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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Köllner Dom ein Symbol von der Einheit des deutschen Reichs -- und in der
Nähe das einige solide Palais, das Zeughaus im besten Styl des vorigen Jahr¬
hunderts, nicht übertrieben geschmackvoll, aber massiv und tüchtig. Die schönen
Tage dieses Platzes sind wohl leider dahin! Die wallenden Helmbiische, die
Wassenröcke, die in der Sonne funkelnden Cürasse! das Paradespiel, der Stolz
des Hofes, hat ein Ende! Halbverdrossen schleppt der Bürger die Muskete und
deu Säbel nach, und der Student wird das friedfertige Spiel des Kriegs nur
so lange mit Eifer treiben, als es den Reiz der Neuheit hat. Das Bewußtsein
der Sicherheit wird wiederkehren, auch ohne Soldaten und ohne die commcntmäßig
impertinenten Gesichter der Gensdarmen. Die Adler werden einen andern Flug
nehmen müssen! nach Dänemark hin, wo ein feindseliges Volk unsre Brüder
überfällt; nach Rußland, wo der stolze Autokrator -- jetzt der einzige Mal¬
contente unter den herrschenden Mächten, so eben dem freigewordenen Europa
mit der alten legitimen Knute droht.

Das Heer wird bleiben, aber nicht mehr als ein Paradespielzeug, sondern
als die Schule des Volks. Wir wollen nicht den Adel abschaffen, sondern das
ganze Volk adeln, indem wir ihm die Waffen in die Hand geben, und ihm damit
das stolze Selbstgefühl eines freien Mannes einflößen. Die Wehrhaftigkeit wird
nicht mehr ein Symbol des Dienstes, sondern der Freiheit sein.

8uoni la tromba, v intrepillo
In puxuvro ita doree
Bella ö ailrontür Ist mort"
Krkilvmlo lvilvlt"!
^inor tu pitlrii" impitvillo
Klieta l "anAuiAui -Ulori,
?ol terxi", i bei "uclori,
15 i piitnti I" liberlä!

So sang in Verein der Jakobiner und der Moderado im zweiten Act der
Puritaner im königsstädtcr Theater, indem der erste eine schwarz-roth-goldne, der
zweite eine italienische -- grün-weiß-rothe Fahne schwang. Und lilivi-ni und ii-in-i-i,!
brüllten sie wetteifernd und schwangen die beiden Fahnen in einander, und das
Publikum schrie mit und dreimal mußten die halb ausgeschrienen Kehlen das neue
Lied der Freiheit wiederholen. Es heißt auf deutsch: über die Verfassungsform
wollen wir streiten, aber gegen die Russen, gegen die Dänen gehen wir Hand in
Hand! Und wenn wir mit den Hohenzollern rechten über unsre Freiheit, so wollen
wir ihren Adler doch vorantragen, wenn es die Ehre unsrer Nation gilt, und
wir wollen es unserm König nicht nachrechnen, daß wir ihn erobert haben. Preu¬
ßen soll in Deutschland aufgehen, nicht untergehen.

Es ist einigermaßen frivol, daß ich das heitere Spiel der Oper in die sehr
ernsthaften Wirren des Tages hineinziehe. Aber ich habe mich in der That dieser
Frivolität schuldig gemacht, und wenn jene schwarz-roth-goldnen Puritaner mich ge-


Köllner Dom ein Symbol von der Einheit des deutschen Reichs — und in der
Nähe das einige solide Palais, das Zeughaus im besten Styl des vorigen Jahr¬
hunderts, nicht übertrieben geschmackvoll, aber massiv und tüchtig. Die schönen
Tage dieses Platzes sind wohl leider dahin! Die wallenden Helmbiische, die
Wassenröcke, die in der Sonne funkelnden Cürasse! das Paradespiel, der Stolz
des Hofes, hat ein Ende! Halbverdrossen schleppt der Bürger die Muskete und
deu Säbel nach, und der Student wird das friedfertige Spiel des Kriegs nur
so lange mit Eifer treiben, als es den Reiz der Neuheit hat. Das Bewußtsein
der Sicherheit wird wiederkehren, auch ohne Soldaten und ohne die commcntmäßig
impertinenten Gesichter der Gensdarmen. Die Adler werden einen andern Flug
nehmen müssen! nach Dänemark hin, wo ein feindseliges Volk unsre Brüder
überfällt; nach Rußland, wo der stolze Autokrator — jetzt der einzige Mal¬
contente unter den herrschenden Mächten, so eben dem freigewordenen Europa
mit der alten legitimen Knute droht.

Das Heer wird bleiben, aber nicht mehr als ein Paradespielzeug, sondern
als die Schule des Volks. Wir wollen nicht den Adel abschaffen, sondern das
ganze Volk adeln, indem wir ihm die Waffen in die Hand geben, und ihm damit
das stolze Selbstgefühl eines freien Mannes einflößen. Die Wehrhaftigkeit wird
nicht mehr ein Symbol des Dienstes, sondern der Freiheit sein.

