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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Fassung Grund zu vielen Bedenken und Besorgnissen. Ich sage in seiner vor¬
läufigen Fassung, denn das "Oestreicherthum," das von der czechischen Partei des
Congresses unter der Leitung von Palacky und Hawliczek vorangetragen wird,
wird eine starke Opposition finden. Der Pole will wenig von der Souveränität
und Integrität Oestreichs wissen, seine offene Natur wird sich bald von einer
Fraktion lossagen, die ihre Zwecke nur im Schaafspelz des loyalen Ocstrei-
cherthnms erreichen zu können meint. Der Pole ist nach Prag gekommen, um
zu sehn, ob er den Böhmen als Werkzeug zur Befreiung seines Vaterlandes
brauchen könne, innerlich haßt er den Czechen und wird ihn fallen lassen, wenn
er seine Zwecke erreicht hat. Den Illyrien ist es um ein eigenes Königthum,
den Bosniern einfach um das Loskommen von türkischer Herrschaft zu thun. Daß
der Böhme und der Dalmate gemeinsame Zwecke haben können, kann nnr im
"onfnsen Kopfe eines durch die Grammatik fanatisirten Panslaven geschrieben stehn;
alles was noch in Böhmen gesunden Menschenverstand hat -- und es ist eine
gute Masse, trotz alle dem, -- kümmert sich nicht im mindesten um die Völker¬
verwandtschaften, die bis in Sem's und Japhet's Zeiten zurückgehn. Das Wör¬
terbuch und die philologische Gelehrsamkeit haben den modernen Panslavismus
erzeugt, alles was vernünftig und praktisch ist: Interessen, gesunder Volkssinn
wird ihn zu seiner wahren Bedeutung zurückführen. Die Zeit wird viel thun;
ich hoffe der Tag ist nicht fern, wo anch der für das Czechcnthnm schwärmende
es einsehen wird, daß der Deutsche, dessen Sprache er eben so gut spricht als
der Deutsche selbst, der Deutsche, mit dem er eine gemeinsame Geschichte getheilt
und Jcchrhnnderte lang dasselbe Land bewohnt hat, daß der Deutsche, sage ich,
ihm näher, tausendmal näher steht, als der Crvat, der Pole, der Russe. Ein
Panslavismus, eine Vereinigung aller Slaven ist nur denkbar uuter dem eisernen
Scepter Rußlands; in der Art, wie ihn die czechische Partei sich denkt, ist er
ebenso widersinnig wie ein Pangermanismus, der eine Vereinigung von Deutschen,
^ Schweden und Engländern wäre").



R. I""" I"nos ceo.
Nach der Schlacht am weißen Berge überfiel uns ein Schlaf, und in Czechien hat sich
das deutsche Gesinde! (ttolow) eingenistet.
Und als nun die Sonne aufging, löst sich der Czeche vom Traume los und blickt auf die
schwävi,che Wirthschaft mit seltsamen Augen.
Ueber ihn kam der spitzbübische Deutsche, dieser verdammte Verwalter: "Lieber Czcche,
jetzt bist du ein Deutscher, jetzt gehörst du sammt deinem Boden uns an."

*) Ich habe oben eine Probe jener ncuslavischcn Poesie geliefert, die das böhmische Volk
zum Hasse gegen die Deutschen aufregt. Hier sind noch zwei Lieder ähnlichen Inhalts. Sie
mögen den Deutschen beweisen, daß die Beschuldigungen terroristischer Bedrückung nicht unge¬
recht sind.
50*

Fassung Grund zu vielen Bedenken und Besorgnissen. Ich sage in seiner vor¬
läufigen Fassung, denn das „Oestreicherthum," das von der czechischen Partei des
Congresses unter der Leitung von Palacky und Hawliczek vorangetragen wird,
wird eine starke Opposition finden. Der Pole will wenig von der Souveränität
und Integrität Oestreichs wissen, seine offene Natur wird sich bald von einer
Fraktion lossagen, die ihre Zwecke nur im Schaafspelz des loyalen Ocstrei-
cherthnms erreichen zu können meint. Der Pole ist nach Prag gekommen, um
zu sehn, ob er den Böhmen als Werkzeug zur Befreiung seines Vaterlandes
brauchen könne, innerlich haßt er den Czechen und wird ihn fallen lassen, wenn
er seine Zwecke erreicht hat. Den Illyrien ist es um ein eigenes Königthum,
den Bosniern einfach um das Loskommen von türkischer Herrschaft zu thun. Daß
der Böhme und der Dalmate gemeinsame Zwecke haben können, kann nnr im
«onfnsen Kopfe eines durch die Grammatik fanatisirten Panslaven geschrieben stehn;
alles was noch in Böhmen gesunden Menschenverstand hat — und es ist eine
gute Masse, trotz alle dem, — kümmert sich nicht im mindesten um die Völker¬
verwandtschaften, die bis in Sem's und Japhet's Zeiten zurückgehn. Das Wör¬
terbuch und die philologische Gelehrsamkeit haben den modernen Panslavismus
erzeugt, alles was vernünftig und praktisch ist: Interessen, gesunder Volkssinn
wird ihn zu seiner wahren Bedeutung zurückführen. Die Zeit wird viel thun;
ich hoffe der Tag ist nicht fern, wo anch der für das Czechcnthnm schwärmende
es einsehen wird, daß der Deutsche, dessen Sprache er eben so gut spricht als
der Deutsche selbst, der Deutsche, mit dem er eine gemeinsame Geschichte getheilt
und Jcchrhnnderte lang dasselbe Land bewohnt hat, daß der Deutsche, sage ich,
ihm näher, tausendmal näher steht, als der Crvat, der Pole, der Russe. Ein
Panslavismus, eine Vereinigung aller Slaven ist nur denkbar uuter dem eisernen
Scepter Rußlands; in der Art, wie ihn die czechische Partei sich denkt, ist er
ebenso widersinnig wie ein Pangermanismus, der eine Vereinigung von Deutschen,
^ Schweden und Engländern wäre").



