Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sah, erkannte er, wie schwierig es sein müsse, hier eine fremde Person aus¬
findig zu machen, da selbst Einwohner Monate lang sich da nicht begegnen
müßten. Finster und gequält ging er durch die Straßen und kam endlich
am Stadthaus vorüber. Da kam ihm der Einfall, sich mit einem Polizei¬
mann über den Gegenstand seiner Sorge zu besprechen. Der Polizeimann
lachte ihm in's Gesicht und versicherte, es kämen hier sehr oft und viel kost¬
barere Dinge abhanden, ohne daß man Diebe und Eutweudetes auffinden
könne. Bei diesen Worten röthete sich Cyriaks Gesicht, seine Augen fun¬
kelten und seine Nasenlöcher rissen sich weit auf, wie die eines Hundes,
wenn er ein Wild wittert. Diese verborgenen Uebelthäter aufzuspüren, diese
geheimen Frevel zu entdecken, schien ihm ungemein reizend, er ahnte darin
seinen Beruf, seiue Lebensaufgabe. Er theilte auch dem Polizeimann seine
Gedanken mit, dieser führte ihn zu seinem Obern, und so ward Cyriak
"städtischer Commissär" ohne Gehalt.

Die Erlebnisse Cyriak's als Polizeiagent könnten sür Diebsgeschichten
Stoff genug bieten, alle aber zeigen von großer Kühnheit und Schlauheit
und einem merkwürdigen Scharfblick dieses Menschen, der nicht mehr als
wenig schreiben und lesen gelernt. Wer weiß, dachte ich, ob manche Po-
lizeiagenten, die deu Titel Polizeirath führen, diesem unbesoldeten und un-
betitelteu Mann an Scharfsinn und Gewandtheit überlegen sind. Seine
Geschicklichkeit, sich unkenntlich zu machen, ist wahrhaft bewundernswerth;
er ging mit mir eine Wette ein, daß er den nächsten Abend in derselben
Restauration sein werde, ohne von mir erkannt zu werden. Er gewann auch
die Wette, deun ich zweifelte wirklich an seiner Anwesenheit, bis eine ganz
fremde Person, die bereits einige Zeit in meiner Nähe gesessen, sich plötzlich
mit den Worten zu mir wandte: "Ich bitte um einen Gulden, Sie haben
Ihre Wette verloren."

(Zweit" Abtheilung im nächsten Hefte.)




Grenzbote,". IN. """7.50

sah, erkannte er, wie schwierig es sein müsse, hier eine fremde Person aus¬
findig zu machen, da selbst Einwohner Monate lang sich da nicht begegnen
müßten. Finster und gequält ging er durch die Straßen und kam endlich
am Stadthaus vorüber. Da kam ihm der Einfall, sich mit einem Polizei¬
mann über den Gegenstand seiner Sorge zu besprechen. Der Polizeimann
lachte ihm in's Gesicht und versicherte, es kämen hier sehr oft und viel kost¬
barere Dinge abhanden, ohne daß man Diebe und Eutweudetes auffinden
könne. Bei diesen Worten röthete sich Cyriaks Gesicht, seine Augen fun¬
kelten und seine Nasenlöcher rissen sich weit auf, wie die eines Hundes,
wenn er ein Wild wittert. Diese verborgenen Uebelthäter aufzuspüren, diese
geheimen Frevel zu entdecken, schien ihm ungemein reizend, er ahnte darin
seinen Beruf, seiue Lebensaufgabe. Er theilte auch dem Polizeimann seine
Gedanken mit, dieser führte ihn zu seinem Obern, und so ward Cyriak
„städtischer Commissär" ohne Gehalt.

Die Erlebnisse Cyriak's als Polizeiagent könnten sür Diebsgeschichten
Stoff genug bieten, alle aber zeigen von großer Kühnheit und Schlauheit
und einem merkwürdigen Scharfblick dieses Menschen, der nicht mehr als
wenig schreiben und lesen gelernt. Wer weiß, dachte ich, ob manche Po-
lizeiagenten, die deu Titel Polizeirath führen, diesem unbesoldeten und un-
betitelteu Mann an Scharfsinn und Gewandtheit überlegen sind. Seine
Geschicklichkeit, sich unkenntlich zu machen, ist wahrhaft bewundernswerth;
er ging mit mir eine Wette ein, daß er den nächsten Abend in derselben
Restauration sein werde, ohne von mir erkannt zu werden. Er gewann auch
die Wette, deun ich zweifelte wirklich an seiner Anwesenheit, bis eine ganz
fremde Person, die bereits einige Zeit in meiner Nähe gesessen, sich plötzlich
mit den Worten zu mir wandte: „Ich bitte um einen Gulden, Sie haben
Ihre Wette verloren."

(Zweit« Abtheilung im nächsten Hefte.)




