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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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die Losung einer begeisterten Jugend! Nun wechselte die Politik. An die Stelle
des slavischen Oestreichs mit slavischer Centralregiernng, sollen vereinigte Staaten
von Oestreich treten; alle Provinzen auf der Basis ihrer Sprache und Nationa¬
lität arrondirt, sollen ganz autonome Regierungen haben und mir in Bezug auf
äußere Politik, Diplomatie, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse ihren Vereini-
gungspunkt in Wien finden. So hofften die slavischen Provinzen dem germanisi-
renden Einflüsse einer starken deutschen Centralgewalt möglichst zu entgehen. Es
ist begreiflich, daß solch eine Neugestaltung, so ein Umgnß der Monarchie nach
den verschiedenen Nationalitäten, nnr nach der Auflösung der meisten jetzt noch
bestehenden Provinzialverhältnisse vor sich gehen kann; es ist ihr mächtig vorge¬
arbeitet worden!

Böhmen, mit Mähren und Schlesien verbunden, mit einem verantwortlichen
Minister, bald auch mit einem eigenen Vicekönig versehen, tritt voran in die
Reihe dieser sich selbstregierenden Staaten; die provisorische Regierung, das ist
der Wunsch der czechischen Ultras. Wie dabei die Deutschen zu kurz komme",
haben schon wenige Monate gezeigt.

In ähnlicher Weise werden sich bald auch die Südslaven constituiren, bald
werden wir ein Königreich Illyrien und Laibach, ebenso wie Prag als Sitz einer
autonomen Regierung zu sehen bekommen. Kroatien mit Slavonien und Dalma-
tien wird nicht zurückbleiben, es fällt sammt den südlichen slavisch-ungarischen
Kvmitaten von Ungarn ab und constituirt sich selbstständig unter einem Vicekönig
aus dem Hanse Habsburg. Oestreich wird somit eine Art monarchischer Schweiz,
der Reichstag eine Tagsatzung.

Sind die Interessen der deutschen Provinzen Oestreichs in diesem Foderativ-
verhältnissc so minder gefährdet, als sie es in einem Oestreich mit theilweise sla¬
vischer Centralregiernng gewesen wären? Nein. Die Gefahr ist nur um so größer.
Das slavische Element in seiner ungeheuern Majorität Oestreich hat 18 Mil¬
lionen Slaven bei ki Millionen Deutschen -- wird mit eisernem Gewicht ans den
deutschen Elementen lasten. In gemischten Ländern, wie Böhmen, würde eine
slavische Centralregiernng ans die Dauer die völlige Abtödtung deutscher Sprache
und Nationalität zur Folge haben.

Die Regierung in Jnspruck, der nichts so sehr am Herzen gelegen ist, als
daß Oestreich von dem radikalen Deutschland möglichst getrennt bleibe, von dem
Deutschland, das vielleicht bald einen Rotürier als Präsidenten an der Spitze
seiner Verwaltung sehn kaun. -- Die Regierung in Inspruck stützt sich ans die
Slaven und begünstigt sie. Indeß die Regierung in Wien an dem Standpunkt
der deutschen Centralregiernng festhält, hat die Regierung in Inspruck das cze-
chische System des Föderalismus im Auge. Nur so lassen sich zwei auffallende
Erscheinungen in zwei Ländern erklären. Der Baums von Kroatien, Jellacitsch,
rüstet zum Krieg gegen das ihm vorgesetzte ungarische Ministerium. Dieses will


die Losung einer begeisterten Jugend! Nun wechselte die Politik. An die Stelle
des slavischen Oestreichs mit slavischer Centralregiernng, sollen vereinigte Staaten
von Oestreich treten; alle Provinzen auf der Basis ihrer Sprache und Nationa¬
lität arrondirt, sollen ganz autonome Regierungen haben und mir in Bezug auf
äußere Politik, Diplomatie, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse ihren Vereini-
gungspunkt in Wien finden. So hofften die slavischen Provinzen dem germanisi-
renden Einflüsse einer starken deutschen Centralgewalt möglichst zu entgehen. Es
ist begreiflich, daß solch eine Neugestaltung, so ein Umgnß der Monarchie nach
den verschiedenen Nationalitäten, nnr nach der Auflösung der meisten jetzt noch
bestehenden Provinzialverhältnisse vor sich gehen kann; es ist ihr mächtig vorge¬
arbeitet worden!

Böhmen, mit Mähren und Schlesien verbunden, mit einem verantwortlichen
Minister, bald auch mit einem eigenen Vicekönig versehen, tritt voran in die
Reihe dieser sich selbstregierenden Staaten; die provisorische Regierung, das ist
der Wunsch der czechischen Ultras. Wie dabei die Deutschen zu kurz komme»,
haben schon wenige Monate gezeigt.

In ähnlicher Weise werden sich bald auch die Südslaven constituiren, bald
werden wir ein Königreich Illyrien und Laibach, ebenso wie Prag als Sitz einer
autonomen Regierung zu sehen bekommen. Kroatien mit Slavonien und Dalma-
tien wird nicht zurückbleiben, es fällt sammt den südlichen slavisch-ungarischen
Kvmitaten von Ungarn ab und constituirt sich selbstständig unter einem Vicekönig
aus dem Hanse Habsburg. Oestreich wird somit eine Art monarchischer Schweiz,
der Reichstag eine Tagsatzung.

