Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.nicht gehen. Er hat eine liberale Rede gehalten; die Worte aber, die er sprach, klan¬ Auch wäre es überdem viel weiser, er mischte sich hier mehr in das Thun und Metternich ist noch immer nicht in London angekommen. Der alte Herr reist nicht gehen. Er hat eine liberale Rede gehalten; die Worte aber, die er sprach, klan¬ Auch wäre es überdem viel weiser, er mischte sich hier mehr in das Thun und Metternich ist noch immer nicht in London angekommen. Der alte Herr reist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0113" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276319"/> <p xml:id="ID_382" prev="#ID_381"> nicht gehen. Er hat eine liberale Rede gehalten; die Worte aber, die er sprach, klan¬<lb/> gen in dem Munde eines Mannes, der aus frommen Principien einen verdienstvollen<lb/> Mann, wie Dr. Freund, vom deutschen Hospital entfernt, wie eine Blasphemie, und<lb/> wurden auch als solche aufgenommen. Darauf wollte er gar eine Gesellschaft geben<lb/> und Roth. Schwarz und Gold aufstecken; aber der Prinz von Preußen kam, und er<lb/> wechselte schnell die Farbe, ließ seinen Gästen absagen und beredete die „Times" einen<lb/> Aussatz zu Gunsten der gefallenen Hoheit einzurücken, in welchem gesagt wurde, er<lb/> sei mit einem besondern Auftrag an die Königin hier und aus keinem politischen Grunde,<lb/> er habe nichts mit den Vorgängen in Berlin zu thun gehabt. Dies sagt man, in<lb/> einem Augenblick, wo sein Palais als Staatseigenthum confiscire ist. O Humbug<lb/> über Humbug! — Und der preußische Gesandte, der Stifter und Beschützer alles Hum¬<lb/> bug! Das thut jedem deutschen Herzen weh. Denn preußische Herzen gibt es um<lb/> nicht mehr; nur deutsche.</p><lb/> <p xml:id="ID_383"> Auch wäre es überdem viel weiser, er mischte sich hier mehr in das Thun und<lb/> Treiben der Deutschen, statt sich aristokratisch ferne von ihnen zu halten, und sich an<lb/> der Ehre genügen zu lassen, einen hochgeborenen und kleingesinnten Fürsten zu bewir¬<lb/> then. Unter den Deutschen hier, den Proletariern meine ich, nicht den geldmachendcn<lb/> City-Leuten, die unsere Sprache reden, — herrscht ein bedeutender Geist der Unruhe,<lb/> und sie sind nicht abgeneigt, v» müsse nach Deutschland zu ziehen. Das wäre in<lb/> jetziger Zeit ein trauriges Unternehmen! Schapper, der Präsident der hiesigen Com-<lb/> munisten, ist nach Deutschland abgereist, als Deputirter für das preußische Parlament<lb/> aufzutreten. Er ist ein kluger Kopf, aber kein weiser Mensch. Auch will er eine<lb/> Republik, — connu, caimu! Leider hegt auch Freiligrath ähnliche republikanische<lb/> Ideen. Carl Heinzen ist ebenfalls von New-Dort eingetroffen, um seine Stimme<lb/> aus's Neue zu erheben. Gebe der Himmel seinen Segen dazu! Man geht nie weiter,<lb/> als wenn man nicht weiß wohin man geht, sagt Göthe; möchte Deutschland doch im¬<lb/> mer sein Ziel im Auge behalten! England sieht dem Continente mit ernstem Auge<lb/> zu — und auch mit theilnehmenden. Es hat seine Freude an Berlin, das kein Extrem<lb/> sucht oder erlaubt, und das durch keinen Umsturz alles Bestehenden zu einem Resultat<lb/> gelangen will, dessen Theorie es erst erproben soll; England achtet das. Aber es<lb/> verachtet das rohe Überschreiten aller Sitten, aller Mäßigung, wie z. B. ein kleiner<lb/> Staat wie Mecklenburg jetzt aufweist. Die Jrländer erschieße» ihre Gutsherrn; —<lb/> das ist Mord, aber das Mittel ist wenigstens aristokratisch; die Mecklenburger stampfen<lb/> ihn in einen Düngerhaufen - das ist viehisch, brutal, ist gesitteter Menschen unwür¬<lb/> dig — und das im 19. Jahrhundert!</p><lb/> <p xml:id="ID_384" next="#ID_385"> Metternich ist noch immer nicht in London angekommen. Der alte Herr reist<lb/> langsam. Man meint, er k/omne nichts Besseres thun, als seine Muße damit auszufüllen<lb/> ein Buch darüber zu schreiben: wie man es anfange keine Steuer zu bezahlen, ein<lb/> Thema, das er durch seine Erfahrung so erfolgreich zu behandeln verstehe, indem er<lb/> 30 Jahre hindurch sehr geschickt nie einen Pfennig für seine Besitzungen am Rhein<lb/> entrichtet. Bücherschreiben ist jetzt auch nur ein wenig einträgliches Geschäft; denn<lb/> wer hat Zeit zum Lesen? — Es sei denn was ans die Tagesbegebenheitcn Bezug hat.<lb/> So verkaufte der Buchhändler Lohn in einer Woche 5000 Exemplare von der Über¬<lb/> setzung der „Geschichte der Girondisten" von Lamartine. „Sonst geht auch nichts"<lb/> sagte er, während ein kleines sonderbares Männchen hereintrat, das halb wie Knabe<lb/> halb wie Mann aussah. Ein angeblicher Sohn von Lord Byron, hieß es, der be¬<lb/> hauptet, eine ganze Korrespondenz von seinem Vater und seiner Mutter zu besitzen,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0113]
