Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es, oder wollte es nicht bemerken, daß es sich nun nicht mehr um 50,000 Fi>,
sondern um eine Hauptfrage ständischer Existenz handle; er ging auf Einzelheiten
über; er versuchte es, den Worten der Majcstäts - Schrift eine audere Deutung zu
unterschieden; machte einen zweiten gewaltigen Satz über die darin deutlich ent¬
haltene Gefährdung der Frage in> und behauptete das Piomoilu sei gar nicht
gefährdet, -- brachte ein, schon früher im Mai von einem Prälaten versuchtes
Advokaten-Kunststück wieder an"), und hob wieder die, uubilligerweise auf den
Städten allein ruhende Last hervor, -- welche ja die Stände sthon se' oft mit
wahrem Bedauern anerkannten, ohne es deshalb übernommen zu haben, dieses
Unrecht durch ein anderes, ausgedehnteres und auf Mehreren ruhendes, wieder
gut zu macheu.

Der Inhalt dessen, was von den anderen acht Rednern gegen die Uebernahme
der Steuererhöhung gesprochen wurde, war in der Hauptsache stets dasselbe. Alle
sprachen sich klar und deutlich dahin aus, daß sie ihre Pflichten gegen König und
Nation wohl erkennend, nud von deren Wichtigkeit und Ernste durchdrungen, nur
in genauer Erfüllung dieser, jenen gegen den König nachkommen, eine wahre un-
geheuchelte Treue an seinen Thron bewähren können; >-- daß sie in dem vorlie¬
genden Falle hiernach gehandelt hätten, und um jeden Preis auch förder hiernach
handeln müßten, wenn sie anders nicht außer der Verachtung der Nation auch die
ihres Königs aus sich laden wollten. Diese würde sie unvermeidlich treffe", sobald
sich der König überzeugt hätte, -- was bei der Gerechtigkeitsliebe des ganzen
Königshauses unausbleiblich sei -- daß seine heutigen Anforderungen und seiue
heutige Mißbilligung, uur eiuer ihm von seinen Behörden gewordenen ganz irri¬
gen Auffassung der Rechte, welche die Nation habe, und durch die Stände aus¬
übe, demnach der Privilegien der Stände einerseits, ihrer Pflichten aber anderer¬
seits, entsprungen wären; -- die Stände aber uuter der Maske des Gehorsames
ihre Sache feigerweise verlassen, und ihren Monarchen zur unwillkürlichen Ver-
nichtung der von ihm beschworenen Verfassung, selbst induzirt hätten.

Im Einzelnen wichen die Redner auch nicht wesentlich von einander ab, we-



D. Red.
Bürgcrmeister einer hohen Achtung und einer nicht gewöhnlichen Popularität erfreut, so daß
es wahrscheinlich ist, daß die Bürger Prags, wenn sie ihre ständischen Repräsentanten frei
wählen könnten, gerade ihn wieder dazu berufen würden- Bei einer solchen Wahl würde er
eine ganz andere Stellung unter den Ständen erhalten, und es würde nur von ihm abhän¬
gen, sie in eine der einflußreichsten zu verwandeln. In seiner gegenwärtigen Position jedoch
mag der Herr Bürgermeister noch so oft behaupten und betheuern, daß nicht der k. k. Beamte,
sondern nur die eigene Ueberzeugung aus ihm spreche, so glaubt ihm dies kein Mensch, nicht
einmal Jene, welche wie ich, von seinen Fähigkeiten, seiner Geschäfts- und Menschen-Kenntniß,
und wirklichem Gemeinsinn einen recht hohen Begriff haben,
*) Welches? Wegen des -uxlicttui' et -"Itsra par" hätte der geehrte Herr Einsender dieses
zu wiederholten Malen vorgebrachte Argument unsern Lesern nicht vorenthalten sollen.

