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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Währenddem aber geht Louis Napoleon ruhig in London spazieren. Er er¬
halt die Nachricht von seiner Wahl und bedankt sich bei seinen Wählern in einem
ziemlich vernünftigen Schreiben. Ein zweites, das schon mehr an den lebendigen
Adler erinnert, richtet er an die Nationalversammlung. Diese hat indeß, nach
stürmischem Wettstreit, den Verbannungsvorschlag verworfen und die Wahl des
Prinzen anerkannt, als das ungeschickte Manifest einläuft, worin der Neffe des
Kaisers nicht ein einziges Mal Vive la Nepubligne! schreit, dagegen mit wichti¬
ger Miene zu verstehen gibt, wenn das Volk ihm Pflichten auferlege, werde er
sie zu erfüllen wissen. Darüber zum zweiten Mal große Aufregung. Die Assem-
blee schwört sich noch einmal zu, die Republik bis ans den letzten Blutstropfen
zu vertheidigen. Die Zeitungen ditto. Der National zwar drückt dem Prinzen
mehr Mitleid aus als Entrüstung, aber die Refvrme erzählt von den bedenklichen
Planen des napoleoniden und wie er einst in London Cabet's Feder für sich zu
gewinnen strebte, wobei die Unbestechlichkeit dieses communistischen Patriarchen in
das glorreichste Licht gestellt wird.

Noch immer reitet oder schreitet indeß Louis Napoleon im Regentspark spa¬
zieren. Er erhält die Kunde von den schlaflosen Nächten der Republik und ist
befriedigt. Jetzt hat er volle Genugthuung für seine frühern Kränkungen. Die
unseligen Kanonenstiefel und der lebendige Adler find vergessen, er ist wieder
ein wichtiger Mann. Ueber achtzig tausend Stimmen haben ihn gewählt, die
Negierung hat vor ihm gezittert, Frankreich bebt vor stiller Angst oder Sehnsucht
bei seinem Namen. Was will er mehr? Jetzt kann er großmüthig sein und die
Assemblee nationale beschämen. Er will die Sympathien, die ihm entgegenfliegen,
nicht ausbeuten und die Ruhe der jungen Republik nicht auf das Spiel setzen.
Um nicht mit Gewalt Cäsar werden zu müssen, verzichtet er aus seinen Sitz in
der Assemblee und erntet dasür den Dank und den Beifall (iMrob.-deivr) aller
Mitglieder. -- Wollte Louis Napoleon die Republik ein wenig zum Besten haben,
s ^ o hätte er's nicht besser anstellen können.




Währenddem aber geht Louis Napoleon ruhig in London spazieren. Er er¬
halt die Nachricht von seiner Wahl und bedankt sich bei seinen Wählern in einem
ziemlich vernünftigen Schreiben. Ein zweites, das schon mehr an den lebendigen
Adler erinnert, richtet er an die Nationalversammlung. Diese hat indeß, nach
stürmischem Wettstreit, den Verbannungsvorschlag verworfen und die Wahl des
Prinzen anerkannt, als das ungeschickte Manifest einläuft, worin der Neffe des
Kaisers nicht ein einziges Mal Vive la Nepubligne! schreit, dagegen mit wichti¬
ger Miene zu verstehen gibt, wenn das Volk ihm Pflichten auferlege, werde er
sie zu erfüllen wissen. Darüber zum zweiten Mal große Aufregung. Die Assem-
blee schwört sich noch einmal zu, die Republik bis ans den letzten Blutstropfen
zu vertheidigen. Die Zeitungen ditto. Der National zwar drückt dem Prinzen
mehr Mitleid aus als Entrüstung, aber die Refvrme erzählt von den bedenklichen
Planen des napoleoniden und wie er einst in London Cabet's Feder für sich zu
gewinnen strebte, wobei die Unbestechlichkeit dieses communistischen Patriarchen in
das glorreichste Licht gestellt wird.

Noch immer reitet oder schreitet indeß Louis Napoleon im Regentspark spa¬
zieren. Er erhält die Kunde von den schlaflosen Nächten der Republik und ist
befriedigt. Jetzt hat er volle Genugthuung für seine frühern Kränkungen. Die
unseligen Kanonenstiefel und der lebendige Adler find vergessen, er ist wieder
ein wichtiger Mann. Ueber achtzig tausend Stimmen haben ihn gewählt, die
Negierung hat vor ihm gezittert, Frankreich bebt vor stiller Angst oder Sehnsucht
bei seinem Namen. Was will er mehr? Jetzt kann er großmüthig sein und die
Assemblee nationale beschämen. Er will die Sympathien, die ihm entgegenfliegen,
nicht ausbeuten und die Ruhe der jungen Republik nicht auf das Spiel setzen.
Um nicht mit Gewalt Cäsar werden zu müssen, verzichtet er aus seinen Sitz in
der Assemblee und erntet dasür den Dank und den Beifall (iMrob.-deivr) aller
Mitglieder. — Wollte Louis Napoleon die Republik ein wenig zum Besten haben,
s ^ o hätte er's nicht besser anstellen können.




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[0482] Währenddem aber geht Louis Napoleon ruhig in London spazieren. Er er¬ halt die Nachricht von seiner Wahl und bedankt sich bei seinen Wählern in einem ziemlich vernünftigen Schreiben. Ein zweites, das schon mehr an den lebendigen Adler erinnert, richtet er an die Nationalversammlung. Diese hat indeß, nach stürmischem Wettstreit, den Verbannungsvorschlag verworfen und die Wahl des Prinzen anerkannt, als das ungeschickte Manifest einläuft, worin der Neffe des Kaisers nicht ein einziges Mal Vive la Nepubligne! schreit, dagegen mit wichti¬ ger Miene zu verstehen gibt, wenn das Volk ihm Pflichten auferlege, werde er sie zu erfüllen wissen. Darüber zum zweiten Mal große Aufregung. Die Assem- blee schwört sich noch einmal zu, die Republik bis ans den letzten Blutstropfen zu vertheidigen. Die Zeitungen ditto. Der National zwar drückt dem Prinzen mehr Mitleid aus als Entrüstung, aber die Refvrme erzählt von den bedenklichen Planen des napoleoniden und wie er einst in London Cabet's Feder für sich zu gewinnen strebte, wobei die Unbestechlichkeit dieses communistischen Patriarchen in das glorreichste Licht gestellt wird. Noch immer reitet oder schreitet indeß Louis Napoleon im Regentspark spa¬ zieren. Er erhält die Kunde von den schlaflosen Nächten der Republik und ist befriedigt. Jetzt hat er volle Genugthuung für seine frühern Kränkungen. Die unseligen Kanonenstiefel und der lebendige Adler find vergessen, er ist wieder ein wichtiger Mann. Ueber achtzig tausend Stimmen haben ihn gewählt, die Negierung hat vor ihm gezittert, Frankreich bebt vor stiller Angst oder Sehnsucht bei seinem Namen. Was will er mehr? Jetzt kann er großmüthig sein und die Assemblee nationale beschämen. Er will die Sympathien, die ihm entgegenfliegen, nicht ausbeuten und die Ruhe der jungen Republik nicht auf das Spiel setzen. Um nicht mit Gewalt Cäsar werden zu müssen, verzichtet er aus seinen Sitz in der Assemblee und erntet dasür den Dank und den Beifall (iMrob.-deivr) aller Mitglieder. — Wollte Louis Napoleon die Republik ein wenig zum Besten haben, s ^ o hätte er's nicht besser anstellen können.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/482>, abgerufen am 26.06.2024.