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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Casernenartig hervorgetreten ist, so hat auch diese Sammlung sich gemacht, die eigens
zu einem Studium der Kunstgeschichte ausersehen, an Vollständigkeit der Reprä¬
sentation, an Ordnung und man könnte sagen Bedächtigkeit allen ähnlichen Samm¬
lungen gleichsteht (?), dagegen auf die unmittelbare Anschauung nichts weniger als
wohlthätig wirkt, da die wenigen Meisterwerke, welche diese Galerie zieren erst
mühsam aus dem Wust der übrigen Gemälde hervorgesucht werden müssen, welche
nur einen historischen Werth haben, also eigentlich nur für den Kenner berechnet
sind. Und nun Dresden, wo das Ange fortwährend überrascht und geblendet
wird von der Masse göttlicher Schöpfungen, die in reizende Verwirrung, mit einer
gewissen Naivität auf dasselbe eindringen; überrascht in jedem Augenblick selbst an
dunkeln Verstecken, wo es bei einiger Uebung glänzende Züge einer Meisterhand
hervorsuchen wird! Ich erinnere nur darau, wie die glänzende Reihe der vortreff¬
lichsten Veronese's leider so aufgehängt ist, daß man vergebens eine Stelle sucht, wo
man ihnen beikomnicn kann; daß die Gemälde einzelner Meister, bei denen der über¬
wiegende Schatten grade ein sehr deutliches Licht nöthig macht, wenn man überhaupt
etwas erkennen soll >-- wie z.B. bei Giuseppe Ribera -- grade an solche Stellen
verwiesen sind, wo man nichts weiter von ihnen erkennt, als ein paar weiße Strei¬
fen in dem tiefsten Dunkel. Wie ungenau die Ordnung der Schulen ist, wie
wenig man überhaupt die Gründe für die Zusammenstellung einzelner Gemälde
herausfinden kann, ist allgemein anerkannt.

Noch viel größer ist der Uebelstand bei der Aufstellung der Gobelins nach
Rafael'schen Cartonen in dem Brühl'schen Palais, weil diese einerseits ihrer Größe
wegen eine gewisse Entfernung verlangen, wie sie der Raum durchaus nicht dar¬
bietet, andererseits die Beleuchtung bei dem eigenthümlichen Mißverhältniß zwischen
der Farbe in den Gewändern und im Fleisch auf das Sorgfältigste eingerichtet sein
muß, um einen wohlthätigen Totaleindruck hervorzubringen, eine Sorgfalt, die
hier schon durch die Localität unmöglich gemacht wird, da diese das allerzweideu-
tigste Licht bedingt. ,

Die Antiken sind auf keine Weise in eine Parallele zu der Berliner
Sammlung zu bringen; es dürfte hier zwischen dem Guten, Mittelmäßigen
und Schlechten ein ganz analoges Verhältniß in beiden Städten stattfinden.
Das prachtvolle Local des Berliner Museums, diese Marmorhallen, die ursprüng¬
lich weit mehr imponiren, als die Statuen, die sie enthalten, sticht glänzend
gegen die Einfachheit der Räume im Japanischen Palais ab. Bei den Gypsab-
güssen ist zu bedauern, daß die beiden Sammlungen von einander getrennt sind;
es finden sich auch hier nur wenig Copien vor, die im Berliner Museum fehlen.
In Berlin war bisher diese Sammlung in eine Art Polterkammer verbannt; bei
der vollständigen Einrichtung des neuen Museums wird der Eindruck wohl in je¬
der Weise mehr befriedigen.

Der Winter kommt heran, die Galerie wird, da sie in unheizbaren Zimmern


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Casernenartig hervorgetreten ist, so hat auch diese Sammlung sich gemacht, die eigens
zu einem Studium der Kunstgeschichte ausersehen, an Vollständigkeit der Reprä¬
sentation, an Ordnung und man könnte sagen Bedächtigkeit allen ähnlichen Samm¬
lungen gleichsteht (?), dagegen auf die unmittelbare Anschauung nichts weniger als
wohlthätig wirkt, da die wenigen Meisterwerke, welche diese Galerie zieren erst
mühsam aus dem Wust der übrigen Gemälde hervorgesucht werden müssen, welche
nur einen historischen Werth haben, also eigentlich nur für den Kenner berechnet
sind. Und nun Dresden, wo das Ange fortwährend überrascht und geblendet
wird von der Masse göttlicher Schöpfungen, die in reizende Verwirrung, mit einer
gewissen Naivität auf dasselbe eindringen; überrascht in jedem Augenblick selbst an
dunkeln Verstecken, wo es bei einiger Uebung glänzende Züge einer Meisterhand
hervorsuchen wird! Ich erinnere nur darau, wie die glänzende Reihe der vortreff¬
lichsten Veronese's leider so aufgehängt ist, daß man vergebens eine Stelle sucht, wo
man ihnen beikomnicn kann; daß die Gemälde einzelner Meister, bei denen der über¬
wiegende Schatten grade ein sehr deutliches Licht nöthig macht, wenn man überhaupt
etwas erkennen soll >— wie z.B. bei Giuseppe Ribera — grade an solche Stellen
verwiesen sind, wo man nichts weiter von ihnen erkennt, als ein paar weiße Strei¬
fen in dem tiefsten Dunkel. Wie ungenau die Ordnung der Schulen ist, wie
wenig man überhaupt die Gründe für die Zusammenstellung einzelner Gemälde
herausfinden kann, ist allgemein anerkannt.

Noch viel größer ist der Uebelstand bei der Aufstellung der Gobelins nach
Rafael'schen Cartonen in dem Brühl'schen Palais, weil diese einerseits ihrer Größe
wegen eine gewisse Entfernung verlangen, wie sie der Raum durchaus nicht dar¬
bietet, andererseits die Beleuchtung bei dem eigenthümlichen Mißverhältniß zwischen
der Farbe in den Gewändern und im Fleisch auf das Sorgfältigste eingerichtet sein
muß, um einen wohlthätigen Totaleindruck hervorzubringen, eine Sorgfalt, die
hier schon durch die Localität unmöglich gemacht wird, da diese das allerzweideu-
tigste Licht bedingt. ,

Die Antiken sind auf keine Weise in eine Parallele zu der Berliner
Sammlung zu bringen; es dürfte hier zwischen dem Guten, Mittelmäßigen
und Schlechten ein ganz analoges Verhältniß in beiden Städten stattfinden.
Das prachtvolle Local des Berliner Museums, diese Marmorhallen, die ursprüng¬
lich weit mehr imponiren, als die Statuen, die sie enthalten, sticht glänzend
gegen die Einfachheit der Räume im Japanischen Palais ab. Bei den Gypsab-
güssen ist zu bedauern, daß die beiden Sammlungen von einander getrennt sind;
es finden sich auch hier nur wenig Copien vor, die im Berliner Museum fehlen.
In Berlin war bisher diese Sammlung in eine Art Polterkammer verbannt; bei
der vollständigen Einrichtung des neuen Museums wird der Eindruck wohl in je¬
der Weise mehr befriedigen.

Der Winter kommt heran, die Galerie wird, da sie in unheizbaren Zimmern


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/581>, abgerufen am 01.09.2024.