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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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wurden sie auf's' feierlichste empfangen. Die Studentenverbindung Slavia, die
an "00 Mitglieder zählt, hatte sich im Bahnhöfe aufgestellt. Der Train, auf
dem die czechische und slavische Fahne wehte, wurde mit lautem Slavaruf empfan¬
gen. Das Lied: "Noch ist Polen nicht verloren" wurde angestimmt und unter
Vortragen der slavischen Fahnen begab sich der Zug der Deputirten mit seinem
ganzen Geleite zur Färberinsel. Der Saal, der so viel fröhliche Faschingsseste
mit angesehen hatte, ward nun die Rednerbühne des Panslavismus. Mehrere
Abgeordnete hielten im Namen ihrer Länder Reden an die Czechen, welche von
Mitgliedern der Swornost beantwortet wurden. Nachdem manche Rede gehalten
worden, in welcher das Wort nemoc wieder und wieder Mit bitterer oder drohen¬
der Betonung vorkam, nachdem manches Slava gerufen und viele Mützen ge¬
schwungen worden, verließ die Deputation den Saal, und nun wurde aus dem
Heimwege ein anderes Lied angestimmt -- ein Lied auf das deutsche Parlament.
Es ist zu charakteristisch, als daß ich's nicht Hieher setzen sollte:

"Schuselka schreibt uns aus dem deutschen Reiche, daß wir ihm zu Hilfe
kommen sollen, weil es ihm im Banche knurrt. O ihr elenden Deutschen, wir
spielen nicht mit euch! Was ihr euch dort eingebrockt, das eßt nnn selbst auf.

Deutschland ist euer, Czechien unser, blast nicht ans Frankfurt in unsern
slavischen Brei.

Frankfurt wird erschrecken und das Käppchen abziehn, wenn der czechische
Löwe die Mähne schüttelt und mit dem Schweife schlägt.

linn lest'uiil luntö, kleines Parlamente! wir wollen dir zum Abführen eingeben
wart nur, sappermente!"

So sangen die bewaffneten Begleiter der Deputirten und die Deputirten
selbst. Dies war das Vorspiel des slavischen Parlaments.

Am andern Tage gab das provisorische Centralcomit,- des Slavencongresses
sein Programm über die abzuhandelnden Fragen heraus. Sie reduciren sich vor¬
läufig auf fünf Punkte. Der erste betrifft den Abschluß eines Schutz- und Trutz¬
bündnisses zwischen allen slavischen Ländern. Man meint, dieser Bund könne nur
durch Auflösung Oestreichs, durch Auflösung aller ungarischen Souveränitätsrechte
zu Stande kommen und sei überhaupt mit einem Fortbestande Oestreichs undenk¬
bar, weil es natürlicherweise ein Sonderbund sein müsse. Der Jesuitismus der
slavischen Partei läugnet dies. Er sagt: "nur dnrch einen Volksbund aller Slaven,
nur durch die Gestaltung Oestreichs zu einem Bundesstaat könne dieses wieder
stark werden. Durch die freie Vereinigung der Völker werde die constitutionelle
Freiheit und die Heilighaltung der Nationalitäten garantirt, so wie andererseits
der Kaiserkrone noch ein hoher Glanz gesichert werde, wenn selbst ein Theil der
Monarchie verloren gehen müßte." Die Sprache in diesen letzten Zeilen bedarf
kaum des Commentars. Mit dein Theile der Monarchie, der verloren gehen müsse,
ist die Lombardei, vielleicht auch Galizien gemeint; der neue Glanz, der die Mo-


wurden sie auf's' feierlichste empfangen. Die Studentenverbindung Slavia, die
an «00 Mitglieder zählt, hatte sich im Bahnhöfe aufgestellt. Der Train, auf
dem die czechische und slavische Fahne wehte, wurde mit lautem Slavaruf empfan¬
gen. Das Lied: „Noch ist Polen nicht verloren" wurde angestimmt und unter
Vortragen der slavischen Fahnen begab sich der Zug der Deputirten mit seinem
ganzen Geleite zur Färberinsel. Der Saal, der so viel fröhliche Faschingsseste
mit angesehen hatte, ward nun die Rednerbühne des Panslavismus. Mehrere
Abgeordnete hielten im Namen ihrer Länder Reden an die Czechen, welche von
Mitgliedern der Swornost beantwortet wurden. Nachdem manche Rede gehalten
worden, in welcher das Wort nemoc wieder und wieder Mit bitterer oder drohen¬
der Betonung vorkam, nachdem manches Slava gerufen und viele Mützen ge¬
schwungen worden, verließ die Deputation den Saal, und nun wurde aus dem
Heimwege ein anderes Lied angestimmt — ein Lied auf das deutsche Parlament.
Es ist zu charakteristisch, als daß ich's nicht Hieher setzen sollte:

„Schuselka schreibt uns aus dem deutschen Reiche, daß wir ihm zu Hilfe
kommen sollen, weil es ihm im Banche knurrt. O ihr elenden Deutschen, wir
spielen nicht mit euch! Was ihr euch dort eingebrockt, das eßt nnn selbst auf.

Deutschland ist euer, Czechien unser, blast nicht ans Frankfurt in unsern
slavischen Brei.

