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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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allein bist?" fragte er seine Büchse abwerfend, und setzte sich in das Heidel-
bcergesträuch.

"I nu -- die Mutter hat einen schlimmen Fuß --". -- "Warum bist
Du denn fortgelaufen, wie ich das letzte Mal an Eurem Hause vorbeikam!"
-- "Sie will halt nicht, daß ich mit Ihm reden soll" -- und die mütter¬
liche Ermahnung schien so mächtig zu wirken, daß sie eilig das Bündel wie¬
der zusammenlas und auf die Hucke warf. Der Grenzjäger hinderte sie
daran, indem er sie an der Hand faßte, und vertraulich zu ihr sprach:
"Du hast eigentlich ein schlechtes Leben, Pepi! und das thut mir leid.
Schau! Du kommst nirgends hin, weder zum Tanz noch zum Lichten! ich
hätt' Dich gern schon einmal ausgebeten, aber wenn ich es thue, erlaubt
es die Mutter gewiß nicht!" -- "Ne, das wird sie nicht" antwortete mit dem
Tone tiefster Ueberzeugung das schöne Kind "sie kann Ihn nicht vertragen!"
-- "Ich möchte aber doch einmal mit Dir tanzen, Pepi?" -- "Ich weiß
halt nicht, ob ich's treffen möcht'!" -- "So probir's einmal -- nimm Dir
doch eine Ausrede; siehst Du am Sonntag hat die Lauferthrcse Hochzeit mit
dem Pferdehaunes, ich will's dem Hannes sagen, daß er Dich ausbitten soll!"

Pepi hatte in ihrem Leben noch nicht so viel mit einem fremden Manne
gesprochen, und das Anerbieten des GrenAgcrs machte sie vollends ver¬
wirrt. Aber weil nun die Hampelleute so thöricht waren, daß sie meinten,
ein Mädchen ließe sich hüten wie eine Ziege, und weil sie übermäßig geizig
und streng gegen ihre Kinder waren -- kam die Strafe über sie. Pepi
wurde zwar blutroth, aber als der Greuzjäger sei" Anerbieten wiederholte,
da willigte sie, wenn auch stumm, aber desto sicherer ein, weil sie nicht ab¬
wehrte, als der Jäger seinen Arm um sie schlang und sie an seine Brust
drückte. Er wäre schon damals eines mit ihr geworden, wenn nicht Pepi's
Bruder aus dem nächsten Busch gerufen hätte, was sie sogleich wieder zur
Besinnung brachte. Sie riß sich los, der Greuzjäger aber küßte sie rasch
und seine Büchse aufnehmend, war er mit einem Sprunge im Dickicht ver¬
schwunden. Pepi athmete hoch auf und sah dem flinken Grünrock mit hellen
Blicken uach, der eine Minute später auf der Lehne erschien, an welcher die
beiden mit ihren Hvlzkörbeu hinabgingen. Er sah sie gebückt unter der Last,
den Kopf zur Erde gesenkt, auf einen Ast sich stützend, langsam und müh¬
selig hinabsteigen -- sie dachte gedrückt und schwerathmend an den nächsten
Sonntag, wenn die Geigen und Trompeten aufspielen und sie und der Jä¬
ger miteinander tanzen würden. Die Paschhamplin fragte zu Hause sogleich,
ob sie Niemand im Busche getroffen hätten, Pepi antwortete etwas stotternd:
"Niemand als einen Reisenden, den ich nicht kennt' hab'." -- Die Mutter


allein bist?" fragte er seine Büchse abwerfend, und setzte sich in das Heidel-
bcergesträuch.

„I nu — die Mutter hat einen schlimmen Fuß —". — „Warum bist
Du denn fortgelaufen, wie ich das letzte Mal an Eurem Hause vorbeikam!"
— „Sie will halt nicht, daß ich mit Ihm reden soll" — und die mütter¬
liche Ermahnung schien so mächtig zu wirken, daß sie eilig das Bündel wie¬
der zusammenlas und auf die Hucke warf. Der Grenzjäger hinderte sie
daran, indem er sie an der Hand faßte, und vertraulich zu ihr sprach:
„Du hast eigentlich ein schlechtes Leben, Pepi! und das thut mir leid.
Schau! Du kommst nirgends hin, weder zum Tanz noch zum Lichten! ich
hätt' Dich gern schon einmal ausgebeten, aber wenn ich es thue, erlaubt
es die Mutter gewiß nicht!" — „Ne, das wird sie nicht" antwortete mit dem
Tone tiefster Ueberzeugung das schöne Kind „sie kann Ihn nicht vertragen!"
— „Ich möchte aber doch einmal mit Dir tanzen, Pepi?" — „Ich weiß
halt nicht, ob ich's treffen möcht'!" — „So probir's einmal — nimm Dir
doch eine Ausrede; siehst Du am Sonntag hat die Lauferthrcse Hochzeit mit
dem Pferdehaunes, ich will's dem Hannes sagen, daß er Dich ausbitten soll!"

Pepi hatte in ihrem Leben noch nicht so viel mit einem fremden Manne
gesprochen, und das Anerbieten des GrenAgcrs machte sie vollends ver¬
wirrt. Aber weil nun die Hampelleute so thöricht waren, daß sie meinten,
ein Mädchen ließe sich hüten wie eine Ziege, und weil sie übermäßig geizig
und streng gegen ihre Kinder waren — kam die Strafe über sie. Pepi
wurde zwar blutroth, aber als der Greuzjäger sei» Anerbieten wiederholte,
da willigte sie, wenn auch stumm, aber desto sicherer ein, weil sie nicht ab¬
wehrte, als der Jäger seinen Arm um sie schlang und sie an seine Brust
drückte. Er wäre schon damals eines mit ihr geworden, wenn nicht Pepi's
Bruder aus dem nächsten Busch gerufen hätte, was sie sogleich wieder zur
Besinnung brachte. Sie riß sich los, der Greuzjäger aber küßte sie rasch
und seine Büchse aufnehmend, war er mit einem Sprunge im Dickicht ver¬
schwunden. Pepi athmete hoch auf und sah dem flinken Grünrock mit hellen
Blicken uach, der eine Minute später auf der Lehne erschien, an welcher die
beiden mit ihren Hvlzkörbeu hinabgingen. Er sah sie gebückt unter der Last,
den Kopf zur Erde gesenkt, auf einen Ast sich stützend, langsam und müh¬
selig hinabsteigen — sie dachte gedrückt und schwerathmend an den nächsten
Sonntag, wenn die Geigen und Trompeten aufspielen und sie und der Jä¬
ger miteinander tanzen würden. Die Paschhamplin fragte zu Hause sogleich,
ob sie Niemand im Busche getroffen hätten, Pepi antwortete etwas stotternd:
„Niemand als einen Reisenden, den ich nicht kennt' hab'." — Die Mutter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/59>, abgerufen am 01.09.2024.