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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Wir wollen nimmermehr Lobredner des Bcamtcnwcscns, noch der Regie-
rungsmaximen im Ganzen sein, daß aber eine Regierung, gleichviel welche, in heu¬
tigen Tagen offenbaren Betrug durch Jnstructionen z" sanctioniren, anzu¬
befehlen, oder selbst nur zu dulden vermöchte, muß wohl auch der ergrimmteste
Feind unserer Institutionen für unmöglich halten, und doch klagt jener Standes¬
herr in seinem Vortrage die Regierung vor der ganzen Standschaft Böhmens
unverholen des systematischen Betruges an, und keine Stimme erhob sich wohl¬
meinend und praktisch unterrichtet genug, diese Anklage unmittelbar zu wider¬
legen --!

Wahrlich dieser eine Vortrag rechtfertiget unsere widerholten Protestationen
gegen ständische Mitregcntschast vollkommen, und füglich dürfen wir aus diesem
einen Specimen ständischer Sachanschauungsweise, ans die Tiefe der ni'rigen Vor¬
träge und Verhandlungen schließen. IZx u""no Ivonom, rufen wir, freilich etwas
uneigentlich, aus.

Genaue Kenntniß einer Sache allein berechtiget zur Kompetenz, über die
Sache zu urtheilen, und billig verlangen wir von dem Ankläger und Antragstel¬
ler, daß er den Gegenstand seiner Erörterung und Anklage ganz erfaßt und
ergründet habe, außerdem ist der Sache durch Schweigen oft besser gedient. Stehet
etwa dem Projecte der Cvmmunalrefvrm gleichmäßig gründliche Verhandlung be¬
vor, wie sie dem Lotto gewidmet worden, dann überlasse man lieber die Communen
sich selbst.

Wir übergehen das aufliegende Sophisma, welches der Regierung vorwirft,
indem sie unerlaubte Anlockungen zum Spiele zu verbiete" vorgibt,
gestehe sie das Bestehen erlaubter Anlockungen zu, doch weisen wir den Herrn
Antragsteller darauf, daß deu Lottvvcrwaltungcn durch eine besondere Anordnung
ausgetragen worden sei, ans Verminderung der Collektantcn kräftig hinzuwirken,
und daß den Collektantcn überhaupt jede Anlockung, wie etwa Aufforderung zu
Gesellschaftsspielen, wie anderwärts vorkommt, verboten sei.

Daß dem Antragsteller, daß den Patrimonialgerichten, solche Verordnungen
nicht bekannt sind, schließt ihre Existenz nicht ans, denn solche Verordnungen er¬
gehen unmittelbar an die Lottvvcrwaltungeu der Provinzen, und werden von
diesen den Collektantcn mitgetheilt.

Auch haben sich die Kollektivum in Böhmen wirklich sehr vermindert, Ge¬
suche um neue Collcktionsverlcihnngen werden stets abgewiesen. Blos einigen Col¬
lektantcn größerer Städte ist es gestattet, neben Spielen auf das Lotto Prags,
anch Spiel auf das Lotto zu Brünn anzunehmen, und ein einziger Collektant
der Hauptstadt Prag nimmt Einsätze an sür Prag, Brünn, Linz und Wien.

So gut der Herr Ankläger seine Verlästerungen des Lotto ohne Angabe
der Quelle aussprach, welcher er seine Notizen entnahm, haben auch wir das
Recht, unsere Quellen vorerst nicht zu nennen; doch vermögen wir zu verbürgen,
daß wir keinesweges ans dem servilen Berichte unsers Amtsdirektors schöpften.

