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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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uarchie umgeben soll, wenn sie offen eine slavische Politik einzuschlagen gesonnen
ist, ist eine Anspielung auf den Erwerb der Donaufürstenthümer. Aber man
verändert die Basis einer großen Monarchie eben so wenig, als man einen
Münster ans Rädern von einem Land zum andern fortschaffen kann. Oestreich
hatte nur Sinn und Bedeutung als deutsche Macht, die Bestimmung Oestreichs
war, die slavischen Naturvölker zur deutschen Civilisation emporzuheben, sie als
Mitgift dem deutscheu Bunde zuzuführen; von dem Augenblick an, wo die östrei¬
chische Regierung durch Schwäche oder Unglauben an sich selbst nicht mehr im
Stande ist, diesen Beruf zu erfüllen, bricht Oestreich zusammen und ist werth,
daß es zerfällt. Dann kann nur eine Macht die Mission übernehmen, die Oest¬
reich ans den Händen fallen ließ: es ist der deutsche Bund, der Bund, der in
Frankfurt geschaffen wird.

In einem zweiten Punkt des Programms find die Modalitäten deö neuen
slavischen Bundesstaats entwickelt. Es soll ein Bund gleichberechtigter Nationali¬
täten sein, keine soll unterdrückt werden. Gern werde allen übrigen Völkern der
Monarchie die Hand geboten, auf einem Völkertage in Wien mögen sich die
gleichberechtigten Völker Oestreichs durch eine gleiche Anzahl von Vertretern über
ihre gemeinschaftlichen Interessen verständigen. Dieser Punkt bedarf sehr der Erläute¬
rung. Es sieht sehr schön aus, wenn die Slaven von einer gleichen Anzahl von
Vertretern in Wien sprechen, aber wer sie kennt, wird nie glauben, daß sie gesonnen
sind, das Gewicht ihrer numerischen Ueberzahl so leichten Kaufes hinzugebe".
Oestreich bat achtzehn Millionen Slaven bei sechs Millionen deutscher Bevölkerung,
auf einem souveränen Reichstag in Wien würde das deutsche Princip immerdar
von der slavischen Majorität erdrückt werden. Uebrigens sagt ein anderes Mani¬
fest des Slavencongresses: da Oestreich als ein Bund gleichberechtigter Völker
zu betrachten sei, so müsse sich jeder slavische Deputirte am Reichstag in Wien
auch seiner slavischen Sprache bedienen können. Aus diesem einzigen Punkt geht
die Unmöglichkeit des Wiener Reichstags hervor. Wenn die deutsche Sprache
nicht das vereinende Medium der verschiedenen Volksstämme bleibt, so bricht
Oestreich als solches auseinander. Soll Wien slavisch lernen? Ich meine, durch
die Reihe ihrer Revolutionen, die wir bereits mit angesehen, hat diese schöne
Stadt schon hinlänglich gezeigt, daß sie dazu keine Lust hat. Sie hat drei Re¬
volutionen gemacht, um ihr Deutschthum zu beweisen, sie wird noch eine vierte
machen, wenn es an der Zeit ist. Sie hat es erkannt, daß sie vor Allem eine
deutsche Stadt ist und wenn sie eingesehen haben wird, daß sie nicht mehr die
alte "Kaiserstadt" sein kann, wird sie sich darein finden, die Hauptstadt der verei¬
nigten Staaten von Süddentschland zu sein....

Ein dritter Punkt des Programms spricht Wünsche zur Begründung einer
literarischen Wechselseitigkeit unter allen slavischen Völkern aus; er ist minder


Grinzbolc". II. I "4". 5g

uarchie umgeben soll, wenn sie offen eine slavische Politik einzuschlagen gesonnen
ist, ist eine Anspielung auf den Erwerb der Donaufürstenthümer. Aber man
verändert die Basis einer großen Monarchie eben so wenig, als man einen
Münster ans Rädern von einem Land zum andern fortschaffen kann. Oestreich
hatte nur Sinn und Bedeutung als deutsche Macht, die Bestimmung Oestreichs
war, die slavischen Naturvölker zur deutschen Civilisation emporzuheben, sie als
Mitgift dem deutscheu Bunde zuzuführen; von dem Augenblick an, wo die östrei¬
chische Regierung durch Schwäche oder Unglauben an sich selbst nicht mehr im
Stande ist, diesen Beruf zu erfüllen, bricht Oestreich zusammen und ist werth,
daß es zerfällt. Dann kann nur eine Macht die Mission übernehmen, die Oest¬
reich ans den Händen fallen ließ: es ist der deutsche Bund, der Bund, der in
Frankfurt geschaffen wird.