es, oder wollte es nicht bemerken, daß es sich nun nicht mehr um 50,000 Fi>,
sondern um eine Hauptfrage ständischer Existenz handle; er ging auf Einzelheiten
über; er versuchte es, den Worten der Majcstäts - Schrift eine audere Deutung zu
unterschieden; machte einen zweiten gewaltigen Satz über die darin deutlich ent¬
haltene Gefährdung der Frage in> und behauptete das Piomoilu sei gar nicht
gefährdet, — brachte ein, schon früher im Mai von einem Prälaten versuchtes
Advokaten-Kunststück wieder an"), und hob wieder die, uubilligerweise auf den
Städten allein ruhende Last hervor, — welche ja die Stände sthon se' oft mit
wahrem Bedauern anerkannten, ohne es deshalb übernommen zu haben, dieses
Unrecht durch ein anderes, ausgedehnteres und auf Mehreren ruhendes, wieder
gut zu macheu.

Der Inhalt dessen, was von den anderen acht Rednern gegen die Uebernahme
der Steuererhöhung gesprochen wurde, war in der Hauptsache stets dasselbe. Alle
sprachen sich klar und deutlich dahin aus, daß sie ihre Pflichten gegen König und
Nation wohl erkennend, nud von deren Wichtigkeit und Ernste durchdrungen, nur
in genauer Erfüllung dieser, jenen gegen den König nachkommen, eine wahre un-
geheuchelte Treue an seinen Thron bewähren können; >— daß sie in dem vorlie¬
genden Falle hiernach gehandelt hätten, und um jeden Preis auch förder hiernach
handeln müßten, wenn sie anders nicht außer der Verachtung der Nation auch die
ihres Königs aus sich laden wollten. Diese würde sie unvermeidlich treffe», sobald
sich der König überzeugt hätte, — was bei der Gerechtigkeitsliebe des ganzen
Königshauses unausbleiblich sei — daß seine heutigen Anforderungen und seiue
heutige Mißbilligung, uur eiuer ihm von seinen Behörden gewordenen ganz irri¬
gen Auffassung der Rechte, welche die Nation habe, und durch die Stände aus¬
übe, demnach der Privilegien der Stände einerseits, ihrer Pflichten aber anderer¬
seits, entsprungen wären; — die Stände aber uuter der Maske des Gehorsames
ihre Sache feigerweise verlassen, und ihren Monarchen zur unwillkürlichen Ver-
nichtung der von ihm beschworenen Verfassung, selbst induzirt hätten.

