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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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40 Millionen zu Gefangenen mache und deren weites Gebiet einschließe. Das
dürfe der Deutsche zur Ehre seines eigenen Namens und im Interesse seines Volkes
nicht wieder und auch nicht länger dulden.

Ein Engländer bat dann um die Erlaubniß, in der Eigenschaft eines Welt¬
bürgers ein paar Worte reden zu dürfen, und forderte die Deutschen auf, nicht
durch Kriegsschiffe und Kanonen groß sein zu wollen, sondern durch das, wodurch
es bis jetzt, nach England, die bedeutendste Nation gewesen, -- durch die Macht
des Gedankens! lind jetzt, wo Lamartine, Cobden und Amerika nur Frieden
wünschten und eine allgemeine Verbrüderung aller Nationen im Frieden und durch
den Frieden, sollte Deutschland nicht darauf ausgehen, sich für den Krieg zu rüsten,
durch den es nie groß werden könne.

Es war ein Mitglied der "pence sseiet^," sein weißes Halstuch besagte
schon etwas von diesem Charakter. Doch sprach er gut und wenn auch nicht in
dem Sinne der gegenwärtigen Versammlung, doch mit Anerkennung ihres Bestre¬
bens. Herr Professor Forchheimer aus Kiel sprach dann zu Gunsten der deutschen
Häfen, deren Zugänglichkeit bezweifelt worden war und vorzüglich nannte er Kiel
und Flensburg als ganz geeignet, eine Kriegsflotte aufzunehmen. Herr Franz
Thinen aus Berlin, ein enthusiastischer Patriot, legte mit vieler Wärme ein gutes
Wort für die Sache ein und rühmte unsere Matrosen, als denen aller andern
Völker in Erziehung und Geschick vorgehend. Herr Gersteuberg aber, ein natura-
listrter Londoner Deutscher und doch noch ein Deutscher, sprach mit vieler Wärme
für die Sache und forderte besonders ans, daß jeder, auch der ärmste Deutsche,
der Arbeiter, der Handwerker sein Scherflein beitragen sollte -- denn 100,000
Schärflein machten ein hübsches Ganze, und überdem habe ein solcher Beitrag
in diesem Augenblick noch den besondern Werth, darzuthun, welcher Deutsche
hier wirklich noch deutsch gesinnt sei, man wolle daher jeden einzeln mit Namen
aufführen und dadurch alle jene, die sich bei dieser Gelegenheit nicht als Deutsche
zeigten, mit dem Stempel der Verachtung vor den Augen der Welt brand¬
marken. -- Dies war stark gesprochen und gut gesagt. Es wird diese Stiftung
also wie eine Art römische Kopfsteuer ausfallen. So wird man auch statistisch
darthun können, wie viel Deutsche eigentlich in England leben. -- Aber ein
Versehen ist dabei gemacht. Man will nur die männlichen Köpfe zählen, und es
läßt sich doch annehmen, daß die Frauen bis dahin eine Hälfte der deutscheu Be¬
völkerung hier ausgemacht haben. Warum sie also auslassen? --

Endlich wurde abgestimmt und die Beschlüsse vorgelesen. Es stellte sich
heraus, daß mau schon 1500 Pfd. Se. beisammen hatte; der Prinz von Preußen
(allgemeines Zischen und Stampfen) - gab dazu 1000 Pfd. Se. (das Geld ist
ganz gut, rief man) -- Chevalier Bunsen -- (ein Murmeln des Mißvergnügens)
25 Pfd. Se. -- und zugleich hatte der Herr Gesandte sich erbeten, bei der näch¬
sten Versammlung den Vorsitz zu führen, was ohne Zweifel die deutschen "Snobs,,


40 Millionen zu Gefangenen mache und deren weites Gebiet einschließe. Das
dürfe der Deutsche zur Ehre seines eigenen Namens und im Interesse seines Volkes
nicht wieder und auch nicht länger dulden.

Ein Engländer bat dann um die Erlaubniß, in der Eigenschaft eines Welt¬
bürgers ein paar Worte reden zu dürfen, und forderte die Deutschen auf, nicht
durch Kriegsschiffe und Kanonen groß sein zu wollen, sondern durch das, wodurch
es bis jetzt, nach England, die bedeutendste Nation gewesen, — durch die Macht
des Gedankens! lind jetzt, wo Lamartine, Cobden und Amerika nur Frieden
wünschten und eine allgemeine Verbrüderung aller Nationen im Frieden und durch
den Frieden, sollte Deutschland nicht darauf ausgehen, sich für den Krieg zu rüsten,
durch den es nie groß werden könne.

Es war ein Mitglied der „pence sseiet^," sein weißes Halstuch besagte
schon etwas von diesem Charakter. Doch sprach er gut und wenn auch nicht in
dem Sinne der gegenwärtigen Versammlung, doch mit Anerkennung ihres Bestre¬
bens. Herr Professor Forchheimer aus Kiel sprach dann zu Gunsten der deutschen
Häfen, deren Zugänglichkeit bezweifelt worden war und vorzüglich nannte er Kiel
und Flensburg als ganz geeignet, eine Kriegsflotte aufzunehmen. Herr Franz
Thinen aus Berlin, ein enthusiastischer Patriot, legte mit vieler Wärme ein gutes
Wort für die Sache ein und rühmte unsere Matrosen, als denen aller andern
Völker in Erziehung und Geschick vorgehend. Herr Gersteuberg aber, ein natura-
listrter Londoner Deutscher und doch noch ein Deutscher, sprach mit vieler Wärme
für die Sache und forderte besonders ans, daß jeder, auch der ärmste Deutsche,
der Arbeiter, der Handwerker sein Scherflein beitragen sollte — denn 100,000
Schärflein machten ein hübsches Ganze, und überdem habe ein solcher Beitrag
in diesem Augenblick noch den besondern Werth, darzuthun, welcher Deutsche
hier wirklich noch deutsch gesinnt sei, man wolle daher jeden einzeln mit Namen
aufführen und dadurch alle jene, die sich bei dieser Gelegenheit nicht als Deutsche
zeigten, mit dem Stempel der Verachtung vor den Augen der Welt brand¬
marken. — Dies war stark gesprochen und gut gesagt. Es wird diese Stiftung
also wie eine Art römische Kopfsteuer ausfallen. So wird man auch statistisch
darthun können, wie viel Deutsche eigentlich in England leben. — Aber ein
Versehen ist dabei gemacht. Man will nur die männlichen Köpfe zählen, und es
läßt sich doch annehmen, daß die Frauen bis dahin eine Hälfte der deutscheu Be¬
völkerung hier ausgemacht haben. Warum sie also auslassen? —

Endlich wurde abgestimmt und die Beschlüsse vorgelesen. Es stellte sich
heraus, daß mau schon 1500 Pfd. Se. beisammen hatte; der Prinz von Preußen
(allgemeines Zischen und Stampfen) - gab dazu 1000 Pfd. Se. (das Geld ist
ganz gut, rief man) — Chevalier Bunsen — (ein Murmeln des Mißvergnügens)
25 Pfd. Se. — und zugleich hatte der Herr Gesandte sich erbeten, bei der näch¬
sten Versammlung den Vorsitz zu führen, was ohne Zweifel die deutschen „Snobs,,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/407>, abgerufen am 26.06.2024.