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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Nitterschaftsbauk eingeleitet. Oder auch: außer dem deutschen halt' ich mir noch
einen französischen Hauslehrer und eine englische Gouvernante. Meine Kinder
gehen wohlfaöhivnirt aus den Schnürleibern der Wildling hervor, mit wohlcingeübter
Manierlichkeit werden sie gleich Gladiatoren der Grazie in den Dorpatschen, Rigai'-
schen :c. Salons alle Kastelle der Schönheit zur Uebergabe bringe". Und dann
nach Paris! der letzte Kulturschliff wird an den von Tannenschwarz und Nebeln
verdunkelten Diamanten gelegt. Die Rückreise ist eine strahlende Rennbahn, die
Meta irgend eine reiche Erbin, die sich wie mit einem Zauberschlage auf das
Bonmot ergibt, das der französisirende Jüngling uuter der Beifallsbezeugung einer
gräflichen Tante oder Großmutter vermittelst eines unvergleichlichen Knalleffectes
gegen den Busen seiner Schönen richtet.

Unter solchen Gedanken geht der Gutsherr mit hochgestnlpten Wasserstiefeln
durch seine Hofesfelder spazieren. Kaum ist es ihm möglich, durch die zwischen
den Feldern freigelassenen Furchen zu dringen. Die Halme nicken mit schweren
Aehren gegen seine Brust und drohen über seinem Hanpte zusammenzuschlagen.
Die Sonne liegt warm und blühend über den Wiesengründen. Ein blauer Duft
legt sich um die Wipfel des fernen Tannenwaldes. Die Töne eines Hifthornes
auillen aus seinem Dunkel hervor und erinnern ihn an die Wildhühner- und
Elenthierbraten, welche inzwischen sein Jäger schießt, um am Abend nach dem
Rcvisivnögange den Magen seines Herrn in heitere Stimmung zu versetzen.

Dieser kommt endlich an der Grenze an, wo die Felder seines Bauers be¬
ginnen. Er hat einmal seinen Blick für das freundliche Weltall eröffnet und
l'ann ihn daher nicht plötzlich von einer Greuze koupiren lassen, er sieht hinüber
und denkt und sinnt, was sinnt er? -- el, el, mein Bäuerlein hat gut ge¬
wirthschaftet, seine Halme stehen freilich niedriger und sind dünner vertheilt als
die meinigen, aber es geht, es geht! So viel Los nach meiner Berechnung und
vielleicht noch darüber! Gut das! wir werden unsere Rechnungen mit einander
dergleichen und ich kann endlich mein Saldo herausbringen.

Sind die Halme so dünn, wie die Haare eines Junggesellen, der an Kahl-
köpstgkeit leidet, so beantwortet er seine Besorgnisse wieder mit der Genügsamkeit
des Baners, der mit einer Portion saurer Grütze und einem Häringsschwanze
schon durch die Welt steuern würde.

Aber der Himmel macht oft alle Berechnungen zu Schanden, das erfahren
wir in den Jahren des MißwachseS. Sparen konnte der Bauer nicht, um wie
der Bär von seinein Fette zu zehren, weil es ihm, frühere reichlichere und är¬
mere Jahre gegen einander ausgeglichen, nicht möglich war, Fett zu sammeln. Nun
wüßte der Herr wieder herhalten. Aber dieser denkt: was geht mich am Ende
der Bauer an? warum hat er sich emanzipiren lassen? warum sind unsere patri¬
archalischen Verhältnisse aufgelöst? Sorge ein Jeder für sich! Fort also nach Riga
und in Magazinen für spekulirende Kaufleute aufgestapelt, ich muß für meine Kilt-


Nitterschaftsbauk eingeleitet. Oder auch: außer dem deutschen halt' ich mir noch
einen französischen Hauslehrer und eine englische Gouvernante. Meine Kinder
gehen wohlfaöhivnirt aus den Schnürleibern der Wildling hervor, mit wohlcingeübter
Manierlichkeit werden sie gleich Gladiatoren der Grazie in den Dorpatschen, Rigai'-
schen :c. Salons alle Kastelle der Schönheit zur Uebergabe bringe«. Und dann
nach Paris! der letzte Kulturschliff wird an den von Tannenschwarz und Nebeln
verdunkelten Diamanten gelegt. Die Rückreise ist eine strahlende Rennbahn, die
Meta irgend eine reiche Erbin, die sich wie mit einem Zauberschlage auf das
Bonmot ergibt, das der französisirende Jüngling uuter der Beifallsbezeugung einer
gräflichen Tante oder Großmutter vermittelst eines unvergleichlichen Knalleffectes
gegen den Busen seiner Schönen richtet.

Unter solchen Gedanken geht der Gutsherr mit hochgestnlpten Wasserstiefeln
durch seine Hofesfelder spazieren. Kaum ist es ihm möglich, durch die zwischen
den Feldern freigelassenen Furchen zu dringen. Die Halme nicken mit schweren
Aehren gegen seine Brust und drohen über seinem Hanpte zusammenzuschlagen.
Die Sonne liegt warm und blühend über den Wiesengründen. Ein blauer Duft
legt sich um die Wipfel des fernen Tannenwaldes. Die Töne eines Hifthornes
auillen aus seinem Dunkel hervor und erinnern ihn an die Wildhühner- und
Elenthierbraten, welche inzwischen sein Jäger schießt, um am Abend nach dem
Rcvisivnögange den Magen seines Herrn in heitere Stimmung zu versetzen.

Dieser kommt endlich an der Grenze an, wo die Felder seines Bauers be¬
ginnen. Er hat einmal seinen Blick für das freundliche Weltall eröffnet und
l'ann ihn daher nicht plötzlich von einer Greuze koupiren lassen, er sieht hinüber
und denkt und sinnt, was sinnt er? — el, el, mein Bäuerlein hat gut ge¬
wirthschaftet, seine Halme stehen freilich niedriger und sind dünner vertheilt als
die meinigen, aber es geht, es geht! So viel Los nach meiner Berechnung und
vielleicht noch darüber! Gut das! wir werden unsere Rechnungen mit einander
dergleichen und ich kann endlich mein Saldo herausbringen.

Sind die Halme so dünn, wie die Haare eines Junggesellen, der an Kahl-
köpstgkeit leidet, so beantwortet er seine Besorgnisse wieder mit der Genügsamkeit
des Baners, der mit einer Portion saurer Grütze und einem Häringsschwanze
schon durch die Welt steuern würde.

Aber der Himmel macht oft alle Berechnungen zu Schanden, das erfahren
wir in den Jahren des MißwachseS. Sparen konnte der Bauer nicht, um wie
der Bär von seinein Fette zu zehren, weil es ihm, frühere reichlichere und är¬
mere Jahre gegen einander ausgeglichen, nicht möglich war, Fett zu sammeln. Nun
wüßte der Herr wieder herhalten. Aber dieser denkt: was geht mich am Ende
der Bauer an? warum hat er sich emanzipiren lassen? warum sind unsere patri¬
archalischen Verhältnisse aufgelöst? Sorge ein Jeder für sich! Fort also nach Riga
und in Magazinen für spekulirende Kaufleute aufgestapelt, ich muß für meine Kilt-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/507>, abgerufen am 01.09.2024.