Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.Zuerst werden die Gründe angeführt, weshalb andere Volker wenig Wenn der Verf. die sittlichen Zustände der Schweiz unendlich viel in¬ Dann werden die localen Gründe, welche die Abneigung der Schweizer Wenn nun der Schweizer fortfährt: "Die Schweiz ist in der alten "Nur in der Schweiz, so motivirt er dieses Urtheil, hat der Umwand- Zuerst werden die Gründe angeführt, weshalb andere Volker wenig Wenn der Verf. die sittlichen Zustände der Schweiz unendlich viel in¬ Dann werden die localen Gründe, welche die Abneigung der Schweizer Wenn nun der Schweizer fortfährt: „Die Schweiz ist in der alten „Nur in der Schweiz, so motivirt er dieses Urtheil, hat der Umwand- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0096" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184256"/> <p xml:id="ID_281"> Zuerst werden die Gründe angeführt, weshalb andere Volker wenig<lb/> Interesse für die politischen Zustände der Schweiz zeigen: die Deutschen,<lb/> weil sie dort zu wenig theoretischen Idealismus, die Franzosen, weil sie zu<lb/> wenig praktischen Idealismus, die Engländer, weil sie keine Spur von Ili^I,<lb/> like daselbst finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_282"> Wenn der Verf. die sittlichen Zustände der Schweiz unendlich viel in¬<lb/> teressanter findet als ihre Berge, so mag er das mit seinein Geschmack aus¬<lb/> machen; wenn er aber von einem Amerikaner erzählt, dieser habe gemeint,<lb/> man sehe es doch gleich an der größern Bildung der Bewohner, daß man<lb/> sich auf dem Gebiete einer Republik befinde, so muß ich wenigstens glauben,<lb/> dieser Uankee habe von der Bildung einen eben so einseitigen Begriff, nur<lb/> in anderer Art, wie die Berliner Dilettanten, welche die Bildung uach der<lb/> Empfänglichkeit für die Beinschwingungen einer berühmten Tänzerin abmessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_283"> Dann werden die localen Gründe, welche die Abneigung der Schweizer<lb/> gegen die Deutschen motiviren, sehr klar und befriedigend auseinandergesetzt,<lb/> und wir nehmen die beiden Geständnisse des Verfassers: „Der schweizer Li¬<lb/> berale thut grimmiger als er ist; man erschöpft alle Mittel, sich ans eine<lb/> unschädliche Weise zu imponiren," und „der Deutsche kennt in der Regel<lb/> keine Rücksicht, und meint es mit der Partei, zu der er sich hält, viel<lb/> ehrlicher als sie es wünscht," utilitor an.</p><lb/> <p xml:id="ID_284"> Wenn nun der Schweizer fortfährt: „Die Schweiz ist in der alten<lb/> Welt (Europa) politisch am weitesten und rivalisirt in dem, was seit Plato<lb/> und Aristoteles der Philosoph Politik genannt hat, nur mit Amerika; für<lb/> die alte Welt ist sie das Barometer der Schwankungen in dem großen Um¬<lb/> gestaltungsprozesse des öffentlichen Lebens," so empfehlen wir ihm, einmal<lb/> ohne republikanische Vorurtheile sich z. B. in England und Frankreich um¬<lb/> zusehen, ob da nicht Dinge passiren, die denn doch die Intriguen der<lb/> schweizer Spießbürger, wie er selber sie schildert, hinter sich lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_285"> „Nur in der Schweiz, so motivirt er dieses Urtheil, hat der Umwand-<lb/> lungsprozeß auf die neueste Zeit herab die Republik gebracht; denn nur<lb/> hier hat er die Form einer Emanzipation der Gemeinde angenommen. Hier<lb/> mußte der Puukt sein, von welchem das Prinzip der modernen Politik, das<lb/> der freien Assoziation nach vernünftigen Zwecken, und damit (?) die Eman¬<lb/> zipation der Politik von den Fesseln der Religion ausgehen mußte." (War<lb/> etwa der Staat Friedrich des Großen ein religiöser?) „Die Schweiz ist der<lb/> Repräsentant des Uebergangsprozesses aus der zweiten Cultnrform in eine<lb/> noch im Werden begriffene dritte, eines Uebergangsprozesses, den sie<lb/> gllcin normal darstellt." O deutscher Idealist!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0096]
Zuerst werden die Gründe angeführt, weshalb andere Volker wenig
Interesse für die politischen Zustände der Schweiz zeigen: die Deutschen,
weil sie dort zu wenig theoretischen Idealismus, die Franzosen, weil sie zu
wenig praktischen Idealismus, die Engländer, weil sie keine Spur von Ili^I,
like daselbst finden.
Wenn der Verf. die sittlichen Zustände der Schweiz unendlich viel in¬
teressanter findet als ihre Berge, so mag er das mit seinein Geschmack aus¬
machen; wenn er aber von einem Amerikaner erzählt, dieser habe gemeint,
man sehe es doch gleich an der größern Bildung der Bewohner, daß man
sich auf dem Gebiete einer Republik befinde, so muß ich wenigstens glauben,
dieser Uankee habe von der Bildung einen eben so einseitigen Begriff, nur
in anderer Art, wie die Berliner Dilettanten, welche die Bildung uach der
Empfänglichkeit für die Beinschwingungen einer berühmten Tänzerin abmessen.
Dann werden die localen Gründe, welche die Abneigung der Schweizer
gegen die Deutschen motiviren, sehr klar und befriedigend auseinandergesetzt,
und wir nehmen die beiden Geständnisse des Verfassers: „Der schweizer Li¬
berale thut grimmiger als er ist; man erschöpft alle Mittel, sich ans eine
unschädliche Weise zu imponiren," und „der Deutsche kennt in der Regel
keine Rücksicht, und meint es mit der Partei, zu der er sich hält, viel
ehrlicher als sie es wünscht," utilitor an.
Wenn nun der Schweizer fortfährt: „Die Schweiz ist in der alten
Welt (Europa) politisch am weitesten und rivalisirt in dem, was seit Plato
und Aristoteles der Philosoph Politik genannt hat, nur mit Amerika; für
die alte Welt ist sie das Barometer der Schwankungen in dem großen Um¬
gestaltungsprozesse des öffentlichen Lebens," so empfehlen wir ihm, einmal
ohne republikanische Vorurtheile sich z. B. in England und Frankreich um¬
zusehen, ob da nicht Dinge passiren, die denn doch die Intriguen der
schweizer Spießbürger, wie er selber sie schildert, hinter sich lassen.
„Nur in der Schweiz, so motivirt er dieses Urtheil, hat der Umwand-
lungsprozeß auf die neueste Zeit herab die Republik gebracht; denn nur
hier hat er die Form einer Emanzipation der Gemeinde angenommen. Hier
mußte der Puukt sein, von welchem das Prinzip der modernen Politik, das
der freien Assoziation nach vernünftigen Zwecken, und damit (?) die Eman¬
zipation der Politik von den Fesseln der Religion ausgehen mußte." (War
etwa der Staat Friedrich des Großen ein religiöser?) „Die Schweiz ist der
Repräsentant des Uebergangsprozesses aus der zweiten Cultnrform in eine
noch im Werden begriffene dritte, eines Uebergangsprozesses, den sie
gllcin normal darstellt." O deutscher Idealist!
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