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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Sturz der bisherigen Regierungen den einzigen Weg zur Freiheit sah. Aber
diese Partei vergaß, daß in dem Augenblick, wo die Frankfurter Notabeln zu¬
sammenkamen, jene Regierungen bereits gestürzt waren; daß die Revolutionen vom
14. und 19. März die Sachlage vollständig verändert hatten.

Die Abgeordneten der constitutionellen, entschieden liberalen Ministerien der
deutschen Staaten konnten nicht mehr eine Konspiration gegen das Volk genannt
werden, selbst wenn noch viele von den alten Repräsentanten darin saßen. Bisher
das Organ ihrer Höfe, waren sie jetzt das Organ der verantwortlichen, nach dem
Vertrauen des Volks berufenen Minister. Die Aufgabe der Versammlung konnte
also nicht mehr sein, diese zu stürzen, sondern sie zu stützen, dadurch, daß sie
dieselben mit den Wünschen des Volkes bekannt machten, daß sie vermittelten
zwischen den Repräsentanten der Staaten und der Gesammtmeinung des Volkes.

Der gesunde Sinn der großen Majorität der Versammlung hat diese Wahr¬
heit erkannt, sie hat die Stellung, welche ihr die Umstände angewiesen, richtig
gewürdigt; sie hat den Bundestag getrieben, wo der alte Geschäftsschlendrian noch
dominiren wollte, sie hat sich aber mit eben so großer Entschiedenheit gegen alle
anarchischen Versuche gewendet. Sie hat ihrem Ausschuß nicht irgend eine gesetz¬
liche Autorität usnrpiren wollen, sie hat ihm nur die moralische Kraft der vom
Volke geachteten, von den liberalen Regierungen anerkannten Namen übertragen.

Von dieser Seite zurückgewiesen, blieb der republikanischen Partei nichts
anders übrig, als offen die Fahne des Aufstandes aufzupflanzen -- denn an der
Illusion, in der Majorität der neu zu berufenden Nationalversammlung ihre An¬
sichten vertreten zu sehen, mußte sie bald zurückkommen. Die republikanische Schild-
erhebung ist völlig gescheitert, gescheitert in einer Gegend, in der man noch die
meisten Sympathien für diese Art der Republik zu finden meinte.

Zwar bedauern wir es tief, daß so geachtete Männer, wie Hecker, zu diesem
unglückseligen Entschluß haben greifen können; auf der andern Seite aber ist es
gut, daß nun die Bestrebungen der anarchischen Partei im Keime unterdrückt wer¬
den. Die Regierungen, vom Vertrauen des Volks getragen, werden den unge¬
setzlichen Freiheitstendenzen mit Energie ein Ende machen, und die gesetzliche Ent
Wickelung derselben wird dann von der Constituante -- und, man vergesse es
ja nicht! -- von ihrem Einverständniß mit den einzelnen Staaten, ihren Regie¬
rungen und ihren Ständen abhängen. Sie wird die einzelnen Staaten nicht unter¬
drücken wollen, sondern sie heben und die verschiedenen Quellen der Volkskraft in
einen gemeinsamen großen Strom, versöhnend und ausgleichend, zusammenleittu.


Julian Schmidt.


17*

Sturz der bisherigen Regierungen den einzigen Weg zur Freiheit sah. Aber
diese Partei vergaß, daß in dem Augenblick, wo die Frankfurter Notabeln zu¬
sammenkamen, jene Regierungen bereits gestürzt waren; daß die Revolutionen vom
14. und 19. März die Sachlage vollständig verändert hatten.

Die Abgeordneten der constitutionellen, entschieden liberalen Ministerien der
deutschen Staaten konnten nicht mehr eine Konspiration gegen das Volk genannt
werden, selbst wenn noch viele von den alten Repräsentanten darin saßen. Bisher
das Organ ihrer Höfe, waren sie jetzt das Organ der verantwortlichen, nach dem
Vertrauen des Volks berufenen Minister. Die Aufgabe der Versammlung konnte
also nicht mehr sein, diese zu stürzen, sondern sie zu stützen, dadurch, daß sie
dieselben mit den Wünschen des Volkes bekannt machten, daß sie vermittelten
zwischen den Repräsentanten der Staaten und der Gesammtmeinung des Volkes.

Der gesunde Sinn der großen Majorität der Versammlung hat diese Wahr¬
heit erkannt, sie hat die Stellung, welche ihr die Umstände angewiesen, richtig
gewürdigt; sie hat den Bundestag getrieben, wo der alte Geschäftsschlendrian noch
dominiren wollte, sie hat sich aber mit eben so großer Entschiedenheit gegen alle
anarchischen Versuche gewendet. Sie hat ihrem Ausschuß nicht irgend eine gesetz¬
liche Autorität usnrpiren wollen, sie hat ihm nur die moralische Kraft der vom
Volke geachteten, von den liberalen Regierungen anerkannten Namen übertragen.

