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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Königin Majestät höchst seligen Andenkens war, vorauszugehen, und dann die
umständlichen Vorschlage auf was Art dieselbe mit Rücksicht auf die gegenwärtigen
Umstände und ohne Bebürdung des Landes oder des Aerariums auf die zweck¬
mäßigste Art wieder hergestellt werden könnte, zu folgen haben."

Dieser Satz bedarf keines Commentars, denn er spricht von Wiedereinführung
und von Wiederherstellung, und mit keinem Worte von Abänderung der Landes¬
verfassung.

Man wird mir vielleicht hierauf entgegnen, daß wenn auch weiland Kaiser
Leopold II. bei Zusammenberufung der Stände nicht die Absicht hatte, die Ver¬
fassung abzuändern, Höchstderselbe eine solche jedoch durch die allerhöchste Ent¬
schließung vom 12. August 1791 nicht nur bethätigt, sondern hiedurch sogar eine
ganz neue Landesverfassung geschaffen habe; diesem Letzten muß ich entschieden
widersprechen, denn sobald wir nicht in vorhinein alle Landesprivilegien, somit
auch die rechtliche Wirksamkeit der Stände und ihr Mandat im Landtag zu ver¬
handeln vor Erfluß dieser höchsten Entschließung als gänzlich erloschen betrachten
wollen, muß folgerecht angenommen werden, daß die Stände kraft ihrer Privile¬
gien im Jahre 1790 zusammengetreten sind, wonach sofort die dortigen Verhand¬
lungen nur "ach diesen und dem bestandenen Herkommen beurtheilt werden können,
oder mit anderen Worten, die rechtliche Wirkung aller während dieses Landtags
vorgekommenen Akte kann nur nach dem beurtheilt werden, was bei denen --
diesem vorangegangenen -- Landtagen Geltung hatte, nämlich zur gültigen, für
das Land verbindlichen Erzeugung eines durch Mitwirkung der Stände zu Stande
gekommenen Gesetzes war und ist noch gegenwärtig wesentlich erforderlich: 1) Die
Zusammenberufung der Stände durch den König. 2) Die Eröffnung der Propo¬
sition des Königs. 3) Die ständischen Verhandlungen und Voden über die königl.
Proposition. 4) Die ständische Erklärung hierüber. 5) Die königl. Antwort.
6) Je nach Umständen eine weitere ständische Erklärung, oder aber die Abfassung
der Schlußartikel. 7) Die königl. Sanction derselben und endlich 8) die feierliche
Publikation des Landtagsschlusses und seine Drucklegung.

Nun aber wissen wir, daß auf die zweite Hauptschrift der Stände nur einzig
und allein das Hofdekret vom 12. August 1791 erflossen ist, ohne daß dessen An¬
nahme dnrch ständische Beschlüsse ausgesprochen wurde, geschweige denn, daß die
Abfassung der hierauf bezüglichen Schlußartikel deren allerhöchste Sanction und
feierliche Publikation jemals vor sich gegangen wäre; es fehlen also dem genannten
Hosdekret -- dessen ganze Fassung noch überdies beweist, daß es kein Gesetz, son¬
dern nnr eine Antwort war -- die allerwesentlichsten Erfordernisse, um sich als ein
auf dem Landtage ordnungsmäßig vereinbartes und allgemein verbindliches Lan¬
desgesetz darzustellen.

Es kann daher diesem Hofdekret keine andere Geltung und Wirkung beigelegt wer¬
den, als die der allerhöchsten Meinungsäußerung über ein Se. Majestät unterbrei-


Königin Majestät höchst seligen Andenkens war, vorauszugehen, und dann die
umständlichen Vorschlage auf was Art dieselbe mit Rücksicht auf die gegenwärtigen
Umstände und ohne Bebürdung des Landes oder des Aerariums auf die zweck¬
mäßigste Art wieder hergestellt werden könnte, zu folgen haben."

Dieser Satz bedarf keines Commentars, denn er spricht von Wiedereinführung
und von Wiederherstellung, und mit keinem Worte von Abänderung der Landes¬
verfassung.

Man wird mir vielleicht hierauf entgegnen, daß wenn auch weiland Kaiser
Leopold II. bei Zusammenberufung der Stände nicht die Absicht hatte, die Ver¬
fassung abzuändern, Höchstderselbe eine solche jedoch durch die allerhöchste Ent¬
schließung vom 12. August 1791 nicht nur bethätigt, sondern hiedurch sogar eine
ganz neue Landesverfassung geschaffen habe; diesem Letzten muß ich entschieden
widersprechen, denn sobald wir nicht in vorhinein alle Landesprivilegien, somit
auch die rechtliche Wirksamkeit der Stände und ihr Mandat im Landtag zu ver¬
handeln vor Erfluß dieser höchsten Entschließung als gänzlich erloschen betrachten
wollen, muß folgerecht angenommen werden, daß die Stände kraft ihrer Privile¬
gien im Jahre 1790 zusammengetreten sind, wonach sofort die dortigen Verhand¬
lungen nur «ach diesen und dem bestandenen Herkommen beurtheilt werden können,
oder mit anderen Worten, die rechtliche Wirkung aller während dieses Landtags
vorgekommenen Akte kann nur nach dem beurtheilt werden, was bei denen —
diesem vorangegangenen — Landtagen Geltung hatte, nämlich zur gültigen, für
das Land verbindlichen Erzeugung eines durch Mitwirkung der Stände zu Stande
gekommenen Gesetzes war und ist noch gegenwärtig wesentlich erforderlich: 1) Die
Zusammenberufung der Stände durch den König. 2) Die Eröffnung der Propo¬
sition des Königs. 3) Die ständischen Verhandlungen und Voden über die königl.
Proposition. 4) Die ständische Erklärung hierüber. 5) Die königl. Antwort.
6) Je nach Umständen eine weitere ständische Erklärung, oder aber die Abfassung
der Schlußartikel. 7) Die königl. Sanction derselben und endlich 8) die feierliche
Publikation des Landtagsschlusses und seine Drucklegung.