Sind die Interessen der deutschen Provinzen Oestreichs in diesem Foderativ-
verhältnissc so minder gefährdet, als sie es in einem Oestreich mit theilweise sla¬
vischer Centralregiernng gewesen wären? Nein. Die Gefahr ist nur um so größer.
Das slavische Element in seiner ungeheuern Majorität Oestreich hat 18 Mil¬
lionen Slaven bei ki Millionen Deutschen — wird mit eisernem Gewicht ans den
deutschen Elementen lasten. In gemischten Ländern, wie Böhmen, würde eine
slavische Centralregiernng ans die Dauer die völlige Abtödtung deutscher Sprache
und Nationalität zur Folge haben.

Die Regierung in Jnspruck, der nichts so sehr am Herzen gelegen ist, als
daß Oestreich von dem radikalen Deutschland möglichst getrennt bleibe, von dem
Deutschland, das vielleicht bald einen Rotürier als Präsidenten an der Spitze
seiner Verwaltung sehn kaun. — Die Regierung in Inspruck stützt sich ans die
Slaven und begünstigt sie. Indeß die Regierung in Wien an dem Standpunkt
der deutschen Centralregiernng festhält, hat die Regierung in Inspruck das cze-
chische System des Föderalismus im Auge. Nur so lassen sich zwei auffallende
Erscheinungen in zwei Ländern erklären. Der Baums von Kroatien, Jellacitsch,
rüstet zum Krieg gegen das ihm vorgesetzte ungarische Ministerium. Dieses will


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[0450] die Losung einer begeisterten Jugend! Nun wechselte die Politik. An die Stelle des slavischen Oestreichs mit slavischer Centralregiernng, sollen vereinigte Staaten von Oestreich treten; alle Provinzen auf der Basis ihrer Sprache und Nationa¬ lität arrondirt, sollen ganz autonome Regierungen haben und mir in Bezug auf äußere Politik, Diplomatie, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse ihren Vereini- gungspunkt in Wien finden. So hofften die slavischen Provinzen dem germanisi- renden Einflüsse einer starken deutschen Centralgewalt möglichst zu entgehen. Es ist begreiflich, daß solch eine Neugestaltung, so ein Umgnß der Monarchie nach den verschiedenen Nationalitäten, nnr nach der Auflösung der meisten jetzt noch bestehenden Provinzialverhältnisse vor sich gehen kann; es ist ihr mächtig vorge¬ arbeitet worden! Böhmen, mit Mähren und Schlesien verbunden, mit einem verantwortlichen Minister, bald auch mit einem eigenen Vicekönig versehen, tritt voran in die Reihe dieser sich selbstregierenden Staaten; die provisorische Regierung, das ist der Wunsch der czechischen Ultras. Wie dabei die Deutschen zu kurz komme», haben schon wenige Monate gezeigt. In ähnlicher Weise werden sich bald auch die Südslaven constituiren, bald werden wir ein Königreich Illyrien und Laibach, ebenso wie Prag als Sitz einer autonomen Regierung zu sehen bekommen. Kroatien mit Slavonien und Dalma- tien wird nicht zurückbleiben, es fällt sammt den südlichen slavisch-ungarischen Kvmitaten von Ungarn ab und constituirt sich selbstständig unter einem Vicekönig aus dem Hanse Habsburg. Oestreich wird somit eine Art monarchischer Schweiz, der Reichstag eine Tagsatzung. Sind die Interessen der deutschen Provinzen Oestreichs in diesem Foderativ- verhältnissc so minder gefährdet, als sie es in einem Oestreich mit theilweise sla¬ vischer Centralregiernng gewesen wären? Nein. Die Gefahr ist nur um so größer. Das slavische Element in seiner ungeheuern Majorität Oestreich hat 18 Mil¬ lionen Slaven bei ki Millionen Deutschen — wird mit eisernem Gewicht ans den deutschen Elementen lasten. In gemischten Ländern, wie Böhmen, würde eine slavische Centralregiernng ans die Dauer die völlige Abtödtung deutscher Sprache und Nationalität zur Folge haben. Die Regierung in Jnspruck, der nichts so sehr am Herzen gelegen ist, als daß Oestreich von dem radikalen Deutschland möglichst getrennt bleibe, von dem Deutschland, das vielleicht bald einen Rotürier als Präsidenten an der Spitze seiner Verwaltung sehn kaun. — Die Regierung in Inspruck stützt sich ans die Slaven und begünstigt sie. Indeß die Regierung in Wien an dem Standpunkt der deutschen Centralregiernng festhält, hat die Regierung in Inspruck das cze- chische System des Föderalismus im Auge. Nur so lassen sich zwei auffallende Erscheinungen in zwei Ländern erklären. Der Baums von Kroatien, Jellacitsch, rüstet zum Krieg gegen das ihm vorgesetzte ungarische Ministerium. Dieses will

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/450>, abgerufen am 26.06.2024.