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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Schleswigs hinsichtlich der männlichen Erbfolge oder eine Abtretung Nordschleswigs
an Dänemark, Der Entscheidung im ersteren Sinn wird sich die Majorität des
Volks in den Herzogthümern nur mit deM größten Widerwillen unterwerfen, und
thut sie es dennoch, so ist das Feuer nur mit Asche bedeckt worden, bereit, bei
jedem neuen Anlaß wieder zur mächtigen Flamme emporzulodern. Die andere
Lösung der nordischen Frage ist die wahrscheinlichere, längst vorausgesehene. Sie
wird ein Unglück für Schleswig werden, ich fürchte aber, eS ist dieses bei den
jetzigen Umständen kaum mehr zu vermeiden. Es wird daher nnr noch von höch¬
ster Wichtigkeit sein, in welcher Weise die Theilung und Trennung Schleswigs
vollzogen werden soll. Dänemark wird verlangen: die Aemter Hadersleben, Lügum-
kloster, Tondern, Apenrade, vielleicht auch Norburg, Sonderbnrg (beide auf der
Insel Alsen) und Nord-Flensburg. Ein großer Theil des schonen Landes, dessen
vielen deutschen Bewohnern dann nichts mehr übrig bleiben würde, als auszu¬
wandern, wenn sie nicht Schimpf und Schädigung bis zum Grab ertragen wollen.
Natürlicher wäre die Theilung, wenn blos die ganz dänischen Districte zu Däne¬
mark geschlagen würden. Die Grenze derselben wird ziemlich deutlich angegeben
durch eine Linie von Mögeltondern an der Westküste bis nach Kolding, der ersten
jütischen Grenzstadt im Osten.

Wenn Deutschland sich zur Abtretung eines Theiles von Schleswig versteht,
so bekennt eS sich nicht allein dadurch für besiegt, sondern auch, daß es gegen
Dänemark einen ungerechten Krieg geführt habe. Denn nur um die Deutschheit
und Unteilbarkeit Schleswigs haben wir die Waffen ergriffen und jedes Stück,
welches von ihm losgerissen und dänisch wird, wirst uns Inconsequenz vor, ver¬
nichtet das Princip, welches uns den Kampf beginnen hieß. Aber die eiserne
Nothwendigkeit zwingt Staaten und Völker zu Inconsequenzen und Demüthigun¬
gen. Wir können den Krieg gegen Dänemark, besonders wenn dieses Bundes¬
genossen erhält, nicht länger mit Erfolg fortführen. Uns fehlt die deutsche Flotte
-- das kleine dänische Geschwader verhöhnt die deutschen Landratten, setzt unter
dem Schutz seiner Batterien Truppen aus, wo es ihm gefällt und schifft sie wie¬
der ein, wenn der Feind ihnen ernstlich zu Leibe will. Wir sammeln und stimmen
War fleißig für eine deutsche Flotte, aber zu spät! Außerdem halte ich dafür, daß
eine solche nicht durch Steuern und freiwillige Beiträge, sondern nur durch eine
Verbündung der deutschen Seebandelsstädte, durch eine neue Hansa, wirkungs-
reich in's Leben gerufen werden kann. Schon einmal haben wir den Welthandel
in Händen gehabt und unserer Flagge beugten sich alle übrigen -- es kann diese
glorreiche Zeit wieder kommen. Aber die deutsche Einheit muß sich erst aus der
Währung der buntesten Elemente klar und groß herausgeschieden, in ihr sich die
wahre, stark machende Freiheit der Gesittung und Bildung entwickelt haben, dann
dürfen wir hoffen, ein mächtiges und unangreifbares Volk zu werden.


W-Samen


Schleswigs hinsichtlich der männlichen Erbfolge oder eine Abtretung Nordschleswigs
an Dänemark, Der Entscheidung im ersteren Sinn wird sich die Majorität des
Volks in den Herzogthümern nur mit deM größten Widerwillen unterwerfen, und
thut sie es dennoch, so ist das Feuer nur mit Asche bedeckt worden, bereit, bei
jedem neuen Anlaß wieder zur mächtigen Flamme emporzulodern. Die andere
Lösung der nordischen Frage ist die wahrscheinlichere, längst vorausgesehene. Sie
wird ein Unglück für Schleswig werden, ich fürchte aber, eS ist dieses bei den
jetzigen Umständen kaum mehr zu vermeiden. Es wird daher nnr noch von höch¬
ster Wichtigkeit sein, in welcher Weise die Theilung und Trennung Schleswigs
vollzogen werden soll. Dänemark wird verlangen: die Aemter Hadersleben, Lügum-
kloster, Tondern, Apenrade, vielleicht auch Norburg, Sonderbnrg (beide auf der
Insel Alsen) und Nord-Flensburg. Ein großer Theil des schonen Landes, dessen
vielen deutschen Bewohnern dann nichts mehr übrig bleiben würde, als auszu¬
wandern, wenn sie nicht Schimpf und Schädigung bis zum Grab ertragen wollen.
Natürlicher wäre die Theilung, wenn blos die ganz dänischen Districte zu Däne¬
mark geschlagen würden. Die Grenze derselben wird ziemlich deutlich angegeben
durch eine Linie von Mögeltondern an der Westküste bis nach Kolding, der ersten
jütischen Grenzstadt im Osten.

Wenn Deutschland sich zur Abtretung eines Theiles von Schleswig versteht,
so bekennt eS sich nicht allein dadurch für besiegt, sondern auch, daß es gegen
Dänemark einen ungerechten Krieg geführt habe. Denn nur um die Deutschheit
und Unteilbarkeit Schleswigs haben wir die Waffen ergriffen und jedes Stück,
welches von ihm losgerissen und dänisch wird, wirst uns Inconsequenz vor, ver¬
nichtet das Princip, welches uns den Kampf beginnen hieß. Aber die eiserne
Nothwendigkeit zwingt Staaten und Völker zu Inconsequenzen und Demüthigun¬
gen. Wir können den Krieg gegen Dänemark, besonders wenn dieses Bundes¬
genossen erhält, nicht länger mit Erfolg fortführen. Uns fehlt die deutsche Flotte
— das kleine dänische Geschwader verhöhnt die deutschen Landratten, setzt unter
dem Schutz seiner Batterien Truppen aus, wo es ihm gefällt und schifft sie wie¬
der ein, wenn der Feind ihnen ernstlich zu Leibe will. Wir sammeln und stimmen
War fleißig für eine deutsche Flotte, aber zu spät! Außerdem halte ich dafür, daß
eine solche nicht durch Steuern und freiwillige Beiträge, sondern nur durch eine
Verbündung der deutschen Seebandelsstädte, durch eine neue Hansa, wirkungs-
reich in's Leben gerufen werden kann. Schon einmal haben wir den Welthandel
in Händen gehabt und unserer Flagge beugten sich alle übrigen — es kann diese
glorreiche Zeit wieder kommen. Aber die deutsche Einheit muß sich erst aus der
Währung der buntesten Elemente klar und groß herausgeschieden, in ihr sich die
wahre, stark machende Freiheit der Gesittung und Bildung entwickelt haben, dann
dürfen wir hoffen, ein mächtiges und unangreifbares Volk zu werden.


W-Samen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/509>, abgerufen am 03.07.2024.