In einem zweiten Punkt des Programms find die Modalitäten deö neuen
slavischen Bundesstaats entwickelt. Es soll ein Bund gleichberechtigter Nationali¬
täten sein, keine soll unterdrückt werden. Gern werde allen übrigen Völkern der
Monarchie die Hand geboten, auf einem Völkertage in Wien mögen sich die
gleichberechtigten Völker Oestreichs durch eine gleiche Anzahl von Vertretern über
ihre gemeinschaftlichen Interessen verständigen. Dieser Punkt bedarf sehr der Erläute¬
rung. Es sieht sehr schön aus, wenn die Slaven von einer gleichen Anzahl von
Vertretern in Wien sprechen, aber wer sie kennt, wird nie glauben, daß sie gesonnen
sind, das Gewicht ihrer numerischen Ueberzahl so leichten Kaufes hinzugebe».
Oestreich bat achtzehn Millionen Slaven bei sechs Millionen deutscher Bevölkerung,
auf einem souveränen Reichstag in Wien würde das deutsche Princip immerdar
von der slavischen Majorität erdrückt werden. Uebrigens sagt ein anderes Mani¬
fest des Slavencongresses: da Oestreich als ein Bund gleichberechtigter Völker
zu betrachten sei, so müsse sich jeder slavische Deputirte am Reichstag in Wien
auch seiner slavischen Sprache bedienen können. Aus diesem einzigen Punkt geht
die Unmöglichkeit des Wiener Reichstags hervor. Wenn die deutsche Sprache
nicht das vereinende Medium der verschiedenen Volksstämme bleibt, so bricht
Oestreich als solches auseinander. Soll Wien slavisch lernen? Ich meine, durch
die Reihe ihrer Revolutionen, die wir bereits mit angesehen, hat diese schöne
Stadt schon hinlänglich gezeigt, daß sie dazu keine Lust hat. Sie hat drei Re¬
volutionen gemacht, um ihr Deutschthum zu beweisen, sie wird noch eine vierte
machen, wenn es an der Zeit ist. Sie hat es erkannt, daß sie vor Allem eine
deutsche Stadt ist und wenn sie eingesehen haben wird, daß sie nicht mehr die
alte „Kaiserstadt" sein kann, wird sie sich darein finden, die Hauptstadt der verei¬
nigten Staaten von Süddentschland zu sein....

Ein dritter Punkt des Programms spricht Wünsche zur Begründung einer
literarischen Wechselseitigkeit unter allen slavischen Völkern aus; er ist minder


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[0395] uarchie umgeben soll, wenn sie offen eine slavische Politik einzuschlagen gesonnen ist, ist eine Anspielung auf den Erwerb der Donaufürstenthümer. Aber man verändert die Basis einer großen Monarchie eben so wenig, als man einen Münster ans Rädern von einem Land zum andern fortschaffen kann. Oestreich hatte nur Sinn und Bedeutung als deutsche Macht, die Bestimmung Oestreichs war, die slavischen Naturvölker zur deutschen Civilisation emporzuheben, sie als Mitgift dem deutscheu Bunde zuzuführen; von dem Augenblick an, wo die östrei¬ chische Regierung durch Schwäche oder Unglauben an sich selbst nicht mehr im Stande ist, diesen Beruf zu erfüllen, bricht Oestreich zusammen und ist werth, daß es zerfällt. Dann kann nur eine Macht die Mission übernehmen, die Oest¬ reich ans den Händen fallen ließ: es ist der deutsche Bund, der Bund, der in Frankfurt geschaffen wird. In einem zweiten Punkt des Programms find die Modalitäten deö neuen slavischen Bundesstaats entwickelt. Es soll ein Bund gleichberechtigter Nationali¬ täten sein, keine soll unterdrückt werden. Gern werde allen übrigen Völkern der Monarchie die Hand geboten, auf einem Völkertage in Wien mögen sich die gleichberechtigten Völker Oestreichs durch eine gleiche Anzahl von Vertretern über ihre gemeinschaftlichen Interessen verständigen. Dieser Punkt bedarf sehr der Erläute¬ rung. Es sieht sehr schön aus, wenn die Slaven von einer gleichen Anzahl von Vertretern in Wien sprechen, aber wer sie kennt, wird nie glauben, daß sie gesonnen sind, das Gewicht ihrer numerischen Ueberzahl so leichten Kaufes hinzugebe». Oestreich bat achtzehn Millionen Slaven bei sechs Millionen deutscher Bevölkerung, auf einem souveränen Reichstag in Wien würde das deutsche Princip immerdar von der slavischen Majorität erdrückt werden. Uebrigens sagt ein anderes Mani¬ fest des Slavencongresses: da Oestreich als ein Bund gleichberechtigter Völker zu betrachten sei, so müsse sich jeder slavische Deputirte am Reichstag in Wien auch seiner slavischen Sprache bedienen können. Aus diesem einzigen Punkt geht die Unmöglichkeit des Wiener Reichstags hervor. Wenn die deutsche Sprache nicht das vereinende Medium der verschiedenen Volksstämme bleibt, so bricht Oestreich als solches auseinander. Soll Wien slavisch lernen? Ich meine, durch die Reihe ihrer Revolutionen, die wir bereits mit angesehen, hat diese schöne Stadt schon hinlänglich gezeigt, daß sie dazu keine Lust hat. Sie hat drei Re¬ volutionen gemacht, um ihr Deutschthum zu beweisen, sie wird noch eine vierte machen, wenn es an der Zeit ist. Sie hat es erkannt, daß sie vor Allem eine deutsche Stadt ist und wenn sie eingesehen haben wird, daß sie nicht mehr die alte „Kaiserstadt" sein kann, wird sie sich darein finden, die Hauptstadt der verei¬ nigten Staaten von Süddentschland zu sein.... Ein dritter Punkt des Programms spricht Wünsche zur Begründung einer literarischen Wechselseitigkeit unter allen slavischen Völkern aus; er ist minder Grinzbolc». II. I »4». 5g

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/395>, abgerufen am 26.06.2024.