R. I"«» I»nos ceo.
Nach der Schlacht am weißen Berge überfiel uns ein Schlaf, und in Czechien hat sich
das deutsche Gesinde! (ttolow) eingenistet.
Und als nun die Sonne aufging, löst sich der Czeche vom Traume los und blickt auf die
schwävi,che Wirthschaft mit seltsamen Augen.
Ueber ihn kam der spitzbübische Deutsche, dieser verdammte Verwalter: „Lieber Czcche,
jetzt bist du ein Deutscher, jetzt gehörst du sammt deinem Boden uns an."

*) Ich habe oben eine Probe jener ncuslavischcn Poesie geliefert, die das böhmische Volk
zum Hasse gegen die Deutschen aufregt. Hier sind noch zwei Lieder ähnlichen Inhalts. Sie
mögen den Deutschen beweisen, daß die Beschuldigungen terroristischer Bedrückung nicht unge¬
recht sind.
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[0397] Fassung Grund zu vielen Bedenken und Besorgnissen. Ich sage in seiner vor¬ läufigen Fassung, denn das „Oestreicherthum," das von der czechischen Partei des Congresses unter der Leitung von Palacky und Hawliczek vorangetragen wird, wird eine starke Opposition finden. Der Pole will wenig von der Souveränität und Integrität Oestreichs wissen, seine offene Natur wird sich bald von einer Fraktion lossagen, die ihre Zwecke nur im Schaafspelz des loyalen Ocstrei- cherthnms erreichen zu können meint. Der Pole ist nach Prag gekommen, um zu sehn, ob er den Böhmen als Werkzeug zur Befreiung seines Vaterlandes brauchen könne, innerlich haßt er den Czechen und wird ihn fallen lassen, wenn er seine Zwecke erreicht hat. Den Illyrien ist es um ein eigenes Königthum, den Bosniern einfach um das Loskommen von türkischer Herrschaft zu thun. Daß der Böhme und der Dalmate gemeinsame Zwecke haben können, kann nnr im «onfnsen Kopfe eines durch die Grammatik fanatisirten Panslaven geschrieben stehn; alles was noch in Böhmen gesunden Menschenverstand hat — und es ist eine gute Masse, trotz alle dem, — kümmert sich nicht im mindesten um die Völker¬ verwandtschaften, die bis in Sem's und Japhet's Zeiten zurückgehn. Das Wör¬ terbuch und die philologische Gelehrsamkeit haben den modernen Panslavismus erzeugt, alles was vernünftig und praktisch ist: Interessen, gesunder Volkssinn wird ihn zu seiner wahren Bedeutung zurückführen. Die Zeit wird viel thun; ich hoffe der Tag ist nicht fern, wo anch der für das Czechcnthnm schwärmende es einsehen wird, daß der Deutsche, dessen Sprache er eben so gut spricht als der Deutsche selbst, der Deutsche, mit dem er eine gemeinsame Geschichte getheilt und Jcchrhnnderte lang dasselbe Land bewohnt hat, daß der Deutsche, sage ich, ihm näher, tausendmal näher steht, als der Crvat, der Pole, der Russe. Ein Panslavismus, eine Vereinigung aller Slaven ist nur denkbar uuter dem eisernen Scepter Rußlands; in der Art, wie ihn die czechische Partei sich denkt, ist er ebenso widersinnig wie ein Pangermanismus, der eine Vereinigung von Deutschen, ^ Schweden und Engländern wäre"). R. I"«» I»nos ceo. Nach der Schlacht am weißen Berge überfiel uns ein Schlaf, und in Czechien hat sich das deutsche Gesinde! (ttolow) eingenistet. Und als nun die Sonne aufging, löst sich der Czeche vom Traume los und blickt auf die schwävi,che Wirthschaft mit seltsamen Augen. Ueber ihn kam der spitzbübische Deutsche, dieser verdammte Verwalter: „Lieber Czcche, jetzt bist du ein Deutscher, jetzt gehörst du sammt deinem Boden uns an." *) Ich habe oben eine Probe jener ncuslavischcn Poesie geliefert, die das böhmische Volk zum Hasse gegen die Deutschen aufregt. Hier sind noch zwei Lieder ähnlichen Inhalts. Sie mögen den Deutschen beweisen, daß die Beschuldigungen terroristischer Bedrückung nicht unge¬ recht sind. 50*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/397>, abgerufen am 26.06.2024.