Nicht minder unglücklich ist die Anklage in ihren Ziffcrdeduwonen gewesen;
denn angenommen, es sei richtig, daß im Monat Februar 1843 der Collektant
zu Hohcnelbe den bedeutenden Betrag von 4970 Fi. an die Steuerkasse lieferte,


Wir wollen nimmermehr Lobredner des Bcamtcnwcscns, noch der Regie-
rungsmaximen im Ganzen sein, daß aber eine Regierung, gleichviel welche, in heu¬
tigen Tagen offenbaren Betrug durch Jnstructionen z» sanctioniren, anzu¬
befehlen, oder selbst nur zu dulden vermöchte, muß wohl auch der ergrimmteste
Feind unserer Institutionen für unmöglich halten, und doch klagt jener Standes¬
herr in seinem Vortrage die Regierung vor der ganzen Standschaft Böhmens
unverholen des systematischen Betruges an, und keine Stimme erhob sich wohl¬
meinend und praktisch unterrichtet genug, diese Anklage unmittelbar zu wider¬
legen —!

Wahrlich dieser eine Vortrag rechtfertiget unsere widerholten Protestationen
gegen ständische Mitregcntschast vollkommen, und füglich dürfen wir aus diesem
einen Specimen ständischer Sachanschauungsweise, ans die Tiefe der ni'rigen Vor¬
träge und Verhandlungen schließen. IZx u»»no Ivonom, rufen wir, freilich etwas
uneigentlich, aus.

Genaue Kenntniß einer Sache allein berechtiget zur Kompetenz, über die
Sache zu urtheilen, und billig verlangen wir von dem Ankläger und Antragstel¬
ler, daß er den Gegenstand seiner Erörterung und Anklage ganz erfaßt und
ergründet habe, außerdem ist der Sache durch Schweigen oft besser gedient. Stehet
etwa dem Projecte der Cvmmunalrefvrm gleichmäßig gründliche Verhandlung be¬
vor, wie sie dem Lotto gewidmet worden, dann überlasse man lieber die Communen
sich selbst.

Wir übergehen das aufliegende Sophisma, welches der Regierung vorwirft,
indem sie unerlaubte Anlockungen zum Spiele zu verbiete» vorgibt,
gestehe sie das Bestehen erlaubter Anlockungen zu, doch weisen wir den Herrn
Antragsteller darauf, daß deu Lottvvcrwaltungcn durch eine besondere Anordnung
ausgetragen worden sei, ans Verminderung der Collektantcn kräftig hinzuwirken,
und daß den Collektantcn überhaupt jede Anlockung, wie etwa Aufforderung zu
Gesellschaftsspielen, wie anderwärts vorkommt, verboten sei.

Daß dem Antragsteller, daß den Patrimonialgerichten, solche Verordnungen
nicht bekannt sind, schließt ihre Existenz nicht ans, denn solche Verordnungen er¬
gehen unmittelbar an die Lottvvcrwaltungeu der Provinzen, und werden von
diesen den Collektantcn mitgetheilt.

Auch haben sich die Kollektivum in Böhmen wirklich sehr vermindert, Ge¬
suche um neue Collcktionsverlcihnngen werden stets abgewiesen. Blos einigen Col¬
lektantcn größerer Städte ist es gestattet, neben Spielen auf das Lotto Prags,
anch Spiel auf das Lotto zu Brünn anzunehmen, und ein einziger Collektant
der Hauptstadt Prag nimmt Einsätze an sür Prag, Brünn, Linz und Wien.

So gut der Herr Ankläger seine Verlästerungen des Lotto ohne Angabe
der Quelle aussprach, welcher er seine Notizen entnahm, haben auch wir das
Recht, unsere Quellen vorerst nicht zu nennen; doch vermögen wir zu verbürgen,
daß wir keinesweges ans dem servilen Berichte unsers Amtsdirektors schöpften.

Nicht minder unglücklich ist die Anklage in ihren Ziffcrdeduwonen gewesen;
denn angenommen, es sei richtig, daß im Monat Februar 1843 der Collektant
zu Hohcnelbe den bedeutenden Betrag von 4970 Fi. an die Steuerkasse lieferte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/52>, abgerufen am 27.07.2024.