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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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listischm Künste, wo man wie zur Zeit des dreißigjährigen Krieges die Religion Zc.
als Coulisse benutzt, um hinter derselben desto besser fechten zu können.

Wie reizend wird die Menschheit, wenn ihr Begriff sich in Millionen Persön¬
lichkeiten zergliedert, die bei aller wesentlichen Einheit doch so eigenthümlich ver¬
schieden sind! Der Geist in seiner unerschöpflichen Erfindungs- und Gestaltungs¬
kraft verschmäht die Monotonie, wenn die Zeit der Bildung und Reife gekommen
ist, wandert er umher wie ein freundlicher Gärtner und sammelt ein von den
Nationen Grandezza, Grazie, Kraft, Ernst, Tiefsinn, Heiterkeit, Gedankenschärfe ze.
und alles das am liebsten, was der andern fehlt. Welch' eine Symphonie von
verschiedenen und doch geeinigten Seelenrichtungen!

Aber die gottvergessene, mörderische Politik geht auf Raub aus und erstickt
die Keime, sie wirft Kolosse gegen kleine Nationen, um mit den Trümmern der¬
selben ihre Paläste zu bauen.

Babylon kam über Juda, Persien über Babylon, Macedonien über Persien,
Rom über Macedonien, und wer über Rom? Der Herr fegte und wird alle fegen.

Wir verlassen den Standpunkt, wo nur die Zukunft und das Princip entscheidet.

Dann sagen wir: besser wäre die lettische Nation, wenn sie nicht mehr zu
retten ist, in's Germanenthum umgewandelt worden, denn in letzterm liegen mehr
als irgendwo anders die Keime der Erhaltung und Anerkennung.

Ans dem Vorhergehenden sahen wir bereits, daß die Deutschen in den Ost¬
seeprovinzen in ihrer feudalistischen Vereinzelung bis jetzt nicht zur Förderung je¬
ner Ansicht sich verständigen mochten.


Mdolph Westenfeld.


listischm Künste, wo man wie zur Zeit des dreißigjährigen Krieges die Religion Zc.
als Coulisse benutzt, um hinter derselben desto besser fechten zu können.

Wie reizend wird die Menschheit, wenn ihr Begriff sich in Millionen Persön¬
lichkeiten zergliedert, die bei aller wesentlichen Einheit doch so eigenthümlich ver¬
schieden sind! Der Geist in seiner unerschöpflichen Erfindungs- und Gestaltungs¬
kraft verschmäht die Monotonie, wenn die Zeit der Bildung und Reife gekommen
ist, wandert er umher wie ein freundlicher Gärtner und sammelt ein von den
Nationen Grandezza, Grazie, Kraft, Ernst, Tiefsinn, Heiterkeit, Gedankenschärfe ze.
und alles das am liebsten, was der andern fehlt. Welch' eine Symphonie von
verschiedenen und doch geeinigten Seelenrichtungen!

Aber die gottvergessene, mörderische Politik geht auf Raub aus und erstickt
die Keime, sie wirft Kolosse gegen kleine Nationen, um mit den Trümmern der¬
selben ihre Paläste zu bauen.

Babylon kam über Juda, Persien über Babylon, Macedonien über Persien,
Rom über Macedonien, und wer über Rom? Der Herr fegte und wird alle fegen.

Wir verlassen den Standpunkt, wo nur die Zukunft und das Princip entscheidet.

Dann sagen wir: besser wäre die lettische Nation, wenn sie nicht mehr zu
retten ist, in's Germanenthum umgewandelt worden, denn in letzterm liegen mehr
als irgendwo anders die Keime der Erhaltung und Anerkennung.

Ans dem Vorhergehenden sahen wir bereits, daß die Deutschen in den Ost¬
seeprovinzen in ihrer feudalistischen Vereinzelung bis jetzt nicht zur Förderung je¬
ner Ansicht sich verständigen mochten.


Mdolph Westenfeld.


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[0564] listischm Künste, wo man wie zur Zeit des dreißigjährigen Krieges die Religion Zc. als Coulisse benutzt, um hinter derselben desto besser fechten zu können. Wie reizend wird die Menschheit, wenn ihr Begriff sich in Millionen Persön¬ lichkeiten zergliedert, die bei aller wesentlichen Einheit doch so eigenthümlich ver¬ schieden sind! Der Geist in seiner unerschöpflichen Erfindungs- und Gestaltungs¬ kraft verschmäht die Monotonie, wenn die Zeit der Bildung und Reife gekommen ist, wandert er umher wie ein freundlicher Gärtner und sammelt ein von den Nationen Grandezza, Grazie, Kraft, Ernst, Tiefsinn, Heiterkeit, Gedankenschärfe ze. und alles das am liebsten, was der andern fehlt. Welch' eine Symphonie von verschiedenen und doch geeinigten Seelenrichtungen! Aber die gottvergessene, mörderische Politik geht auf Raub aus und erstickt die Keime, sie wirft Kolosse gegen kleine Nationen, um mit den Trümmern der¬ selben ihre Paläste zu bauen. Babylon kam über Juda, Persien über Babylon, Macedonien über Persien, Rom über Macedonien, und wer über Rom? Der Herr fegte und wird alle fegen. Wir verlassen den Standpunkt, wo nur die Zukunft und das Princip entscheidet. Dann sagen wir: besser wäre die lettische Nation, wenn sie nicht mehr zu retten ist, in's Germanenthum umgewandelt worden, denn in letzterm liegen mehr als irgendwo anders die Keime der Erhaltung und Anerkennung. Ans dem Vorhergehenden sahen wir bereits, daß die Deutschen in den Ost¬ seeprovinzen in ihrer feudalistischen Vereinzelung bis jetzt nicht zur Förderung je¬ ner Ansicht sich verständigen mochten. Mdolph Westenfeld.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/564>, abgerufen am 01.09.2024.