Grenzbote,». IN. »««7.50
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0387" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184547"/>
            <p xml:id="ID_1346" prev="#ID_1345"> sah, erkannte er, wie schwierig es sein müsse, hier eine fremde Person aus¬<lb/>
findig zu machen, da selbst Einwohner Monate lang sich da nicht begegnen<lb/>
müßten. Finster und gequält ging er durch die Straßen und kam endlich<lb/>
am Stadthaus vorüber. Da kam ihm der Einfall, sich mit einem Polizei¬<lb/>
mann über den Gegenstand seiner Sorge zu besprechen. Der Polizeimann<lb/>
lachte ihm in's Gesicht und versicherte, es kämen hier sehr oft und viel kost¬<lb/>
barere Dinge abhanden, ohne daß man Diebe und Eutweudetes auffinden<lb/>
könne. Bei diesen Worten röthete sich Cyriaks Gesicht, seine Augen fun¬<lb/>
kelten und seine Nasenlöcher rissen sich weit auf, wie die eines Hundes,<lb/>
wenn er ein Wild wittert. Diese verborgenen Uebelthäter aufzuspüren, diese<lb/>
geheimen Frevel zu entdecken, schien ihm ungemein reizend, er ahnte darin<lb/>
seinen Beruf, seiue Lebensaufgabe. Er theilte auch dem Polizeimann seine<lb/>
Gedanken mit, dieser führte ihn zu seinem Obern, und so ward Cyriak<lb/>
&#x201E;städtischer Commissär" ohne Gehalt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1347"> Die Erlebnisse Cyriak's als Polizeiagent könnten sür Diebsgeschichten<lb/>
Stoff genug bieten, alle aber zeigen von großer Kühnheit und Schlauheit<lb/>
und einem merkwürdigen Scharfblick dieses Menschen, der nicht mehr als<lb/>
wenig schreiben und lesen gelernt. Wer weiß, dachte ich, ob manche Po-<lb/>
lizeiagenten, die deu Titel Polizeirath führen, diesem unbesoldeten und un-<lb/>
betitelteu Mann an Scharfsinn und Gewandtheit überlegen sind. Seine<lb/>
Geschicklichkeit, sich unkenntlich zu machen, ist wahrhaft bewundernswerth;<lb/>
er ging mit mir eine Wette ein, daß er den nächsten Abend in derselben<lb/>
Restauration sein werde, ohne von mir erkannt zu werden. Er gewann auch<lb/>
die Wette, deun ich zweifelte wirklich an seiner Anwesenheit, bis eine ganz<lb/>
fremde Person, die bereits einige Zeit in meiner Nähe gesessen, sich plötzlich<lb/>
mit den Worten zu mir wandte: &#x201E;Ich bitte um einen Gulden, Sie haben<lb/>
Ihre Wette verloren."</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1348"> (Zweit« Abtheilung im nächsten Hefte.)</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbote,». IN. »««7.50</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0387] sah, erkannte er, wie schwierig es sein müsse, hier eine fremde Person aus¬ findig zu machen, da selbst Einwohner Monate lang sich da nicht begegnen müßten. Finster und gequält ging er durch die Straßen und kam endlich am Stadthaus vorüber. Da kam ihm der Einfall, sich mit einem Polizei¬ mann über den Gegenstand seiner Sorge zu besprechen. Der Polizeimann lachte ihm in's Gesicht und versicherte, es kämen hier sehr oft und viel kost¬ barere Dinge abhanden, ohne daß man Diebe und Eutweudetes auffinden könne. Bei diesen Worten röthete sich Cyriaks Gesicht, seine Augen fun¬ kelten und seine Nasenlöcher rissen sich weit auf, wie die eines Hundes, wenn er ein Wild wittert. Diese verborgenen Uebelthäter aufzuspüren, diese geheimen Frevel zu entdecken, schien ihm ungemein reizend, er ahnte darin seinen Beruf, seiue Lebensaufgabe. Er theilte auch dem Polizeimann seine Gedanken mit, dieser führte ihn zu seinem Obern, und so ward Cyriak „städtischer Commissär" ohne Gehalt. Die Erlebnisse Cyriak's als Polizeiagent könnten sür Diebsgeschichten Stoff genug bieten, alle aber zeigen von großer Kühnheit und Schlauheit und einem merkwürdigen Scharfblick dieses Menschen, der nicht mehr als wenig schreiben und lesen gelernt. Wer weiß, dachte ich, ob manche Po- lizeiagenten, die deu Titel Polizeirath führen, diesem unbesoldeten und un- betitelteu Mann an Scharfsinn und Gewandtheit überlegen sind. Seine Geschicklichkeit, sich unkenntlich zu machen, ist wahrhaft bewundernswerth; er ging mit mir eine Wette ein, daß er den nächsten Abend in derselben Restauration sein werde, ohne von mir erkannt zu werden. Er gewann auch die Wette, deun ich zweifelte wirklich an seiner Anwesenheit, bis eine ganz fremde Person, die bereits einige Zeit in meiner Nähe gesessen, sich plötzlich mit den Worten zu mir wandte: „Ich bitte um einen Gulden, Sie haben Ihre Wette verloren." (Zweit« Abtheilung im nächsten Hefte.) Grenzbote,». IN. »««7.50

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/387
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/387>, abgerufen am 06.10.2024.