Glänze
seiner alten souveränes buhlt und sie nicht mit einem Mal fahren läßt: die
Völker haben ein anderes Interesse. Graf Fiquelmont mag sich darnach sehnen,
die selbstständige Macht des Kaiserthums zu erhalten: die Völker müssen wünschen,
sammt ihrem Kaiser sobald wie möglich unter „das Reich" zurückzukehren. Damit
das Perthalerthmn siege, müßten die emancipirten Völker sich die Schwingen von
neuem stutzen lassen, ihre deutschen Sympathien und ihre Freiheitsbestrebungen
von neuem den österreichisch-kaiserlichen Tendenzen unterordnen. Ein Fingerzeig
ist das neue Preßgesetz.

Deshalb sucht man das erwachende Nationalgefühl der Wiener mit der an
sich gerechten Liebe für den guten Kaiser Ferdinand zu identificiren, die Souve-
ränetätsgelüste des Cabinets zu einer Ehrensache des Volkes zu machen und das
deutsche Bewußtsein geschwind in ein österreichisch-kaiserliches umzudociren. Das
ist Taschenspielerei oder Blindheit, Patriotismus ist es nicht. Man schmeichelt
dem Volke, man spiegelt ihm vor, es sei plötzlich eine eigenthümliche selbstständige
Nation geworden, welche durch die künftige Konstitution eben so großmächtig in
ihrer Art werden würde, wie früher das Cabinet durch die Abwesenheit der Kon¬
stitution war. Statt ihm offen die Wunden zu zeigen, aus denen es blutet, redet
man ihm nur von seiner Kraft und Gesundheit und möchte ihm einen falschen Stolz
auf seine kaiserliche Bestimmung, auf die Geschichte der Monarchie und deren hi¬
storische Sonderberechtignng einflößen. Eitel Wind!

Ich weiß nicht, ob ich nicht zu schwarz sehe und einer diplomatischen Absicht
zuschreibe, was vielleicht nur die Folge einer unschuldigen Begriffsverwirrung ist.
Jedenfalls hat letztere die Wiener Zeitung zu mehrern höchst unpatriotischen Arti-


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[0080] Wiener Zeitung hatte die Ehre, es in einem Artikel von Perthaler zuerst auszu¬ sprechen. Kaum ist der Constitutionsjubel losgebrochen, so sucht Herr Perchaler das alte Gespenst, mit schwarz-roth-goldgeschminkten Wangen, unter die Lebendigen wieder einzuschmuggeln und stützt sich dabei aus einen mißverstandenen Satz von Hegel! — Der Verfasser obiger Flugschrift nun hat an Herrn Perthaler ein Exempel statuirt. Mit Ruhe, aber mit gebührendem Nachdruck schlägt er das österreichisch¬ kaiserliche Bewußtsein auf's Haupt. Diese theoretische Mißgeburt wäre vielleicht nicht werth gewesen, mit so scharfer Feder secirt zu werden, wenn nicht das Perthaler- thnm noch unter mancherlei Gestalten in der östreichischen Presse spukte. Schreiber dieses ist selbst ein geborner Oestreicher und hat den „kaiserlichen Pa¬ triotismus" nie gekannt und nie begreifen können, trotzdem oder eben deshalb schmei¬ chelt er sich, stets ein guter Patriot gewesen zu sein. Sein schönster Traum war von jeher der Untergang der östreichischen Großmacht und die Auferstehung der östreichischen Völker. Dieser Traum geht jetzt in Erfüllung, aber man täusche das Volk nicht über den nothwendigen Zusammenhang zwischen beiden Katastrophen. Es liegt in der Natur der Dinge, daß das Cabinet noch gern mit dem Glänze seiner alten souveränes buhlt und sie nicht mit einem Mal fahren läßt: die Völker haben ein anderes Interesse. Graf Fiquelmont mag sich darnach sehnen, die selbstständige Macht des Kaiserthums zu erhalten: die Völker müssen wünschen, sammt ihrem Kaiser sobald wie möglich unter „das Reich" zurückzukehren. Damit das Perthalerthmn siege, müßten die emancipirten Völker sich die Schwingen von neuem stutzen lassen, ihre deutschen Sympathien und ihre Freiheitsbestrebungen von neuem den österreichisch-kaiserlichen Tendenzen unterordnen. Ein Fingerzeig ist das neue Preßgesetz. Deshalb sucht man das erwachende Nationalgefühl der Wiener mit der an sich gerechten Liebe für den guten Kaiser Ferdinand zu identificiren, die Souve- ränetätsgelüste des Cabinets zu einer Ehrensache des Volkes zu machen und das deutsche Bewußtsein geschwind in ein österreichisch-kaiserliches umzudociren. Das ist Taschenspielerei oder Blindheit, Patriotismus ist es nicht. Man schmeichelt dem Volke, man spiegelt ihm vor, es sei plötzlich eine eigenthümliche selbstständige Nation geworden, welche durch die künftige Konstitution eben so großmächtig in ihrer Art werden würde, wie früher das Cabinet durch die Abwesenheit der Kon¬ stitution war. Statt ihm offen die Wunden zu zeigen, aus denen es blutet, redet man ihm nur von seiner Kraft und Gesundheit und möchte ihm einen falschen Stolz auf seine kaiserliche Bestimmung, auf die Geschichte der Monarchie und deren hi¬ storische Sonderberechtignng einflößen. Eitel Wind! Ich weiß nicht, ob ich nicht zu schwarz sehe und einer diplomatischen Absicht zuschreibe, was vielleicht nur die Folge einer unschuldigen Begriffsverwirrung ist. Jedenfalls hat letztere die Wiener Zeitung zu mehrern höchst unpatriotischen Arti-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/80>, abgerufen am 01.07.2024.