8uoni la tromba, v intrepillo
In puxuvro ita doree
Bella ö ailrontür Ist mort«
Krkilvmlo lvilvlt»!
^inor tu pitlrii» impitvillo
Klieta l «anAuiAui -Ulori,
?ol terxi», i bei «uclori,
15 i piitnti I» liberlä!

So sang in Verein der Jakobiner und der Moderado im zweiten Act der
Puritaner im königsstädtcr Theater, indem der erste eine schwarz-roth-goldne, der
zweite eine italienische — grün-weiß-rothe Fahne schwang. Und lilivi-ni und ii-in-i-i,!
brüllten sie wetteifernd und schwangen die beiden Fahnen in einander, und das
Publikum schrie mit und dreimal mußten die halb ausgeschrienen Kehlen das neue
Lied der Freiheit wiederholen. Es heißt auf deutsch: über die Verfassungsform
wollen wir streiten, aber gegen die Russen, gegen die Dänen gehen wir Hand in
Hand! Und wenn wir mit den Hohenzollern rechten über unsre Freiheit, so wollen
wir ihren Adler doch vorantragen, wenn es die Ehre unsrer Nation gilt, und
wir wollen es unserm König nicht nachrechnen, daß wir ihn erobert haben. Preu¬
ßen soll in Deutschland aufgehen, nicht untergehen.

Es ist einigermaßen frivol, daß ich das heitere Spiel der Oper in die sehr
ernsthaften Wirren des Tages hineinziehe. Aber ich habe mich in der That dieser
Frivolität schuldig gemacht, und wenn jene schwarz-roth-goldnen Puritaner mich ge-


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[0022] Köllner Dom ein Symbol von der Einheit des deutschen Reichs — und in der Nähe das einige solide Palais, das Zeughaus im besten Styl des vorigen Jahr¬ hunderts, nicht übertrieben geschmackvoll, aber massiv und tüchtig. Die schönen Tage dieses Platzes sind wohl leider dahin! Die wallenden Helmbiische, die Wassenröcke, die in der Sonne funkelnden Cürasse! das Paradespiel, der Stolz des Hofes, hat ein Ende! Halbverdrossen schleppt der Bürger die Muskete und deu Säbel nach, und der Student wird das friedfertige Spiel des Kriegs nur so lange mit Eifer treiben, als es den Reiz der Neuheit hat. Das Bewußtsein der Sicherheit wird wiederkehren, auch ohne Soldaten und ohne die commcntmäßig impertinenten Gesichter der Gensdarmen. Die Adler werden einen andern Flug nehmen müssen! nach Dänemark hin, wo ein feindseliges Volk unsre Brüder überfällt; nach Rußland, wo der stolze Autokrator — jetzt der einzige Mal¬ contente unter den herrschenden Mächten, so eben dem freigewordenen Europa mit der alten legitimen Knute droht. Das Heer wird bleiben, aber nicht mehr als ein Paradespielzeug, sondern als die Schule des Volks. Wir wollen nicht den Adel abschaffen, sondern das ganze Volk adeln, indem wir ihm die Waffen in die Hand geben, und ihm damit das stolze Selbstgefühl eines freien Mannes einflößen. Die Wehrhaftigkeit wird nicht mehr ein Symbol des Dienstes, sondern der Freiheit sein. 8uoni la tromba, v intrepillo In puxuvro ita doree Bella ö ailrontür Ist mort« Krkilvmlo lvilvlt»! ^inor tu pitlrii» impitvillo Klieta l «anAuiAui -Ulori, ?ol terxi», i bei «uclori, 15 i piitnti I» liberlä! So sang in Verein der Jakobiner und der Moderado im zweiten Act der Puritaner im königsstädtcr Theater, indem der erste eine schwarz-roth-goldne, der zweite eine italienische — grün-weiß-rothe Fahne schwang. Und lilivi-ni und ii-in-i-i,! brüllten sie wetteifernd und schwangen die beiden Fahnen in einander, und das Publikum schrie mit und dreimal mußten die halb ausgeschrienen Kehlen das neue Lied der Freiheit wiederholen. Es heißt auf deutsch: über die Verfassungsform wollen wir streiten, aber gegen die Russen, gegen die Dänen gehen wir Hand in Hand! Und wenn wir mit den Hohenzollern rechten über unsre Freiheit, so wollen wir ihren Adler doch vorantragen, wenn es die Ehre unsrer Nation gilt, und wir wollen es unserm König nicht nachrechnen, daß wir ihn erobert haben. Preu¬ ßen soll in Deutschland aufgehen, nicht untergehen. Es ist einigermaßen frivol, daß ich das heitere Spiel der Oper in die sehr ernsthaften Wirren des Tages hineinziehe. Aber ich habe mich in der That dieser Frivolität schuldig gemacht, und wenn jene schwarz-roth-goldnen Puritaner mich ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/22>, abgerufen am 03.07.2024.