Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mehr plagte als seine Kameraden. Er machte sich, so oft es nur anging,
in der Nähe der Bande zu schaffen, was einem Grenzjäger am Ende nicht
schwer fallen kann, und hatte auch schou Gelegenheit gefunden mit Pepi zu >
reden. Die Paschhamplin aber war ihm jedesmal in die Quere gekommen,
und Pepi wich ihm uun von weitem aus; wahrscheinlich hatten ein Paar
derbe mütterliche Ohrfeigen sie zu diesem Entschlüsse bestimmt. Karl gab
aber sein Spiel nicht so leicht auf: er ging schou am frühen Morgen in die
Tanuwälder, in's Knieholz, auf der Viehtrieb, und spähte uach dem schönen
Kinde, die ihm endlich der Zufall im Gehölz entgegenführte. Die Pasch¬
hamplin ging zwar immer mit, wenn Reisig aus dem Busch geholt wurde,
diesmal aber hatte sie sich einen Nagel in den Fuß getreten und Pepi
wurde mit ihrem Bruder fortgeschickt. Als sie uun oben die dürren Aeste
sammelte, rauschte es mit einemmal im Gebüsch, und der Grenzjäger Karl
trat ans die Pläne heraus: er sah recht schmuck in dem grünen Waffenrock
aus, sein feines Gesicht mit dem blonden Schnurrbart gefiel ihr besser, als
alle andern, die sie bisher gesehen hatte. Karl war -- was man so sagt,
ein verdorbener Student. Es hatte ihm nicht gefallen, Theolog zu werden,
und trotz alles Schreiens und Lamentirens seiner Mutter, die gar zu gerne
einen geistlichen "Herrn Sohn" gehabt hätte, ging er zum Oberkommissair
und meldete sich zur Aufnahme in die Grenzwache. Er erhielt Waffen und
Montur, der Herr Oberkommissair versprach ihn zu berücksichtigen und zwei
Tage später marschirte er mit Sack und Pack nach Sankt Peter, wohin er
zugetheilt war. Hier mußte er nun mit seinen erfahrneren Kameraden den
Dienst, alle Wege und Fährten im Gebirg kennen lernen. Im Anfange
reuete es ihn oft, daß er diese beschwerliche Lebensart gewählt, aber wie
er besser bekannt mit seinen Kameraden wurde, sah er auch, daß es nicht
so strenge gehalten würde mit dem Dienst und daß einer deu Andern dabei
durch die Finger sah. Wie er sich in die schöne Pepi verliebte und zudem der
Sommer kam, wo das Gebirg in seiner ganzen Herrlichkeit steht, gefiel es
ihm oben recht gut, und seine Phantasie malte ihm selbst seine gehässige
Pflicht mit andern lichteren Farben aus, als früher im Winter und Früh¬
ling. Pepi erschrak nicht wenig, als der blonde Jäger wie hergeblasen vor
ihr stand und ließ das Reisigbündel, das sie eben zusammengerollt hatte, wie¬
der auseinanderfallen. "Ach Herr Je -- "

Der Grenzjäger, der seine ersten Studien in der Liebe im alten roman¬
tischen Prag gemacht hatte, wo es außer der hohen Schule der Wissenschaf¬
ten anch viel andere Schulen gibt, in denen man das Leben studirt, hütete
sich wohl, sie scheu zu machen. "Wie kommt's denn Pepi, daß Du heute