Nun aber wissen wir, daß auf die zweite Hauptschrift der Stände nur einzig
und allein das Hofdekret vom 12. August 1791 erflossen ist, ohne daß dessen An¬
nahme dnrch ständische Beschlüsse ausgesprochen wurde, geschweige denn, daß die
Abfassung der hierauf bezüglichen Schlußartikel deren allerhöchste Sanction und
feierliche Publikation jemals vor sich gegangen wäre; es fehlen also dem genannten
Hosdekret — dessen ganze Fassung noch überdies beweist, daß es kein Gesetz, son¬
dern nnr eine Antwort war — die allerwesentlichsten Erfordernisse, um sich als ein
auf dem Landtage ordnungsmäßig vereinbartes und allgemein verbindliches Lan¬
desgesetz darzustellen.

Es kann daher diesem Hofdekret keine andere Geltung und Wirkung beigelegt wer¬
den, als die der allerhöchsten Meinungsäußerung über ein Se. Majestät unterbrei-


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[0472] Königin Majestät höchst seligen Andenkens war, vorauszugehen, und dann die umständlichen Vorschlage auf was Art dieselbe mit Rücksicht auf die gegenwärtigen Umstände und ohne Bebürdung des Landes oder des Aerariums auf die zweck¬ mäßigste Art wieder hergestellt werden könnte, zu folgen haben." Dieser Satz bedarf keines Commentars, denn er spricht von Wiedereinführung und von Wiederherstellung, und mit keinem Worte von Abänderung der Landes¬ verfassung. Man wird mir vielleicht hierauf entgegnen, daß wenn auch weiland Kaiser Leopold II. bei Zusammenberufung der Stände nicht die Absicht hatte, die Ver¬ fassung abzuändern, Höchstderselbe eine solche jedoch durch die allerhöchste Ent¬ schließung vom 12. August 1791 nicht nur bethätigt, sondern hiedurch sogar eine ganz neue Landesverfassung geschaffen habe; diesem Letzten muß ich entschieden widersprechen, denn sobald wir nicht in vorhinein alle Landesprivilegien, somit auch die rechtliche Wirksamkeit der Stände und ihr Mandat im Landtag zu ver¬ handeln vor Erfluß dieser höchsten Entschließung als gänzlich erloschen betrachten wollen, muß folgerecht angenommen werden, daß die Stände kraft ihrer Privile¬ gien im Jahre 1790 zusammengetreten sind, wonach sofort die dortigen Verhand¬ lungen nur «ach diesen und dem bestandenen Herkommen beurtheilt werden können, oder mit anderen Worten, die rechtliche Wirkung aller während dieses Landtags vorgekommenen Akte kann nur nach dem beurtheilt werden, was bei denen — diesem vorangegangenen — Landtagen Geltung hatte, nämlich zur gültigen, für das Land verbindlichen Erzeugung eines durch Mitwirkung der Stände zu Stande gekommenen Gesetzes war und ist noch gegenwärtig wesentlich erforderlich: 1) Die Zusammenberufung der Stände durch den König. 2) Die Eröffnung der Propo¬ sition des Königs. 3) Die ständischen Verhandlungen und Voden über die königl. Proposition. 4) Die ständische Erklärung hierüber. 5) Die königl. Antwort. 6) Je nach Umständen eine weitere ständische Erklärung, oder aber die Abfassung der Schlußartikel. 7) Die königl. Sanction derselben und endlich 8) die feierliche Publikation des Landtagsschlusses und seine Drucklegung. Nun aber wissen wir, daß auf die zweite Hauptschrift der Stände nur einzig und allein das Hofdekret vom 12. August 1791 erflossen ist, ohne daß dessen An¬ nahme dnrch ständische Beschlüsse ausgesprochen wurde, geschweige denn, daß die Abfassung der hierauf bezüglichen Schlußartikel deren allerhöchste Sanction und feierliche Publikation jemals vor sich gegangen wäre; es fehlen also dem genannten Hosdekret — dessen ganze Fassung noch überdies beweist, daß es kein Gesetz, son¬ dern nnr eine Antwort war — die allerwesentlichsten Erfordernisse, um sich als ein auf dem Landtage ordnungsmäßig vereinbartes und allgemein verbindliches Lan¬ desgesetz darzustellen. Es kann daher diesem Hofdekret keine andere Geltung und Wirkung beigelegt wer¬ den, als die der allerhöchsten Meinungsäußerung über ein Se. Majestät unterbrei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/472>, abgerufen am 27.07.2024.