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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Commune gehört -- während das ungarische Nationaltheater auf Kosten des Provinz¬
adels gebaut wurde, und vom Landtag einen jährlichen Zuschuß erhält -- und
die deutsche Bürgergarde, die städtischen Schützen genannt. Die Schützen unter¬
scheiden sich dnrch deutsche Uniform, deutsches Commando und die Chiffre F. I.
(Ferdinand der Erste). Der verstorbene Palatin, der sich viel für Pesth interessirt,
soll großen Einfluß auf diese Einrichtung gehabt haben. Jetzt zeigt man sich bereits
willfährig, die für ungarische Einwohner entsprechende Chiffre F. V. anzunehmen.
Neben diesen Schützen besteht aber noch in Pesth eine zahlreiche ungarische Bürger¬
garde, Infanterie und Cavalerie, und nur höherer Einfluß verhinderte bisher die
Vereinigung, an der bereits stark gearbeitet wird.

Vou einem ausgesprochenen Haß zwischen Deutschen und Ungarn habe ich
nirgends eine Spur gefunden. Die Zeit des Kampfes sür die Sprache ist vorüber,
der Magyare hat gesiegt, ohne dem Deutschen etwas genommen zu haben, da doch
nnr das früher in Amt, Schule und Kirche übliche todte Latein durch das leichter
zuerleruende, weil lebendige Ungarisch verdrängt worden ist. Ans allen öffentlichen
Orten bewegen sich Deutsche und Ungarn friedfertig nebeneinander; wird im
Kaffeehaus um eine Zeitung gebeten, so wird das "Keren" des Ungarn, wie das
"ich bitte" des Deutschen gleich beachtet. Der Ungar spricht nicht gern deutsch,
weil er dessen nicht vollkommen mächtig ist, es nicht dialektfrei sprechen kann, und
das den Deutschen überall eigenthümliche Lächeln bei den Sprachfehlern des Frem¬
den ihn verlegen macht.

Ueberdies warum sollte er sich es uicht bequem machen zu Hause? Wenn der
Ungar nach Wien oder Berlin kommt, spricht er wie jeder andere "guten Mor¬
gen" und "ergebener Diener", eben so kann er in Ungarn jonnpot und lüll/illos
L2<ilAilja beanspruchen. Doch läßt er sich's gefallen, in Rücksicht auf den erst neu-
lichen Aufschwung seiner Sprache, daß man ihn deutsch anredet; selbst im National-
theater, wo er enthusiastischer Ungar ist, und in seinen Clubs gibt es kein Statut,
daß blos den Gebrauch der ungarischen Sprache vorschriebe. Freilich blickt sein
Auge viel freundlicher, wenn er die Töne seiner Muttersprache vernimmt, aber das
ist doch gewiß nicht eben tadelnswert!). In seiner Vorliebe für das Heimische dem
Fremden gegenüber könnte Deutschland bei ihm Unterricht nehmen.

Außer deu officiellen Kongregationen gibt es in Pesth noch drei nicht officielle
Versammlungen, worin fortwährend das Feuer der Politik erhalten wird. Es
find das die drei "Kör" (Klubb). Diese sind eigentlich von der Negierung als
Lesevereine bewilligt worden, aber es werdeu da alle Angelegenheiten des Landes
aufs wärmste besprochen, und jeder Kör hat überdies eine bestimmte politische
Färbung. Die "Gyulde" besteht aus positiven Mitgliedern, Beamten, Geistlichen,
Professoren, der "Nemzeti-Kör" ist gemäßigt-liberal, in dem."Pesel-Kör" strömt
das glühendste Blut Ungarns. Der Pesel-Kör ist ein Ausläufer des Nemzeti-Kör
(Nationalklnbb), seine Mitglieder trennten sich von diesem, weil die hier herrschende


Commune gehört — während das ungarische Nationaltheater auf Kosten des Provinz¬
adels gebaut wurde, und vom Landtag einen jährlichen Zuschuß erhält — und
die deutsche Bürgergarde, die städtischen Schützen genannt. Die Schützen unter¬
scheiden sich dnrch deutsche Uniform, deutsches Commando und die Chiffre F. I.
(Ferdinand der Erste). Der verstorbene Palatin, der sich viel für Pesth interessirt,
soll großen Einfluß auf diese Einrichtung gehabt haben. Jetzt zeigt man sich bereits
willfährig, die für ungarische Einwohner entsprechende Chiffre F. V. anzunehmen.
Neben diesen Schützen besteht aber noch in Pesth eine zahlreiche ungarische Bürger¬
garde, Infanterie und Cavalerie, und nur höherer Einfluß verhinderte bisher die
Vereinigung, an der bereits stark gearbeitet wird.

Vou einem ausgesprochenen Haß zwischen Deutschen und Ungarn habe ich
nirgends eine Spur gefunden. Die Zeit des Kampfes sür die Sprache ist vorüber,
der Magyare hat gesiegt, ohne dem Deutschen etwas genommen zu haben, da doch
nnr das früher in Amt, Schule und Kirche übliche todte Latein durch das leichter
zuerleruende, weil lebendige Ungarisch verdrängt worden ist. Ans allen öffentlichen
Orten bewegen sich Deutsche und Ungarn friedfertig nebeneinander; wird im
Kaffeehaus um eine Zeitung gebeten, so wird das „Keren" des Ungarn, wie das
„ich bitte" des Deutschen gleich beachtet. Der Ungar spricht nicht gern deutsch,
weil er dessen nicht vollkommen mächtig ist, es nicht dialektfrei sprechen kann, und
das den Deutschen überall eigenthümliche Lächeln bei den Sprachfehlern des Frem¬
den ihn verlegen macht.

Ueberdies warum sollte er sich es uicht bequem machen zu Hause? Wenn der
Ungar nach Wien oder Berlin kommt, spricht er wie jeder andere „guten Mor¬
gen" und „ergebener Diener", eben so kann er in Ungarn jonnpot und lüll/illos
L2<ilAilja beanspruchen. Doch läßt er sich's gefallen, in Rücksicht auf den erst neu-
lichen Aufschwung seiner Sprache, daß man ihn deutsch anredet; selbst im National-
theater, wo er enthusiastischer Ungar ist, und in seinen Clubs gibt es kein Statut,
daß blos den Gebrauch der ungarischen Sprache vorschriebe. Freilich blickt sein
Auge viel freundlicher, wenn er die Töne seiner Muttersprache vernimmt, aber das
ist doch gewiß nicht eben tadelnswert!). In seiner Vorliebe für das Heimische dem
Fremden gegenüber könnte Deutschland bei ihm Unterricht nehmen.

Außer deu officiellen Kongregationen gibt es in Pesth noch drei nicht officielle
Versammlungen, worin fortwährend das Feuer der Politik erhalten wird. Es
find das die drei „Kör" (Klubb). Diese sind eigentlich von der Negierung als
Lesevereine bewilligt worden, aber es werdeu da alle Angelegenheiten des Landes
aufs wärmste besprochen, und jeder Kör hat überdies eine bestimmte politische
Färbung. Die „Gyulde" besteht aus positiven Mitgliedern, Beamten, Geistlichen,
Professoren, der „Nemzeti-Kör" ist gemäßigt-liberal, in dem.„Pesel-Kör" strömt
das glühendste Blut Ungarns. Der Pesel-Kör ist ein Ausläufer des Nemzeti-Kör
(Nationalklnbb), seine Mitglieder trennten sich von diesem, weil die hier herrschende


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/424>, abgerufen am 01.09.2024.