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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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hen die deutsche Bürgergarde recht- zu ärger". Was sind doch die Völker noch
kindisch allenthalben -- sie bekommen aber auch noch wie Kinder die Nuthe.

Die Anstrengungen des Adels, um Pesth zu einer wahrhaft ungarischen Haupt¬
stadt zu machen, sind wirklich großartig und finden kaum in der Welt ihres Glei¬
chen. In den wenigen Jahren, seit sich der Patriotismus im Geiste der neuen
Zeit zu regen begonnen, hat er in Pesth außer einer großen Anzahl von Privat-
gebäuden die herrlichsten Institute errichtet. Das Nationaltheater kaun sich im
Schauspiel wie in der Oper fast mit jedem deutschen Theater messen. Auf die
Nationalschwimmschule, die Kettenbrücke und die Centralbahn hat er zahlreiche
Actien genommen. Das Nationalcasino ist eine der glänzendsten Leseaustalteu der
Welt. Die ungarische Akademie, 1825 begründet, besitzt bereits ein Capital von
einer halben Million und zählt an 150 Mitglieder; sie leistet für Ungarn, was
die Pariser (?) für Frankreich, und ist in Ungarn um so dringender nöthig, als das
erst kürzlich zur Literatursprachc erhobene Magyarische eine Menge neuer Wortbil¬
dungen bedarf, die von einer Autorität canonisirt werden müssen. Endlich die bril¬
lanten Gebände, das Ludoviceum und das Museum. Das Ludoviceum ist unter
anderen dadurch merkwürdig, daß es inwendig -- ganz leer ist. Es war nämlich
zu einer adeligen Cadettenschnlc bestimmt, wie etwa das Therestannm in Wien.
Die Regierung sah es aber nicht gern, daß der junge Adel in Ungarn erzogen
werden sollte, nud stellte nur, als das Gebäude fertig war, die Bedingung, daß
der Unterricht in deutscher Sprache ertheilt werdeu solle. Die Gründer aber
wollten die ungarische eingeführt wissen. Und da kein Theil nachgab, ist das Ge¬
bäude bis heute unbenutzt geblieben. Es ist aber darum doch nicht umsonst gebaut,
stünde es auch nur da als Ruhmesdenkmal für den unbeugsamen Willen des
Nationalgeistes.

Das Museum ist das prächtigste Gebäude in Pesth; es steht ganz isolirt und
hochragend am äußersten Ende der innern Stadt. Zu dem Portal führt eine
hohe breite steinerne Treppe hinan. Den Frontilpice tragen Säulen mit mächtigen
Capitälern aus Zink gegossen. Es wurde mit einer Million Fond begründet,
und es werden große Anstrengungen gemacht, seine Sammlungen zu vervollstän¬
digen. In diesem Gebäude wurde voriges Jahr eine große Ausstellung ungari¬
scher Industrie veranstaltet, von der man mir eine charakteristische Anecdote er¬
zählte: Der vorige Palatin hätte nämlich gern seinen Segen zu Ungarns industriel¬
len Aufschwung gegeben, wenn nicht die liberale Partei dabei so sehr thätig ge¬
wesen wäre. Ein so wichtiges Unternehmen, wie die Industrie-Ausstellung, be¬
dürfte indeß einer pompösen Eröffnung. Das Cvmitve begab sich daher in cnr-
poro zum Palatiu und lud ihn feierlichst ein, die Eröffnung mit seiner Gegen¬
wart zu verherrlichen. Der Erzherzog konnte die Einladung nicht zurückweisen,
und es wurden glänzende Anstalten zu seinem Empfang getroffen, unter andern
sollte die ganze Bürgergarde vor dem Portale paradiren. Aber während die


hen die deutsche Bürgergarde recht- zu ärger». Was sind doch die Völker noch
kindisch allenthalben — sie bekommen aber auch noch wie Kinder die Nuthe.

Die Anstrengungen des Adels, um Pesth zu einer wahrhaft ungarischen Haupt¬
stadt zu machen, sind wirklich großartig und finden kaum in der Welt ihres Glei¬
chen. In den wenigen Jahren, seit sich der Patriotismus im Geiste der neuen
Zeit zu regen begonnen, hat er in Pesth außer einer großen Anzahl von Privat-
gebäuden die herrlichsten Institute errichtet. Das Nationaltheater kaun sich im
Schauspiel wie in der Oper fast mit jedem deutschen Theater messen. Auf die
Nationalschwimmschule, die Kettenbrücke und die Centralbahn hat er zahlreiche
Actien genommen. Das Nationalcasino ist eine der glänzendsten Leseaustalteu der
Welt. Die ungarische Akademie, 1825 begründet, besitzt bereits ein Capital von
einer halben Million und zählt an 150 Mitglieder; sie leistet für Ungarn, was
die Pariser (?) für Frankreich, und ist in Ungarn um so dringender nöthig, als das
erst kürzlich zur Literatursprachc erhobene Magyarische eine Menge neuer Wortbil¬
dungen bedarf, die von einer Autorität canonisirt werden müssen. Endlich die bril¬
lanten Gebände, das Ludoviceum und das Museum. Das Ludoviceum ist unter
anderen dadurch merkwürdig, daß es inwendig — ganz leer ist. Es war nämlich
zu einer adeligen Cadettenschnlc bestimmt, wie etwa das Therestannm in Wien.
Die Regierung sah es aber nicht gern, daß der junge Adel in Ungarn erzogen
werden sollte, nud stellte nur, als das Gebäude fertig war, die Bedingung, daß
der Unterricht in deutscher Sprache ertheilt werdeu solle. Die Gründer aber
wollten die ungarische eingeführt wissen. Und da kein Theil nachgab, ist das Ge¬
bäude bis heute unbenutzt geblieben. Es ist aber darum doch nicht umsonst gebaut,
stünde es auch nur da als Ruhmesdenkmal für den unbeugsamen Willen des
Nationalgeistes.

Das Museum ist das prächtigste Gebäude in Pesth; es steht ganz isolirt und
hochragend am äußersten Ende der innern Stadt. Zu dem Portal führt eine
hohe breite steinerne Treppe hinan. Den Frontilpice tragen Säulen mit mächtigen
Capitälern aus Zink gegossen. Es wurde mit einer Million Fond begründet,
und es werden große Anstrengungen gemacht, seine Sammlungen zu vervollstän¬
digen. In diesem Gebäude wurde voriges Jahr eine große Ausstellung ungari¬
scher Industrie veranstaltet, von der man mir eine charakteristische Anecdote er¬
zählte: Der vorige Palatin hätte nämlich gern seinen Segen zu Ungarns industriel¬
len Aufschwung gegeben, wenn nicht die liberale Partei dabei so sehr thätig ge¬
wesen wäre. Ein so wichtiges Unternehmen, wie die Industrie-Ausstellung, be¬
dürfte indeß einer pompösen Eröffnung. Das Cvmitve begab sich daher in cnr-
poro zum Palatiu und lud ihn feierlichst ein, die Eröffnung mit seiner Gegen¬
wart zu verherrlichen. Der Erzherzog konnte die Einladung nicht zurückweisen,
und es wurden glänzende Anstalten zu seinem Empfang getroffen, unter andern
sollte die ganze Bürgergarde vor dem Portale paradiren. Aber während die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/518>, abgerufen am 01.09.2024.