Von dieser Seite zurückgewiesen, blieb der republikanischen Partei nichts
anders übrig, als offen die Fahne des Aufstandes aufzupflanzen — denn an der
Illusion, in der Majorität der neu zu berufenden Nationalversammlung ihre An¬
sichten vertreten zu sehen, mußte sie bald zurückkommen. Die republikanische Schild-
erhebung ist völlig gescheitert, gescheitert in einer Gegend, in der man noch die
meisten Sympathien für diese Art der Republik zu finden meinte.

Zwar bedauern wir es tief, daß so geachtete Männer, wie Hecker, zu diesem
unglückseligen Entschluß haben greifen können; auf der andern Seite aber ist es
gut, daß nun die Bestrebungen der anarchischen Partei im Keime unterdrückt wer¬
den. Die Regierungen, vom Vertrauen des Volks getragen, werden den unge¬
setzlichen Freiheitstendenzen mit Energie ein Ende machen, und die gesetzliche Ent
Wickelung derselben wird dann von der Constituante — und, man vergesse es
ja nicht! — von ihrem Einverständniß mit den einzelnen Staaten, ihren Regie¬
rungen und ihren Ständen abhängen. Sie wird die einzelnen Staaten nicht unter¬
drücken wollen, sondern sie heben und die verschiedenen Quellen der Volkskraft in
einen gemeinsamen großen Strom, versöhnend und ausgleichend, zusammenleittu.


Julian Schmidt.


17*
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[0137] Sturz der bisherigen Regierungen den einzigen Weg zur Freiheit sah. Aber diese Partei vergaß, daß in dem Augenblick, wo die Frankfurter Notabeln zu¬ sammenkamen, jene Regierungen bereits gestürzt waren; daß die Revolutionen vom 14. und 19. März die Sachlage vollständig verändert hatten. Die Abgeordneten der constitutionellen, entschieden liberalen Ministerien der deutschen Staaten konnten nicht mehr eine Konspiration gegen das Volk genannt werden, selbst wenn noch viele von den alten Repräsentanten darin saßen. Bisher das Organ ihrer Höfe, waren sie jetzt das Organ der verantwortlichen, nach dem Vertrauen des Volks berufenen Minister. Die Aufgabe der Versammlung konnte also nicht mehr sein, diese zu stürzen, sondern sie zu stützen, dadurch, daß sie dieselben mit den Wünschen des Volkes bekannt machten, daß sie vermittelten zwischen den Repräsentanten der Staaten und der Gesammtmeinung des Volkes. Der gesunde Sinn der großen Majorität der Versammlung hat diese Wahr¬ heit erkannt, sie hat die Stellung, welche ihr die Umstände angewiesen, richtig gewürdigt; sie hat den Bundestag getrieben, wo der alte Geschäftsschlendrian noch dominiren wollte, sie hat sich aber mit eben so großer Entschiedenheit gegen alle anarchischen Versuche gewendet. Sie hat ihrem Ausschuß nicht irgend eine gesetz¬ liche Autorität usnrpiren wollen, sie hat ihm nur die moralische Kraft der vom Volke geachteten, von den liberalen Regierungen anerkannten Namen übertragen. Von dieser Seite zurückgewiesen, blieb der republikanischen Partei nichts anders übrig, als offen die Fahne des Aufstandes aufzupflanzen — denn an der Illusion, in der Majorität der neu zu berufenden Nationalversammlung ihre An¬ sichten vertreten zu sehen, mußte sie bald zurückkommen. Die republikanische Schild- erhebung ist völlig gescheitert, gescheitert in einer Gegend, in der man noch die meisten Sympathien für diese Art der Republik zu finden meinte. Zwar bedauern wir es tief, daß so geachtete Männer, wie Hecker, zu diesem unglückseligen Entschluß haben greifen können; auf der andern Seite aber ist es gut, daß nun die Bestrebungen der anarchischen Partei im Keime unterdrückt wer¬ den. Die Regierungen, vom Vertrauen des Volks getragen, werden den unge¬ setzlichen Freiheitstendenzen mit Energie ein Ende machen, und die gesetzliche Ent Wickelung derselben wird dann von der Constituante — und, man vergesse es ja nicht! — von ihrem Einverständniß mit den einzelnen Staaten, ihren Regie¬ rungen und ihren Ständen abhängen. Sie wird die einzelnen Staaten nicht unter¬ drücken wollen, sondern sie heben und die verschiedenen Quellen der Volkskraft in einen gemeinsamen großen Strom, versöhnend und ausgleichend, zusammenleittu. Julian Schmidt. 17*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/137>, abgerufen am 28.09.2024.