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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Nicht daß Deutschland unbedingt gegen den Anschluß Mailands und Venedigs
wäre. Behaltet es, wenn ihr im Stande seid, es durch italienische Truppen zu
behaupte", aber wir wollen keinen deutschen Soldaten mehr zum Landsknecht ent¬
würdigen lassen, um dafür italienische Bayonette gegen deutsche Bürger in Wien
oder Prag zücken zu sehen. Kann Oesterreich Mailand durch italienische Truppen
behaupten? Vielleicht könnte es, wenn es vor Jahren dazu die Einleitung be¬
gonnen hätte. Aber in einem Lande, das bis vor drei Wochen mit Standrecht
und Spionage gesegnet war und dessen edelste Jugend eine Zeit lang den Spiel¬
berg bevölkerte, hatte das Volk ein Recht: Es ist zu spät! zu sagen, wenn man
mit den Worten: Konstitution und Preßfreiheit, es plötzlich in blinde Schwärmer
für das österreichische Kaiserthum zu verwandeln wähnte.

Das Wiener Cabinet hat vermuthlich, als es die telegraphische Depesche:
Konstitution und Preßfreiheit, nach Mailand sandte, dem greisen Radetzky seine
alten Metternichschen Jnstructionen gelassen! Diese unbegreifliche Politik kann für
Oesterreich verhängnißvoll werden. Wenn es Jllyrien und Dalmatien behalten,
wenn es das Band der' Vasallentreue, welches Ungarn an das Kaiserhaus knüpft,
nicht zerreißen will, so möge es bald mit den Mailändern Frieden schließen. Es
dürfte sonst zu spät kommen.

Beharrt aber das Cabinet auf der Unterjochungspolitik in Italien, so han¬
delt es sich nicht mehr um Oesterreichs Führerschaft im deutschen Bunde, sondern
um seine Aufnahme in denselben.... War der Anschluß an Deutschland nicht buch¬
stäblich gemeint und denkt das Kaiserthum etwa , das Szepter seiner europäischen
Großmächtigkeit zu behalten, dann Gnade Gott den deutschen Völkern der Mo¬
narchie, Gnade Gott dem Fortschritt und der Freiheit!... Dieses Horoskop muß
man Oesterreich stellen, wenn es aus Mailand sich einen Wald voll Lorbern holt...
Zieht dagegen der Krieg sich in die Länge, so kann man nur eine Reihe von Um¬
wälzungen ahnen , deren letztes Wort wir jetzt nicht aussprechen mögen.


I R--um.


Nicht daß Deutschland unbedingt gegen den Anschluß Mailands und Venedigs
wäre. Behaltet es, wenn ihr im Stande seid, es durch italienische Truppen zu
behaupte», aber wir wollen keinen deutschen Soldaten mehr zum Landsknecht ent¬
würdigen lassen, um dafür italienische Bayonette gegen deutsche Bürger in Wien
oder Prag zücken zu sehen. Kann Oesterreich Mailand durch italienische Truppen
behaupten? Vielleicht könnte es, wenn es vor Jahren dazu die Einleitung be¬
gonnen hätte. Aber in einem Lande, das bis vor drei Wochen mit Standrecht
und Spionage gesegnet war und dessen edelste Jugend eine Zeit lang den Spiel¬
berg bevölkerte, hatte das Volk ein Recht: Es ist zu spät! zu sagen, wenn man
mit den Worten: Konstitution und Preßfreiheit, es plötzlich in blinde Schwärmer
für das österreichische Kaiserthum zu verwandeln wähnte.

Das Wiener Cabinet hat vermuthlich, als es die telegraphische Depesche:
Konstitution und Preßfreiheit, nach Mailand sandte, dem greisen Radetzky seine
alten Metternichschen Jnstructionen gelassen! Diese unbegreifliche Politik kann für
Oesterreich verhängnißvoll werden. Wenn es Jllyrien und Dalmatien behalten,
wenn es das Band der' Vasallentreue, welches Ungarn an das Kaiserhaus knüpft,
nicht zerreißen will, so möge es bald mit den Mailändern Frieden schließen. Es
dürfte sonst zu spät kommen.

Beharrt aber das Cabinet auf der Unterjochungspolitik in Italien, so han¬
delt es sich nicht mehr um Oesterreichs Führerschaft im deutschen Bunde, sondern
um seine Aufnahme in denselben.... War der Anschluß an Deutschland nicht buch¬
stäblich gemeint und denkt das Kaiserthum etwa , das Szepter seiner europäischen
Großmächtigkeit zu behalten, dann Gnade Gott den deutschen Völkern der Mo¬
narchie, Gnade Gott dem Fortschritt und der Freiheit!... Dieses Horoskop muß
man Oesterreich stellen, wenn es aus Mailand sich einen Wald voll Lorbern holt...
Zieht dagegen der Krieg sich in die Länge, so kann man nur eine Reihe von Um¬
wälzungen ahnen , deren letztes Wort wir jetzt nicht aussprechen mögen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/16>, abgerufen am 26.06.2024.