Frankfurt wird erschrecken und das Käppchen abziehn, wenn der czechische
Löwe die Mähne schüttelt und mit dem Schweife schlägt.

linn lest'uiil luntö, kleines Parlamente! wir wollen dir zum Abführen eingeben
wart nur, sappermente!"

So sangen die bewaffneten Begleiter der Deputirten und die Deputirten
selbst. Dies war das Vorspiel des slavischen Parlaments.

Am andern Tage gab das provisorische Centralcomit,- des Slavencongresses
sein Programm über die abzuhandelnden Fragen heraus. Sie reduciren sich vor¬
läufig auf fünf Punkte. Der erste betrifft den Abschluß eines Schutz- und Trutz¬
bündnisses zwischen allen slavischen Ländern. Man meint, dieser Bund könne nur
durch Auflösung Oestreichs, durch Auflösung aller ungarischen Souveränitätsrechte
zu Stande kommen und sei überhaupt mit einem Fortbestande Oestreichs undenk¬
bar, weil es natürlicherweise ein Sonderbund sein müsse. Der Jesuitismus der
slavischen Partei läugnet dies. Er sagt: „nur dnrch einen Volksbund aller Slaven,
nur durch die Gestaltung Oestreichs zu einem Bundesstaat könne dieses wieder
stark werden. Durch die freie Vereinigung der Völker werde die constitutionelle
Freiheit und die Heilighaltung der Nationalitäten garantirt, so wie andererseits
der Kaiserkrone noch ein hoher Glanz gesichert werde, wenn selbst ein Theil der
Monarchie verloren gehen müßte." Die Sprache in diesen letzten Zeilen bedarf
kaum des Commentars. Mit dein Theile der Monarchie, der verloren gehen müsse,
ist die Lombardei, vielleicht auch Galizien gemeint; der neue Glanz, der die Mo-


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[0394] wurden sie auf's' feierlichste empfangen. Die Studentenverbindung Slavia, die an «00 Mitglieder zählt, hatte sich im Bahnhöfe aufgestellt. Der Train, auf dem die czechische und slavische Fahne wehte, wurde mit lautem Slavaruf empfan¬ gen. Das Lied: „Noch ist Polen nicht verloren" wurde angestimmt und unter Vortragen der slavischen Fahnen begab sich der Zug der Deputirten mit seinem ganzen Geleite zur Färberinsel. Der Saal, der so viel fröhliche Faschingsseste mit angesehen hatte, ward nun die Rednerbühne des Panslavismus. Mehrere Abgeordnete hielten im Namen ihrer Länder Reden an die Czechen, welche von Mitgliedern der Swornost beantwortet wurden. Nachdem manche Rede gehalten worden, in welcher das Wort nemoc wieder und wieder Mit bitterer oder drohen¬ der Betonung vorkam, nachdem manches Slava gerufen und viele Mützen ge¬ schwungen worden, verließ die Deputation den Saal, und nun wurde aus dem Heimwege ein anderes Lied angestimmt — ein Lied auf das deutsche Parlament. Es ist zu charakteristisch, als daß ich's nicht Hieher setzen sollte: „Schuselka schreibt uns aus dem deutschen Reiche, daß wir ihm zu Hilfe kommen sollen, weil es ihm im Banche knurrt. O ihr elenden Deutschen, wir spielen nicht mit euch! Was ihr euch dort eingebrockt, das eßt nnn selbst auf. Deutschland ist euer, Czechien unser, blast nicht ans Frankfurt in unsern slavischen Brei. Frankfurt wird erschrecken und das Käppchen abziehn, wenn der czechische Löwe die Mähne schüttelt und mit dem Schweife schlägt. linn lest'uiil luntö, kleines Parlamente! wir wollen dir zum Abführen eingeben wart nur, sappermente!" So sangen die bewaffneten Begleiter der Deputirten und die Deputirten selbst. Dies war das Vorspiel des slavischen Parlaments. Am andern Tage gab das provisorische Centralcomit,- des Slavencongresses sein Programm über die abzuhandelnden Fragen heraus. Sie reduciren sich vor¬ läufig auf fünf Punkte. Der erste betrifft den Abschluß eines Schutz- und Trutz¬ bündnisses zwischen allen slavischen Ländern. Man meint, dieser Bund könne nur durch Auflösung Oestreichs, durch Auflösung aller ungarischen Souveränitätsrechte zu Stande kommen und sei überhaupt mit einem Fortbestande Oestreichs undenk¬ bar, weil es natürlicherweise ein Sonderbund sein müsse. Der Jesuitismus der slavischen Partei läugnet dies. Er sagt: „nur dnrch einen Volksbund aller Slaven, nur durch die Gestaltung Oestreichs zu einem Bundesstaat könne dieses wieder stark werden. Durch die freie Vereinigung der Völker werde die constitutionelle Freiheit und die Heilighaltung der Nationalitäten garantirt, so wie andererseits der Kaiserkrone noch ein hoher Glanz gesichert werde, wenn selbst ein Theil der Monarchie verloren gehen müßte." Die Sprache in diesen letzten Zeilen bedarf kaum des Commentars. Mit dein Theile der Monarchie, der verloren gehen müsse, ist die Lombardei, vielleicht auch Galizien gemeint; der neue Glanz, der die Mo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/394>, abgerufen am 26.06.2024.