Im Einzelnen wichen die Redner auch nicht wesentlich von einander ab, we-



D. Red.
Bürgcrmeister einer hohen Achtung und einer nicht gewöhnlichen Popularität erfreut, so daß
es wahrscheinlich ist, daß die Bürger Prags, wenn sie ihre ständischen Repräsentanten frei
wählen könnten, gerade ihn wieder dazu berufen würden- Bei einer solchen Wahl würde er
eine ganz andere Stellung unter den Ständen erhalten, und es würde nur von ihm abhän¬
gen, sie in eine der einflußreichsten zu verwandeln. In seiner gegenwärtigen Position jedoch
mag der Herr Bürgermeister noch so oft behaupten und betheuern, daß nicht der k. k. Beamte,
sondern nur die eigene Ueberzeugung aus ihm spreche, so glaubt ihm dies kein Mensch, nicht
einmal Jene, welche wie ich, von seinen Fähigkeiten, seiner Geschäfts- und Menschen-Kenntniß,
und wirklichem Gemeinsinn einen recht hohen Begriff haben,
*) Welches? Wegen des -uxlicttui' et -»Itsra par» hätte der geehrte Herr Einsender dieses
zu wiederholten Malen vorgebrachte Argument unsern Lesern nicht vorenthalten sollen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184618"/>
          <p xml:id="ID_1608" prev="#ID_1607"> es, oder wollte es nicht bemerken, daß es sich nun nicht mehr um 50,000 Fi&gt;,<lb/>
sondern um eine Hauptfrage ständischer Existenz handle; er ging auf Einzelheiten<lb/>
über; er versuchte es, den Worten der Majcstäts - Schrift eine audere Deutung zu<lb/>
unterschieden; machte einen zweiten gewaltigen Satz über die darin deutlich ent¬<lb/>
haltene Gefährdung der Frage in&gt; und behauptete das Piomoilu sei gar nicht<lb/>
gefährdet, &#x2014; brachte ein, schon früher im Mai von einem Prälaten versuchtes<lb/>
Advokaten-Kunststück wieder an"), und hob wieder die, uubilligerweise auf den<lb/>
Städten allein ruhende Last hervor, &#x2014; welche ja die Stände sthon se' oft mit<lb/>
wahrem Bedauern anerkannten, ohne es deshalb übernommen zu haben, dieses<lb/>
Unrecht durch ein anderes, ausgedehnteres und auf Mehreren ruhendes, wieder<lb/>
gut zu macheu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1609"> Der Inhalt dessen, was von den anderen acht Rednern gegen die Uebernahme<lb/>
der Steuererhöhung gesprochen wurde, war in der Hauptsache stets dasselbe. Alle<lb/>
sprachen sich klar und deutlich dahin aus, daß sie ihre Pflichten gegen König und<lb/>
Nation wohl erkennend, nud von deren Wichtigkeit und Ernste durchdrungen, nur<lb/>
in genauer Erfüllung dieser, jenen gegen den König nachkommen, eine wahre un-<lb/>
geheuchelte Treue an seinen Thron bewähren können; &gt;&#x2014; daß sie in dem vorlie¬<lb/>
genden Falle hiernach gehandelt hätten, und um jeden Preis auch förder hiernach<lb/>
handeln müßten, wenn sie anders nicht außer der Verachtung der Nation auch die<lb/>
ihres Königs aus sich laden wollten. Diese würde sie unvermeidlich treffe», sobald<lb/>
sich der König überzeugt hätte, &#x2014; was bei der Gerechtigkeitsliebe des ganzen<lb/>
Königshauses unausbleiblich sei &#x2014; daß seine heutigen Anforderungen und seiue<lb/>
heutige Mißbilligung, uur eiuer ihm von seinen Behörden gewordenen ganz irri¬<lb/>
gen Auffassung der Rechte, welche die Nation habe, und durch die Stände aus¬<lb/>
übe, demnach der Privilegien der Stände einerseits, ihrer Pflichten aber anderer¬<lb/>
seits, entsprungen wären; &#x2014; die Stände aber uuter der Maske des Gehorsames<lb/>
ihre Sache feigerweise verlassen, und ihren Monarchen zur unwillkürlichen Ver-<lb/>
nichtung der von ihm beschworenen Verfassung, selbst induzirt hätten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1610" next="#ID_1611"> Im Einzelnen wichen die Redner auch nicht wesentlich von einander ab, we-</p><lb/>
          <note xml:id="FID_36" prev="#FID_35" place="foot"> Bürgcrmeister einer hohen Achtung und einer nicht gewöhnlichen Popularität erfreut, so daß<lb/>
es wahrscheinlich ist, daß die Bürger Prags, wenn sie ihre ständischen Repräsentanten frei<lb/>
wählen könnten, gerade ihn wieder dazu berufen würden- Bei einer solchen Wahl würde er<lb/>
eine ganz andere Stellung unter den Ständen erhalten, und es würde nur von ihm abhän¬<lb/>