nicht gehen. Er hat eine liberale Rede gehalten; die Worte aber, die er sprach, klan¬
gen in dem Munde eines Mannes, der aus frommen Principien einen verdienstvollen
Mann, wie Dr. Freund, vom deutschen Hospital entfernt, wie eine Blasphemie, und
wurden auch als solche aufgenommen. Darauf wollte er gar eine Gesellschaft geben
und Roth. Schwarz und Gold aufstecken; aber der Prinz von Preußen kam, und er
wechselte schnell die Farbe, ließ seinen Gästen absagen und beredete die „Times" einen
Aussatz zu Gunsten der gefallenen Hoheit einzurücken, in welchem gesagt wurde, er
sei mit einem besondern Auftrag an die Königin hier und aus keinem politischen Grunde,
er habe nichts mit den Vorgängen in Berlin zu thun gehabt. Dies sagt man, in
einem Augenblick, wo sein Palais als Staatseigenthum confiscire ist. O Humbug
über Humbug! — Und der preußische Gesandte, der Stifter und Beschützer alles Hum¬
bug! Das thut jedem deutschen Herzen weh. Denn preußische Herzen gibt es um
nicht mehr; nur deutsche.
Auch wäre es überdem viel weiser, er mischte sich hier mehr in das Thun und
Treiben der Deutschen, statt sich aristokratisch ferne von ihnen zu halten, und sich an
der Ehre genügen zu lassen, einen hochgeborenen und kleingesinnten Fürsten zu bewir¬
then. Unter den Deutschen hier, den Proletariern meine ich, nicht den geldmachendcn
City-Leuten, die unsere Sprache reden, — herrscht ein bedeutender Geist der Unruhe,
und sie sind nicht abgeneigt, v» müsse nach Deutschland zu ziehen. Das wäre in
jetziger Zeit ein trauriges Unternehmen! Schapper, der Präsident der hiesigen Com-
munisten, ist nach Deutschland abgereist, als Deputirter für das preußische Parlament
aufzutreten. Er ist ein kluger Kopf, aber kein weiser Mensch. Auch will er eine
Republik, — connu, caimu! Leider hegt auch Freiligrath ähnliche republikanische
Ideen. Carl Heinzen ist ebenfalls von New-Dort eingetroffen, um seine Stimme
aus's Neue zu erheben. Gebe der Himmel seinen Segen dazu! Man geht nie weiter,
als wenn man nicht weiß wohin man geht, sagt Göthe; möchte Deutschland doch im¬
mer sein Ziel im Auge behalten! England sieht dem Continente mit ernstem Auge
zu — und auch mit theilnehmenden. Es hat seine Freude an Berlin, das kein Extrem
sucht oder erlaubt, und das durch keinen Umsturz alles Bestehenden zu einem Resultat
gelangen will, dessen Theorie es erst erproben soll; England achtet das. Aber es
verachtet das rohe Überschreiten aller Sitten, aller Mäßigung, wie z. B. ein kleiner
Staat wie Mecklenburg jetzt aufweist. Die Jrländer erschieße» ihre Gutsherrn; —
das ist Mord, aber das Mittel ist wenigstens aristokratisch; die Mecklenburger stampfen
ihn in einen Düngerhaufen - das ist viehisch, brutal, ist gesitteter Menschen unwür¬
dig — und das im 19. Jahrhundert!
Metternich ist noch immer nicht in London angekommen. Der alte Herr reist
langsam. Man meint, er k/omne nichts Besseres thun, als seine Muße damit auszufüllen
ein Buch darüber zu schreiben: wie man es anfange keine Steuer zu bezahlen, ein
Thema, das er durch seine Erfahrung so erfolgreich zu behandeln verstehe, indem er
30 Jahre hindurch sehr geschickt nie einen Pfennig für seine Besitzungen am Rhein
entrichtet. Bücherschreiben ist jetzt auch nur ein wenig einträgliches Geschäft; denn
wer hat Zeit zum Lesen? — Es sei denn was ans die Tagesbegebenheitcn Bezug hat.
So verkaufte der Buchhändler Lohn in einer Woche 5000 Exemplare von der Über¬
setzung der „Geschichte der Girondisten" von Lamartine. „Sonst geht auch nichts"
sagte er, während ein kleines sonderbares Männchen hereintrat, das halb wie Knabe
halb wie Mann aussah. Ein angeblicher Sohn von Lord Byron, hieß es, der be¬
hauptet, eine ganze Korrespondenz von seinem Vater und seiner Mutter zu besitzen,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |