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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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drohte, ward meistens durch den Einfluß der gebildeten Mehrzahl kräftig im
Keime erstickt. Der Geist, welcher in Allen lebte, war daher im Ganzen ein be¬
friedigender, und ich will gestehen, ich habe schöne Tage in der Mitte meiner
Kameraden verlebt, Tage, deren Erinnerungsbild nie meinem Herzen verblühen
wird. Ja, ein lustiges, schönes Leben ist das eines Landsknechts -- heute im
heißen Kampf, Entbehrungen jeder Art, morgen in der Garnison bei den wilde¬
sten Zechgelagen, unter dem Fenster hübscher Mädchen, oder im träumerischen
Dämmern des süßen Nichtsthuns. Freilich muß man dann anch ein Freischärler
sein mit Leib und Seele, ein demokratischer Soldat, kein Kamaschenknöpfer von
ehedem und jetzt. Es gehört die Freiheit zum Genuß, wie sie auch die Entbeh¬
rung erträglich macht.

Die Schleswig-Holsteinischen Freischaaren waren zwar im Ganzen gut or-
ganisirt und bildeten in so fern eine Hcerzugabe, welche Bedeutung beanspruchen
konnte. Aber an eine Disciplin im Sinne der Maschine des Linienmilitärs konnte
in ihren Reihen nicht gedacht werden. Zum Exerciren war keine Zeit vorhanden,
kaum daß die Mehrzahl verstand, Fronte zu machen und das Rechts und Links
zu begreifen -- es genügte, daß wir schießen, das Bayonett fällen und Hurrah
schreien konnten. Damit haben wir manchmal Wunderdinge verrichtet, und die
dänische" Rothröcke fürchteten unsere ungestümen ungeregelten Angriffe mehr, als
die Batterien der BnndeSartillerie. "Tüdsk Frieskar" war ein Schreckensruf, der
jedes Dänenherz erzittern machte. In dem Treffen bei Eckernförde sah ich einen
Angriff, der hierfür als Beleg dienen kann. Achtzig Berliner, sämmtlich Barri¬
kadenmänner der Märztage, wie sie wohlgefällig selbst sich nannten, mit treffli¬
chen Musketen ans dem königlichen Zeughaus bewaffnet, standen dorr zum ersten
Male einem dänischen Bataillon gegenüber. Noch tausend Schritte von demselben
entfernt, schössen sie schon ab, nahmen sich aber nicht mehr Zeit zu neuem Laden,
sondern stürmten mit gefälltem Bayonett auf den Feind. Dieser hätte das toll'
kühne, vom Lauf ermüdete Häuflein vollständig massaknren können, aber so be¬
stürzt und erstaunt waren die Dänen, daß sie, nachdem ihre Salve, weil zu hoch
gezielt, keinen Schaden gethan, sobald die Berliner nur noch zwanzig Schritte
von ihnen entfernt waren, plötzlich umkehrten und nnn ihrerseits mit fabelhafter
Behendigkeit zu laufen begannen und nicht eher stille standen, als am Meeres-
strand unter dem Schutz ihrer Kanonenböte. Bei Missunde haben wir am ersten
Ostertag, sechzig Mann statt, ni'er siebenhundert Dänen, welchen wir in den
Rücken fielen, in die Flucht getrieben. Und so könnte ich noch viele Thatsachen
anführen, welche nickt allein für den Werth der Freischaaren sprechen, sondern
auch beweisen, daß der Mieth und die Begeisterung derselben mindestens eben
so viel werth ist, als alle KnegSkuust und Disciplin.

Den Oberbefehl über sämmtliche Freicorps führte der preußische Major von
Gersdorf, ein tapferer Soldat, der ehedem im Kaukasus gerümpft, überdies ein


drohte, ward meistens durch den Einfluß der gebildeten Mehrzahl kräftig im
Keime erstickt. Der Geist, welcher in Allen lebte, war daher im Ganzen ein be¬
friedigender, und ich will gestehen, ich habe schöne Tage in der Mitte meiner
Kameraden verlebt, Tage, deren Erinnerungsbild nie meinem Herzen verblühen
wird. Ja, ein lustiges, schönes Leben ist das eines Landsknechts — heute im
heißen Kampf, Entbehrungen jeder Art, morgen in der Garnison bei den wilde¬
sten Zechgelagen, unter dem Fenster hübscher Mädchen, oder im träumerischen
Dämmern des süßen Nichtsthuns. Freilich muß man dann anch ein Freischärler
sein mit Leib und Seele, ein demokratischer Soldat, kein Kamaschenknöpfer von
ehedem und jetzt. Es gehört die Freiheit zum Genuß, wie sie auch die Entbeh¬
rung erträglich macht.