mehr plagte als seine Kameraden. Er machte sich, so oft es nur anging,
in der Nähe der Bande zu schaffen, was einem Grenzjäger am Ende nicht
schwer fallen kann, und hatte auch schou Gelegenheit gefunden mit Pepi zu >
reden. Die Paschhamplin aber war ihm jedesmal in die Quere gekommen,
und Pepi wich ihm uun von weitem aus; wahrscheinlich hatten ein Paar
derbe mütterliche Ohrfeigen sie zu diesem Entschlüsse bestimmt. Karl gab
aber sein Spiel nicht so leicht auf: er ging schou am frühen Morgen in die
Tanuwälder, in's Knieholz, auf der Viehtrieb, und spähte uach dem schönen
Kinde, die ihm endlich der Zufall im Gehölz entgegenführte. Die Pasch¬
hamplin ging zwar immer mit, wenn Reisig aus dem Busch geholt wurde,
diesmal aber hatte sie sich einen Nagel in den Fuß getreten und Pepi
wurde mit ihrem Bruder fortgeschickt. Als sie uun oben die dürren Aeste
sammelte, rauschte es mit einemmal im Gebüsch, und der Grenzjäger Karl
trat ans die Pläne heraus: er sah recht schmuck in dem grünen Waffenrock
aus, sein feines Gesicht mit dem blonden Schnurrbart gefiel ihr besser, als
alle andern, die sie bisher gesehen hatte. Karl war — was man so sagt,
ein verdorbener Student. Es hatte ihm nicht gefallen, Theolog zu werden,
und trotz alles Schreiens und Lamentirens seiner Mutter, die gar zu gerne
einen geistlichen „Herrn Sohn" gehabt hätte, ging er zum Oberkommissair
und meldete sich zur Aufnahme in die Grenzwache. Er erhielt Waffen und
Montur, der Herr Oberkommissair versprach ihn zu berücksichtigen und zwei
Tage später marschirte er mit Sack und Pack nach Sankt Peter, wohin er
zugetheilt war. Hier mußte er nun mit seinen erfahrneren Kameraden den
Dienst, alle Wege und Fährten im Gebirg kennen lernen. Im Anfange
reuete es ihn oft, daß er diese beschwerliche Lebensart gewählt, aber wie
er besser bekannt mit seinen Kameraden wurde, sah er auch, daß es nicht
so strenge gehalten würde mit dem Dienst und daß einer deu Andern dabei
durch die Finger sah. Wie er sich in die schöne Pepi verliebte und zudem der
Sommer kam, wo das Gebirg in seiner ganzen Herrlichkeit steht, gefiel es
ihm oben recht gut, und seine Phantasie malte ihm selbst seine gehässige
Pflicht mit andern lichteren Farben aus, als früher im Winter und Früh¬
ling. Pepi erschrak nicht wenig, als der blonde Jäger wie hergeblasen vor
ihr stand und ließ das Reisigbündel, das sie eben zusammengerollt hatte, wie¬
der auseinanderfallen. „Ach Herr Je — "

Der Grenzjäger, der seine ersten Studien in der Liebe im alten roman¬
tischen Prag gemacht hatte, wo es außer der hohen Schule der Wissenschaf¬
ten anch viel andere Schulen gibt, in denen man das Leben studirt, hütete
sich wohl, sie scheu zu machen. „Wie kommt's denn Pepi, daß Du heute