gen, sie in eine der einflußreichsten zu verwandeln. In seiner gegenwärtigen Position jedoch<lb/>
mag der Herr Bürgermeister noch so oft behaupten und betheuern, daß nicht der k. k. Beamte,<lb/>
sondern nur die eigene Ueberzeugung aus ihm spreche, so glaubt ihm dies kein Mensch, nicht<lb/>
einmal Jene, welche wie ich, von seinen Fähigkeiten, seiner Geschäfts- und Menschen-Kenntniß,<lb/>
und wirklichem Gemeinsinn einen recht hohen Begriff haben,</note><lb/>
          <note xml:id="FID_37" place="foot"> *) Welches? Wegen des -uxlicttui' et -»Itsra par» hätte der geehrte Herr Einsender dieses<lb/>
zu wiederholten Malen vorgebrachte Argument unsern Lesern nicht vorenthalten sollen.</note><lb/>
          <note type="byline"> D. Red.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0458] es, oder wollte es nicht bemerken, daß es sich nun nicht mehr um 50,000 Fi>, sondern um eine Hauptfrage ständischer Existenz handle; er ging auf Einzelheiten über; er versuchte es, den Worten der Majcstäts - Schrift eine audere Deutung zu unterschieden; machte einen zweiten gewaltigen Satz über die darin deutlich ent¬ haltene Gefährdung der Frage in> und behauptete das Piomoilu sei gar nicht gefährdet, — brachte ein, schon früher im Mai von einem Prälaten versuchtes Advokaten-Kunststück wieder an"), und hob wieder die, uubilligerweise auf den Städten allein ruhende Last hervor, — welche ja die Stände sthon se' oft mit wahrem Bedauern anerkannten, ohne es deshalb übernommen zu haben, dieses Unrecht durch ein anderes, ausgedehnteres und auf Mehreren ruhendes, wieder gut zu macheu. Der Inhalt dessen, was von den anderen acht Rednern gegen die Uebernahme der Steuererhöhung gesprochen wurde, war in der Hauptsache stets dasselbe. Alle sprachen sich klar und deutlich dahin aus, daß sie ihre Pflichten gegen König und Nation wohl erkennend, nud von deren Wichtigkeit und Ernste durchdrungen, nur in genauer Erfüllung dieser, jenen gegen den König nachkommen, eine wahre un- geheuchelte Treue an seinen Thron bewähren können; >— daß sie in dem vorlie¬ genden Falle hiernach gehandelt hätten, und um jeden Preis auch förder hiernach handeln müßten, wenn sie anders nicht außer der Verachtung der Nation auch die ihres Königs aus sich laden wollten. Diese würde sie unvermeidlich treffe», sobald sich der König überzeugt hätte, — was bei der Gerechtigkeitsliebe des ganzen Königshauses unausbleiblich sei — daß seine heutigen Anforderungen und seiue heutige Mißbilligung, uur eiuer ihm von seinen Behörden gewordenen ganz irri¬ gen Auffassung der Rechte, welche die Nation habe, und durch die Stände aus¬ übe, demnach der Privilegien der Stände einerseits, ihrer Pflichten aber anderer¬ seits, entsprungen wären; — die Stände aber uuter der Maske des Gehorsames ihre Sache feigerweise verlassen, und ihren Monarchen zur unwillkürlichen Ver- nichtung der von ihm beschworenen Verfassung, selbst induzirt hätten. Im Einzelnen wichen die Redner auch nicht wesentlich von einander ab, we- D. Red. Bürgcrmeister einer hohen Achtung und einer nicht gewöhnlichen Popularität erfreut, so daß es wahrscheinlich ist, daß die Bürger Prags, wenn sie ihre ständischen Repräsentanten frei wählen könnten, gerade ihn wieder dazu berufen würden- Bei einer solchen Wahl würde er eine ganz andere Stellung unter den Ständen erhalten, und es würde nur von ihm abhän¬ gen, sie in eine der einflußreichsten zu verwandeln. In seiner gegenwärtigen Position jedoch mag der Herr Bürgermeister noch so oft behaupten und betheuern, daß nicht der k. k. Beamte, sondern nur die eigene Ueberzeugung aus ihm spreche, so glaubt ihm dies kein Mensch, nicht einmal Jene, welche wie ich, von seinen Fähigkeiten, seiner Geschäfts- und Menschen-Kenntniß, und wirklichem Gemeinsinn einen recht hohen Begriff haben, *) Welches? Wegen des -uxlicttui' et -»Itsra par» hätte der geehrte Herr Einsender dieses zu wiederholten Malen vorgebrachte Argument unsern Lesern nicht vorenthalten sollen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/458
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/458>, abgerufen am 01.09.2024.