Die Schleswig-Holsteinischen Freischaaren waren zwar im Ganzen gut or-
ganisirt und bildeten in so fern eine Hcerzugabe, welche Bedeutung beanspruchen
konnte. Aber an eine Disciplin im Sinne der Maschine des Linienmilitärs konnte
in ihren Reihen nicht gedacht werden. Zum Exerciren war keine Zeit vorhanden,
kaum daß die Mehrzahl verstand, Fronte zu machen und das Rechts und Links
zu begreifen — es genügte, daß wir schießen, das Bayonett fällen und Hurrah
schreien konnten. Damit haben wir manchmal Wunderdinge verrichtet, und die
dänische» Rothröcke fürchteten unsere ungestümen ungeregelten Angriffe mehr, als
die Batterien der BnndeSartillerie. „Tüdsk Frieskar" war ein Schreckensruf, der
jedes Dänenherz erzittern machte. In dem Treffen bei Eckernförde sah ich einen
Angriff, der hierfür als Beleg dienen kann. Achtzig Berliner, sämmtlich Barri¬
kadenmänner der Märztage, wie sie wohlgefällig selbst sich nannten, mit treffli¬
chen Musketen ans dem königlichen Zeughaus bewaffnet, standen dorr zum ersten
Male einem dänischen Bataillon gegenüber. Noch tausend Schritte von demselben
entfernt, schössen sie schon ab, nahmen sich aber nicht mehr Zeit zu neuem Laden,
sondern stürmten mit gefälltem Bayonett auf den Feind. Dieser hätte das toll'
kühne, vom Lauf ermüdete Häuflein vollständig massaknren können, aber so be¬
stürzt und erstaunt waren die Dänen, daß sie, nachdem ihre Salve, weil zu hoch
gezielt, keinen Schaden gethan, sobald die Berliner nur noch zwanzig Schritte
von ihnen entfernt waren, plötzlich umkehrten und nnn ihrerseits mit fabelhafter
Behendigkeit zu laufen begannen und nicht eher stille standen, als am Meeres-
strand unter dem Schutz ihrer Kanonenböte. Bei Missunde haben wir am ersten
Ostertag, sechzig Mann statt, ni'er siebenhundert Dänen, welchen wir in den
Rücken fielen, in die Flucht getrieben. Und so könnte ich noch viele Thatsachen
anführen, welche nickt allein für den Werth der Freischaaren sprechen, sondern
auch beweisen, daß der Mieth und die Begeisterung derselben mindestens eben
so viel werth ist, als alle KnegSkuust und Disciplin.

Den Oberbefehl über sämmtliche Freicorps führte der preußische Major von
Gersdorf, ein tapferer Soldat, der ehedem im Kaukasus gerümpft, überdies ein


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[0441] drohte, ward meistens durch den Einfluß der gebildeten Mehrzahl kräftig im Keime erstickt. Der Geist, welcher in Allen lebte, war daher im Ganzen ein be¬ friedigender, und ich will gestehen, ich habe schöne Tage in der Mitte meiner Kameraden verlebt, Tage, deren Erinnerungsbild nie meinem Herzen verblühen wird. Ja, ein lustiges, schönes Leben ist das eines Landsknechts — heute im heißen Kampf, Entbehrungen jeder Art, morgen in der Garnison bei den wilde¬ sten Zechgelagen, unter dem Fenster hübscher Mädchen, oder im träumerischen Dämmern des süßen Nichtsthuns. Freilich muß man dann anch ein Freischärler sein mit Leib und Seele, ein demokratischer Soldat, kein Kamaschenknöpfer von ehedem und jetzt. Es gehört die Freiheit zum Genuß, wie sie auch die Entbeh¬ rung erträglich macht. Die Schleswig-Holsteinischen Freischaaren waren zwar im Ganzen gut or- ganisirt und bildeten in so fern eine Hcerzugabe, welche Bedeutung beanspruchen konnte. Aber an eine Disciplin im Sinne der Maschine des Linienmilitärs konnte in ihren Reihen nicht gedacht werden. Zum Exerciren war keine Zeit vorhanden, kaum daß die Mehrzahl verstand, Fronte zu machen und das Rechts und Links zu begreifen — es genügte, daß wir schießen, das Bayonett fällen und Hurrah schreien konnten. Damit haben wir manchmal Wunderdinge verrichtet, und die dänische» Rothröcke fürchteten unsere ungestümen ungeregelten Angriffe mehr, als die Batterien der BnndeSartillerie. „Tüdsk Frieskar" war ein Schreckensruf, der jedes Dänenherz erzittern machte. In dem Treffen bei Eckernförde sah ich einen Angriff, der hierfür als Beleg dienen kann. Achtzig Berliner, sämmtlich Barri¬ kadenmänner der Märztage, wie sie wohlgefällig selbst sich nannten, mit treffli¬ chen Musketen ans dem königlichen Zeughaus bewaffnet, standen dorr zum ersten Male einem dänischen Bataillon gegenüber. Noch tausend Schritte von demselben entfernt, schössen sie schon ab, nahmen sich aber nicht mehr Zeit zu neuem Laden, sondern stürmten mit gefälltem Bayonett auf den Feind. Dieser hätte das toll' kühne, vom Lauf ermüdete Häuflein vollständig massaknren können, aber so be¬ stürzt und erstaunt waren die Dänen, daß sie, nachdem ihre Salve, weil zu hoch gezielt, keinen Schaden gethan, sobald die Berliner nur noch zwanzig Schritte von ihnen entfernt waren, plötzlich umkehrten und nnn ihrerseits mit fabelhafter Behendigkeit zu laufen begannen und nicht eher stille standen, als am Meeres- strand unter dem Schutz ihrer Kanonenböte. Bei Missunde haben wir am ersten Ostertag, sechzig Mann statt, ni'er siebenhundert Dänen, welchen wir in den Rücken fielen, in die Flucht getrieben. Und so könnte ich noch viele Thatsachen anführen, welche nickt allein für den Werth der Freischaaren sprechen, sondern auch beweisen, daß der Mieth und die Begeisterung derselben mindestens eben so viel werth ist, als alle KnegSkuust und Disciplin. Den Oberbefehl über sämmtliche Freicorps führte der preußische Major von Gersdorf, ein tapferer Soldat, der ehedem im Kaukasus gerümpft, überdies ein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/441>, abgerufen am 26.06.2024.