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184218"/>
            <p xml:id="ID_168" prev="#ID_167"> mehr plagte als seine Kameraden. Er machte sich, so oft es nur anging,<lb/>
in der Nähe der Bande zu schaffen, was einem Grenzjäger am Ende nicht<lb/>
schwer fallen kann, und hatte auch schou Gelegenheit gefunden mit Pepi zu &gt;<lb/>
reden. Die Paschhamplin aber war ihm jedesmal in die Quere gekommen,<lb/>
und Pepi wich ihm uun von weitem aus; wahrscheinlich hatten ein Paar<lb/>
derbe mütterliche Ohrfeigen sie zu diesem Entschlüsse bestimmt. Karl gab<lb/>
aber sein Spiel nicht so leicht auf: er ging schou am frühen Morgen in die<lb/>
Tanuwälder, in's Knieholz, auf der Viehtrieb, und spähte uach dem schönen<lb/>
Kinde, die ihm endlich der Zufall im Gehölz entgegenführte. Die Pasch¬<lb/>
hamplin ging zwar immer mit, wenn Reisig aus dem Busch geholt wurde,<lb/>
diesmal aber hatte sie sich einen Nagel in den Fuß getreten und Pepi<lb/>
wurde mit ihrem Bruder fortgeschickt. Als sie uun oben die dürren Aeste<lb/>
sammelte, rauschte es mit einemmal im Gebüsch, und der Grenzjäger Karl<lb/>
trat ans die Pläne heraus: er sah recht schmuck in dem grünen Waffenrock<lb/>
aus, sein feines Gesicht mit dem blonden Schnurrbart gefiel ihr besser, als<lb/>
alle andern, die sie bisher gesehen hatte. Karl war &#x2014; was man so sagt,<lb/>
ein verdorbener Student. Es hatte ihm nicht gefallen, Theolog zu werden,<lb/>
und trotz alles Schreiens und Lamentirens seiner Mutter, die gar zu gerne<lb/>
einen geistlichen &#x201E;Herrn Sohn" gehabt hätte, ging er zum Oberkommissair<lb/>
und meldete sich zur Aufnahme in die Grenzwache. Er erhielt Waffen und<lb/>
Montur, der Herr Oberkommissair versprach ihn zu berücksichtigen und zwei<lb/>
Tage später marschirte er mit Sack und Pack nach Sankt Peter, wohin er<lb/>
zugetheilt war. Hier mußte er nun mit seinen erfahrneren Kameraden den<lb/>
Dienst, alle Wege und Fährten im Gebirg kennen lernen. Im Anfange<lb/>
reuete es ihn oft, daß er diese beschwerliche Lebensart gewählt, aber wie<lb/>
er besser bekannt mit seinen Kameraden wurde, sah er auch, daß es nicht<lb/>
so strenge gehalten würde mit dem Dienst und daß einer deu Andern dabei<lb/>
durch die Finger sah. Wie er sich in die schöne Pepi verliebte und zudem der<lb/>
Sommer kam, wo das Gebirg in seiner ganzen Herrlichkeit steht, gefiel es<lb/>
ihm oben recht gut, und seine Phantasie malte ihm selbst seine gehässige<lb/>
Pflicht mit andern lichteren Farben aus, als früher im Winter und Früh¬<lb/>
ling. Pepi erschrak nicht wenig, als der blonde Jäger wie hergeblasen vor<lb/>
ihr stand und ließ das Reisigbündel, das sie eben zusammengerollt hatte, wie¬<lb/>
der auseinanderfallen. &#x201E;Ach Herr Je &#x2014; "</p><lb/>
            <p xml:id="ID_169" next="#ID_170"> Der Grenzjäger, der seine ersten Studien in der Liebe im alten roman¬<lb/>
tischen Prag gemacht hatte, wo es außer der hohen Schule der Wissenschaf¬<lb/>
ten anch viel andere Schulen gibt, in denen man das Leben studirt, hütete<lb/>
sich wohl, sie scheu zu machen. &#x201E;Wie kommt's denn Pepi, daß Du heute</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0058] mehr plagte als seine Kameraden. Er machte sich, so oft es nur anging, in der Nähe der Bande zu schaffen, was einem Grenzjäger am Ende nicht schwer fallen kann, und hatte auch schou Gelegenheit gefunden mit Pepi zu > reden. Die Paschhamplin aber war ihm jedesmal in die Quere gekommen, und Pepi wich ihm uun von weitem aus; wahrscheinlich hatten ein Paar derbe mütterliche Ohrfeigen sie zu diesem Entschlüsse bestimmt. Karl gab aber sein Spiel nicht so leicht auf: er ging schou am frühen Morgen in die Tanuwälder, in's Knieholz, auf der Viehtrieb, und spähte uach dem schönen Kinde, die ihm endlich der Zufall im Gehölz entgegenführte. Die Pasch¬ hamplin ging zwar immer mit, wenn Reisig aus dem Busch geholt wurde, diesmal aber hatte sie sich einen Nagel in den Fuß getreten und Pepi wurde mit ihrem Bruder fortgeschickt. Als sie uun oben die dürren Aeste sammelte, rauschte es mit einemmal im Gebüsch, und der Grenzjäger Karl trat ans die Pläne heraus: er sah recht schmuck in dem grünen Waffenrock aus, sein feines Gesicht mit dem blonden Schnurrbart gefiel ihr besser, als alle andern, die sie bisher gesehen hatte. Karl war — was man so sagt, ein verdorbener Student. Es hatte ihm nicht gefallen, Theolog zu werden, und trotz alles Schreiens und Lamentirens seiner Mutter, die gar zu gerne einen geistlichen „Herrn Sohn" gehabt hätte, ging er zum Oberkommissair und meldete sich zur Aufnahme in die Grenzwache. Er erhielt Waffen und Montur, der Herr Oberkommissair versprach ihn zu berücksichtigen und zwei Tage später marschirte er mit Sack und Pack nach Sankt Peter, wohin er zugetheilt war. Hier mußte er nun mit seinen erfahrneren Kameraden den Dienst, alle Wege und Fährten im Gebirg kennen lernen. Im Anfange reuete es ihn oft, daß er diese beschwerliche Lebensart gewählt, aber wie er besser bekannt mit seinen Kameraden wurde, sah er auch, daß es nicht so strenge gehalten würde mit dem Dienst und daß einer deu Andern dabei durch die Finger sah. Wie er sich in die schöne Pepi verliebte und zudem der Sommer kam, wo das Gebirg in seiner ganzen Herrlichkeit steht, gefiel es ihm oben recht gut, und seine Phantasie malte ihm selbst seine gehässige Pflicht mit andern lichteren Farben aus, als früher im Winter und Früh¬ ling. Pepi erschrak nicht wenig, als der blonde Jäger wie hergeblasen vor ihr stand und ließ das Reisigbündel, das sie eben zusammengerollt hatte, wie¬ der auseinanderfallen. „Ach Herr Je — " Der Grenzjäger, der seine ersten Studien in der Liebe im alten roman¬ tischen Prag gemacht hatte, wo es außer der hohen Schule der Wissenschaf¬ ten anch viel andere Schulen gibt, in denen man das Leben studirt, hütete sich wohl, sie scheu zu machen. „Wie kommt's denn Pepi, daß Du heute

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/58
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/58>, abgerufen am 01.09.2024.